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Rubrik: Frontpage

Der Lebensmittelmikrobiologe Michael Teuber nimmt Stellung
Der Antibiotikaresistenz auf der Spur

Published: 22.06.2001 06:00
Modified: 21.06.2001 14:55
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Vor kurzem haben die Ergebnisse einer Doktorarbeit aus der Arbeitsgruppe von Michael Teuber vom Institut für Lebensmittelwissenschaft in den Medien Schlagzeilen gemacht. Es wurde in der Arbeit nachgewiesen, dass Rohwürste antibiotikaresistente Bakterien enthalten können. Das allein wäre noch kein Grund zur Besorgnis - jedoch wurde auch nachgewiesen, dass diese Resistenzen auch auf menschliche Darmbakterien übertragen werden können. Antibiotikaresistente Bakterien in Lebensmitteln - das klingt bedrohlich. Bei welchen Lebensmitteln können sie zum Problem werden und wo kommen diese Resistenzen eigentlich her? ETH Life fragte bei Michael Teuber nach.



Interview: Marion Morgner

In welchen Lebensmitteln finden sich antibiotikaresistente Keime?

Die Lebensmittel, die eine hohe Zahl antibiotikaresistenter Keime enthalten können, sind in erster Linie rohes Fleisch und rohe Milch und daraus hergestellte Produkte. Das ist seit Jahren bekannt. Wenn Fleisch gebraten oder gebrüht und Milch erhitzt wird, werden die Keime in der Regel abgetötet. Rohfleisch und Rohmilch sind jedoch immer mit Keimen vom Produktionstier belastet. Dessen muss man sich bewusst sein.

Woher stammen die Keime in der Rohmilch?

Diese Keime gelangen von der Oberfläche des Kuheuters in die Milch. Zum einen können das Keime sein, die natürlicherweise auf der Kuhhaut vorkommen. Zum anderen können es aber auch Keime aus dem Kuhmist sein, mit dem das Euter in Berührung kommt. Auch wenn beim Melken sehr sauber gearbeitet wird, kann es immer sein, dass einige Keime in die Milch gelangen.

Und wie sieht es bei Fleisch aus?

Bei Fleisch ist es so, dass beim Zerlegen der Tiere ebenfalls Keime aus der Darmflora an das Fleisch gelangen können. Die Keime finden sich nur an der Oberfläche des Fleisches. Wenn Sie einen grossen Schinken haben, sind da auf der Oberfläche Keime, das Schinkenfleisch im Inneren hat sicherlich keine Keime; es ist steril. Man muss differenzieren, ob man ein grosses Muskelstück hat oder ob es Hackfleisch ist, das aus verschiedenen Fleischstücken hergestellt worden sein kann, die an ihrer Oberfläche Keime getragen haben.

Das deutsche Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz bezieht sich in einer Pressemeldung auf eine Studie, in der nachgewiesen wurde, dass Vegetarier eine höhere Zahl resistenter Keime im Darm haben als "Fleischesser". Wie erklären Sie sich das?

Wenn ich Salat und Gemüse biologisch dünge, das heisst mit Mist und Gülle, dann gelangen natürlich die Keime aus den Fäkalien der Tiere auch auf die Pflanzen. Das UV-Licht der Sonne wirkt jedoch sehr stark bakterizid und führt zu einer dramatischen Keimreduktion. Wenn eine gewisse Quarantänezeit nach der letzten Düngung eingehalten wird, sehe ich das als unproblematisch an. Wenn Sie Salat oder Gemüse direkt nach der Düngung essen und nicht sorgfältig waschen, essen Sie jedoch sicherlich viele Keime mit.

Heisst das jetzt "Esst mehr Fleisch"?

Ich möchte nicht sagen, dass der Vegetarier in Punkto Keime gesünder oder ungesünder lebt. Es hängt immer davon ab, wie viel und was er isst.

Woher kommt es, dass soviele Keime eine Antibiotikaresistenz besitzen?

Sowohl Menschen, Tiere als auch Pflanzen bekommen Antibiotika: Zur Therapie und zur Prophylaxe. Bei Tieren wurden Antibiotika zudem auch als Leistungsförderer angewandt. In der europäischen Union einschliesslich der Schweiz wurden beispielsweise 1997 in der Humanmedizin und für landwirtschaftliche Nutztiere gleich viel - jeweils rund fünf Millionen Kilogramm - Antibiotika eingesetzt. Durch die Verwendung von Antibiotika werden in den Mikroorganismen Resistenzen durch Mutationen induziert oder unter dem Selektionsdruck von anderen Mikroben durch horizontalen Genaustausch erworben. Diese resistenten Keime werden in Mensch und Tier dann anschliessend angereichert. Viele Darmbakterien können Resistenzen an andere Darmbakterien weitergeben, sodass sie sich sehr schnell ausbreiten.

Der Verbraucherausschuss der Europäischen Kommission hat in einer Stellungnahme vom 1. März 1999 Antibiokaresistenzen als eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit bezeichnet und forderte beispielsweise ein totales Verbot für Antibiotika zum Pfanzenschutz. Ist die Situation wirklich so dramatisch?

Ja, weil man dieses Problem jahrzehntelang als nicht existent betrachtet hat, obwohl es eine Reihe von Hinweisen darauf gab. Zum Beispiel sind in den USA praktisch alle Erreger des Feuerbrandes schon gegen das Mittel der Wahl, nämlich Streptomycin, resistent. Es gibt Länder, die schon früher auf das Problem der Antibiotika in der Landwirtschaft reagiert haben, wie zum Beispiel Schweden, wo antimikrobielle Leistungsförderer (AMLF) für Tiere seit 1986 verboten sind. In der Schweiz sind AMLF seit 1. Januar 1999 verboten. Auf die Verwendung von Antibiotika wo es nur geht, zu verzichten, halte ich für unerlässlich. Das gilt für die Humanmedizin genauso wie für die Landwirtschaft.


Wo darf was verwendet werden?

In der Schweiz sind antimikrobielle Leistungsförderer (AMLF) für Nutztiere seit dem 1. Januar 1999 verboten. Zugelassen sind hingegen Antibiotika weiterhin zur Prophylaxe und zur Therapie von Krankheiten bei landwirtschaftlichen Nutztieren.Wegen der Gefahr der Resistenzbildung sind Antibiotika, die in der Humanmedizin verwendet werden, als AMLF für Nutztiere in der Europäischen Union nicht zugelassen. Denn es zeigte sich, dass beispielsweise der AMLF Avoparcin Resistenzen gegen das in der Humanmedizin wichtige Antibiotikum Vancomycin erzeugte. Aus diesem Grund ruht die Zulassung für eine ganze Reihe von AMLF mit ähnlichen Nebenwirkungen.


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Seit Jahren den Antibiotikaresistenzen auf der Spur: ETH-Lebensmittelmikrobiologe Michael Teuber.

Durch welche Massnahmen kann der Einsatz von Antibiotika beispielsweise in der Tierhaltung noch verringert werden?

Eine artgerechte hygienische Tierhaltung ist sicherlich das Allerwichtigste. Wenn man gut - das heisst auch hygienisch - gehaltene, gut gefütterte Tiere hat und auf geringe Tierdichten achtet, ist der Antibiotikaeinsatz auch entsprechend gering.

Wenn ein Metzger Sie fragt, wie er die Keimbelastung bei Rohwurst verringern kann, was würden Sie ihm raten?

Er sollte ein grosses Stück Fleisch nehmen, sorgfältig arbeiten und seine Wurst lange reifen lassen. So ist die Keimbelastung von Anfang an gering und ein Teil der Keime wird dann durch das Nitrit, das im Pökelsalz enthalten ist, noch abgetötet. Ein anderer Punkt ist der Wassergehalt. Je mehr Wasser Sie dem Produkt entziehen und je mehr Salz darin ist, umso schlechter können sich die Keime vermehren. Das gilt sowohl für Rohwurst als auch für Hartkäse.

Gibt es sonst noch Möglichkeiten, die Keimanzahl zu verringern?

In Amerika gibt es Minisalamis im Handel, die pasteurisiert worden sind. Wir haben sie untersucht: Das Pasteurisieren ist wirkungsvoll. Der Nachteil ist allerdings: die Salamis schmecken auch nicht mehr. Mit einer dicken Salami wäre das aber nicht möglich, die würde regelrecht zerfliessen, weil man sie zu lange erhitzen müsste, bis sie durch und durch pasteurisiert ist.

In Ihrem Labor wurde nachgewiesen, dass Antibiotika-resistente Bakterien aus Wurst ihre Resistenz an menschliche Darmbakerien weitergeben können. Gibt es Beweise dafür, dass dies nicht nur im "Reagenzglas", sondern auch im Menschen passiert?

Aktuell gibt es einen Bericht über einen Versuch, der mit zwölf freiwilligen Versuchspersonen in Dänemark gemacht wurde. Von diesen zwölf haben sechs Personen Vancomycin-resistente Enterokokken (Darmbakterien), die anderen sechs normale Enterokokken aufgenommen. Das heisst, sie haben schlicht ein Glas Milch mit 10 Millionen Keimen getrunken und danach eine Kleinigkeit gegessen. Am nächsten Tag waren bereits antibiotikaresistente Keime im Darm von der "Resistenz-Gruppe" nachweisbar. Das ist der erste Versuch, der am Menschen zeigt, dass resistente Enterokokken, die vom Menschen mit der Nahrung aufgenommen werden, auch im Darm auftauchen.

Warum gibt es nicht mehr solcher Untersuchungen?

Grundsätzlich wäre es natürlich hilfreich, wenn man mehr solcher Versuche machen könnte, aber sie sind aus ethischen Gründen eigentlich nicht durchführbar. Wir wollten einmal einen Versuch starten, bei dem Personen Käse aus Rohmilch essen sollten, der einen hohen Anteil an resistenten Keimen hatte. Letztlich wurde der Versuch abgeblasen, weil die Auflagen der Ethikkommission in Punkto Sicherheit und Risikoabschätzung sehr hoch gewesen wären. Die Regeln sind streng und das ist auch nachvollziehbar.

Gibt es noch weitere Untersuchungen, die auf eine Gefahr für den Menschen hinweisen?

Eine andere aktuelle Studie belegt, dass Geflügelzüchter ähnlich resistente Keime in ihrer Darmflora hatten, die auch bei ihrem Geflügel auftraten. Es konnten jedoch bei den Farmern nicht die selben Klone, sondern nur die davon ausgehenden Resistenzen nachgewiesen werden. So gesehen ist die Herkunft der Resistenz nicht gesichert. Dennoch kann man das eigentlich nur so erklären, dass die Keime wieder ausgeschieden oder abgebaut wurden, nachdem zuvor die Resistenz übertragen wurde.

Nur weil antibiotikaresistente Keime mit der Nahrung aufgenommen werden und anscheinend die Resistenz auch übertragen werden kann, muss dies ja nicht eine Gefahr für den einzelnen sein, oder?

Die Frage, ob das einmal für den Einzelnen von Bedeutung ist, kann ich nicht beantworten. Wenn man beispielsweise eine Harnwegsinfektion mit resistenten Enterokokken oder Escherichia coli aus der eigenen Darmflora bekommt, kann man sicherlich nicht sagen, diese Resistenz wurde von diesen Keimen aus diesem Lebensmittel übertragen. Die Resistenz könnte auch aus einer vorherigen medizinischen Behandlung stammen. Es gibt zwar überzeugende epidemiologische Hinweise, aber bewiesen ist nichts. Durch die vorherrschende Resistenzsituation und die daraus resultierende Diskussion sind jedoch die Human- und Veterinärmedizin sowie Landwirtschaft alarmiert, bewusster mit Antibiotika umzugehen. Denn dass die Antibiotikaresistenzen durch den enorm hohen Einsatz von Antibiotika kommen - weltweit eine Million Tonnen seit 1945 - ist unbestritten.

References:
•  Veröffentlichung über Antibiotikaresistenzen bei Geflügelzüchtern Juni 2000 in Journal of Antimicrobial Chemotherapy (J. Antimicrob Chemother 2001, Jun; 47 (6): 763-71: http://jac.oupjournals.org/cgi/content/abstract/47/6/763
•  Stellungnahme des Verbraucherausschusses der Europäischen Union angenommen am 1. März 1999 zur "Antibiotikaresistenz - eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit": http://europa.eu.int/comm/consumers/policy/committee/cc08_de.html
•  Stellungnahme des Bundesinstitutes für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin zum Thema "Alte Keime - neue Risiken": www.bgvv.de/presse/1998/pr_98_14.htm
•  Veröffentlichung über die Übertragung von resistenten Enterokokken durch Milch auf den Menschen (Abstract, der 40th IAAC): www.asmusa.org/pcsrc/40icaac/23772.htm
•  Studie des Schweizer Bundesamtes für Gesundheit (BAG): Bakterielle Antibiotikaresistenz in der Bereichen Humanmedizin, Veterinärmedizin und Lebensmittel: www.admin.ch/bag/dienste/medien/1999/kurzfassung%20Deut.pdf


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