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Rubrik: Mittwochs-Kolumnen |
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Guter ETH-Rat ist teuer |
Von Rudolf Mumenthaler Andere Kolumnisten haben den Blick nach vorne in die Zukunft der ETH gewagt. Als Historiker liegt mir der Blick zurück näher, und ich denke, dass er sich auch lohnt. In der Rückschau lässt sich nämlich feststellen, dass es an der ETH echte „Dauerbrenner“ an Grundsatzfragen gibt, die in gewissen Abständen immer wieder auf der Tagesordnung der politischen Diskussion erscheinen. Ich habe mehrere solcher Konstanten gefunden, die ich hier kurz präsentieren möchte: Konstante 1: Das umstrittene Verhältnis zwischen ETH-Rat und ETH Zürich Ein Blick auf die letzten Jahrzehnte in der Geschichte der ETH zeigt, dass das Führungsmodell immer wieder kritisiert, neu überdacht und verändert wurde. Die Hayek-Studie Mitte der 80er Jahre bemängelte eine Vermischung von Verwaltungsrats- und Generaldirektions-Aufgaben beim Schulrat (später ETH-Rat), worauf der Bundesrat im ETH-Gesetz von 1993 den ETH-Rat in der Funktion eines Verwaltungsrats konstituierte, der für die strategischen Fragen zuständig war. Die Rolle des exekutiven Führungsorgans sollte die "Direktion des ETH-Bereichs" übernehmen. Die damit angestrebte Gewaltentrennung wurde mit der Revision des ETH-Gesetzes 2003 wieder rückgängig gemacht oder zumindest verwässert. Der ETH-Rat sollte zu einem strategischen Organ werden, „das auch exekutive Kraft entwickeln sollte“ (1). Dies wollte man erreichen, indem die Präsidenten der beiden Hochschulen und einer Forschungsanstalt in den ETH-Rat berufen wurden. Damit wären wir wohl wieder beim von Hayek kritisierten Punkt angelangt, wonach operatives Geschäft und strategische Führung vermischt werden. Mit dieser Problematik befindet sich der ETH-Bereich durchaus in guter Gesellschaft, denn Corporate Governance (2) ist ein Thema, das heute in aller Munde ist. Meine Prognose: Auf politischen Druck wird man sich für ein Verwaltungsrats-Modell entscheiden. Damit wird das Problem aber nur verlagert, denn es bleibt die Tatsache, dass die Hochschulen de facto grössere Macht und Einfluss haben als der „Verwaltungsrat“ und dass ihre Leitungen ebenfalls strategisch führen wollen. Egal, wie entschieden wird, das Unbehagen mit einer nicht optimalen Struktur wird bleiben. Konstante 2: Die Frage nach der richtigen Dosis Management Seit den 1960er Jahren wird in regelmässigen Zyklen die Bürokratisierung der Universitäten kritisiert. (3) In Neudeutsch und positiver formuliert könnte man diese Tendenz auch als Professionalisierung des Hochschulmanagements bezeichnen. Soll die Hochschule nun von Managern oder von Wissenschaftlern geführt werden? lautet die zentrale Frage, die sich zu verschiedenen Zeiten in unterschiedlichen Formulierungen stellt. Ich habe den Verdacht, dass sich dieses Problem prinzipiell nicht lösen lässt. Es muss die bestmögliche Annäherung an den Idealzustand gesucht werden: so viel Management wie nötig, so viel Wissen(schaft) wie möglich. Aber in der Realität pendelt das Verhältnis von einem Zuviel zu einem Mangel an Management – und wieder zurück. Beispiele dafür gibt es in der jüngeren Geschichte der ETH genügend. In den 70er Jahren bildeten der ETH-Präsident, der Rektor (zuständig für Lehre und Forschung) sowie ein Betriebsdirektor die Schulleitung der ETH Zürich. Ende der 90er Jahre wurde die Schulleitung rein akademisch, nachdem der Posten des Verwaltungsdirektors aufgehoben worden war. Mit dem in ETH2020 geplanten Modell hätte das Pendel wieder in Richtung Manager ausgeschlagen, da sowohl ein geplanter Vizepräsident Finanzen wie auch ein Vizepräsident Infrastrukturmanagement Einsitz in die Schulleitung genommen hätten. Das Amt des Rektors als Vertreter der Professorenschaft sollte gar abgeschafft werden, wodurch das akademische Element weiter geschwächt worden wäre. Meine Prognose: Das Pendel schlägt schon wieder zurück , die künftige Schulleitung wird stark akademisch geprägt sein. Die Manager werden eher in beratender Funktion beigezogen. Meiner Ansicht nach könnte eigentlich klar zwischen den Rollen strategische Führung (durch Akademiker) und operative Führung (durch Manager) unterschieden werden. Trotzdem wird das unter Punkt 1 beschriebenen Problem weiter bestehen: sowohl die einzelne Hochschule als auch der übergeordnete ETH-Rat wollen strategisch führen.
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Konstante 3: Die bemängelte Mitwirkung Die Frage der Mitwirkung ist auch in der aktuellen Krise virulent geworden. Allerdings – und da enden dann die historischen Parallelen – nur auf Seiten der Professorenschaft, und nicht der Studierenden. Nach 1968 war die Mitwirkung der Studierenden das dominierende Thema. Heute verstehen wir unter der Frage der Mitwirkung, in welcher Form die Professoren der ETH bei der Wahl des Präsidenten mitbestimmen können. Wo sind die Studierenden geblieben? Konstante 4: Die permanente Reform Das Bekenntis zur „permanenten Reform“ ist zumindest seit Beginn der 70er Jahre Teil des Selbstverständnisses der ETH.(4) Nach dem Scheitern des ETH-Gesetzes 1969 sollte eine Reformkommission, in der alle Stände eingebunden waren, Lösungen für die strukturellen Fragen ausarbeiten. (5) Die Arbeit zog sich über Jahre hin. Mit dem ETH-Gesetz von 1993 wurde dann dieser Reformprozess abgeschlossen – jedenfalls vorübergehend. Doch die ETH kam damit nicht zur Ruhe. Ich denke, dass wir es hier mit einer weiteren Konstante zu tun haben, die direkt mit dem Wesen einer technischen Hochschule zusammenhängt. Wie andere Einrichtungen steht sie unter dem Druck, interne Abläufe und den Ressourceneinsatz ständig zu optimieren. Doch an der ETH kommt noch ein Aspekt hinzu: Viele Professorinnen und Professoren haben während ihres Studiums oder ihrer beruflichen Tätigkeit andere, zum Teil renommierte Hochschulen kennen gelernt. Sie haben aufgrund dieser Erfahrungen hohe Ansprüche an das System und wissen, was an der ETH verbessert werden könnte. Entsprechend wird auch der Ruf nach neuen Reformen nicht abnehmen.
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Fussnoten:
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