ETH Life - wissen was laeuft

Die tägliche Web-Zeitung der ETH Zürich - in English

ETH Life - wissen was laeuft ETH Life - wissen was laeuft
ETH Life - wissen was laeuft
Home

ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Tagesberichte
Print-Version Drucken
Publiziert: 28.08.2001 06:00

Innovative Publikationsformen wären wünschenswert
Kampf der Preisspirale!

Die Verwirklichung einer Public Library of Science (PLS) hätte kurzfristig keinen Einfluss auf die ETH-Bibliothek. Alice Keller, Leiterin Bestandesentwicklung, erläutert ETH Life, wieso sie die Initiative trotzdem freut.

Mit Alice Keller sprach Christoph Meier

Was halten Sie aus "Bibliotheksperspektive" von der Idee einer Public Library of Science?

Die Zeitschriftenkrise, das heisst die Probleme der jährlich steigenden Zeitschriftenpreise und der exponentiell wachsenden Informationsflut, wurden lange Zeit lediglich als Problem der Bibliotheken dargestellt. Wir freuen uns, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler jetzt selber aktiv werden und die Bibliotheken beim Kampf gegen diese Preisspirale unterstützen!

Sie äusserten sich eher skeptisch zur Umsetzung des Boykotts. Geben Sie ihm aber trotzdem eine Chance?

Ich selber kenne die grossen kommerziellen Zeitschriftenverlage als äusserst schwierige Verhandlungspartner, die nur sehr selten zu Kompromissen bereit sind. Falls die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihren Boykott tatsächlich umsetzen, wird sich zeigen müssen, wer den längeren Atem hat: die Verlage, die weniger Manuskripte erhalten, oder die Forschenden, die keine Möglichkeit haben, ihre Forschungsresultate in renommierten Zeitschriften zu publizieren.

Anerkennung und Auszeichnung von Wissenschaftlern beruhen gegenwärtig stark auf dem Publikationsnachweis in Zeitschriften. Die ETH Zürich bildet hier keine Ausnahme, sondern setzt vermehrt Instrumente wie Science Citation Index oder Journal Citation Report (Impact Factor) zur Bewertung von Wissenschaftlern ein. Dieses Wertesystem führt zu einem unnötigen Anstieg der Informationsflut und wirkt als Hemmnis für den Fortschritt innovativer Publikationsformen. Aus Sicht der Bibliothek wäre es sehr wünschenswert, dass sich neue Bewertungssysteme etablieren würden, die nicht primär auf der Publikation in Zeitschriften basieren.

Übrigens gibt es bereits heute eine Vielzahl von kostenlosen Zeitschriften im Internet - zum Teil sind es qualitativ hochstehende Zeitschriften mit Peer-Review (z.B. British Medical Journal, Conservation Ecology, Journal of High Energy Physics). Es ist nicht so, dass Wissenschaftler nicht bereits heute Möglichkeiten hätten, in frei zugänglichen Zeitschriften zu publizieren. Allerdings ziehen es viele Autoren vor, in einer teuren und renommierten Zeitschrift zu veröffentlichen, als in einer kostenlosen Internet-Zeitschrift.


weitermehr

plos, keller
Stellungsnahme in 10vor10 zur Public Library of Science von der Leiterin Bestandesentwicklung in der ETH-Bibliothek, Alice Keller. gross

Können Sie einen Grund nennen, wieso die Kosten bei den Zeitschriften sich so erhöht haben? Denn gemäss Nicholas Cozzarelli von den Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America ist das Geschäft sehr lukrativ.

Das wissenschaftliche Zeitschriftengeschäft war bis zum Jahr 1945 ein ziemlich unprofitabler Sektor, den man gerne den Fachgesellschaften überliess. Mit dem schnellen Wachstum von Wissenschaft, Industrie und Technik nach dem Zweiten Weltkrieg wurde dieses Geschäft allerdings zunehmend wirtschaftlich interessant. Als Folge dieser veränderten Rahmenbedingungen begannen kommerzielle Verlage vermehrt neue Zeitschriften zu gründen bzw. Gesellschaftszeitschriften zu übernehmen, was zu einer zunehmenden Kommerzialisierung des Zeitschriftenmarktes führte. Heute ist das Zeitschriftengeschäft zunehmend von Grosskonzernen dominiert, die ausschliesslich nach Return-on-Invest-Gesichtspunkten agieren (etwa: Elsevier, aber auch Bertelsmann bzw. Springer).

Angenommen, eine Public Library of Science entsteht. Hätte das Konsequenzen für die ETH-Bibliothek?

Kurzfristig hätte das keine Folgen für uns. Wir sind daran interessiert, den Zugriff auf Wissen langfristig zu sichern und führen zu diesem Zweck weiterhin Printausgaben von Zeitschriften. Sobald sichergestellt ist, dass die elektronischen Versionen von Zeitschriften über lange Zeit verfügbar und lesbar bleiben, werden wir unsere Sammelpolitik neu evaluieren.

Nicht klar ist, welchen Einfluss die Initiative Public Library of Science auf die Zeitschriftenpreise haben könnte. Wenn die Zahl der Subskribenten weiter sinkt - da das Wissen vielleicht nach einigen Monaten sowie kostenlos im Internet greifbar ist - dürften die Abonnementspreise in der Folge noch weiter in die Höhe schnellen. Die ETH-Bibliothek gibt bereits heute sechs Millionen Franken aus; wir sind aus finanzieller Sicht nicht in der Lage, weitere Preissteigerungen aufzufangen.

Einen allgemeinen Artikel in ETH Life zur PLS finden Sie hier


Literaturhinweise:
Public Library of Science Homepage: www.publiclibraryofscience.org/
Artikel in Scientific American: www.scientificamerican.com/explorations/2001/042301publish/
Debatte in Science dazu: www.sciencemag.org/feature/data/hottopics/plsdebate.shtml
Debatte in Nature dazu: www.nature.com/nature/debates/e-access/index.html
10vor10 Beitrag zum Thema: http://real1.xobix.ch/ramgen/sfdrs/10vor10/2001/10vor10_11072001.rm?start=0:13:24.780&end=0:19:19.993



Sie können zu diesem Artikel ein Feedback schreiben oder die bisherigen lesen.




!!! Dieses Dokument stammt aus dem ETH Web-Archiv und wird nicht mehr gepflegt !!!
!!! This document is stored in the ETH Web archive and is no longer maintained !!!