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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 30.04.2001 06:00

Botaniker Elias Landolt
Ein Leben für die Zürcher Flora

Er macht uns bewusst, dass die Stadt alles andere als eine Stein- und Betonwüste ist: Elias Landolt, emeritierter ETH-Professor für Botanik, hat ein Monumentalwerk über sämtliche Pflanzen in der Stadt Zürich geschrieben. Ein an Entdeckungen reicher Spaziergang durch Zürich.

Von Bettina Spoerri

Den Ort für einen kleinen Spaziergang und ein Gespräch mit ETH-Life konnte Elias Landolt selbst wählen. Der emeritierte Botanikprofessor entschied sich für den Platzspitz hinter dem Landesmuseum. Der zentral gelegene Park sei botanisch sehr interessant, weil er einer der wärmsten und mildesten Plätze Zürichs sei. Zudem ständen hier, in einer der ältesten Anlagen der Stadt, bis zu 200 Jahren alte Platanen. Hinter dem Platzspitz fliessen die Sihl und die Limmat zusammen, die eine ausgleichende Wirkung auf die klimatischen Bedingungen haben. Elias Landolt weiss wie kein anderer über die Stadt-Flora Bescheid. In seinem neuesten, über 3,5 Kilo schweren Opus (1) hat er eine riesige Menge an systematisch geordneten Informationen über das Vorkommen der Pflanzen auf dem Gebiet der Stadt in Vergangenheit und Gegenwart sowie über ihre Verbreitung und Standorte zusammengetragen.

Zürich: einst ein grosser Sumpf

Zürich, erklärt Elias Landolt, sei aufgrund der vielen naturnahen Gebiete reich an Pflanzenarten. Vor allem das Glatttal war bis ins 19. Jahrhundert hinein ein grosses Sumpfgebiet, ebenso das Zürichseetal bis Dietikon. Eine weitere artenreiche Gegend sei der Üetliberg-Wald.

Platane
Einer der mildesten Plätze Zürichs und darum botanisch sehr interessant: der Platzspitz. gross

Von unzähligen Spaziergängen kennt der Botaniker jeden Winkel der Stadt. Zum Platzspitz habe die Sihl viele Pflanzenarten aus dem Kanton Schwyz gebracht. Die meisten hier wachsenden Pflanzen sind - wie in der ganzen Stadt - nicht einheimische, sondern während der letzten Jahrzehnte eingewanderte Arten.

Brombeere aus Armenien

Hier gibt es viele Exoten-Sträucher, die sich aus den umliegenden Gärten ausgebreitet haben. Die Flüsse, aber auch die Bahn transportieren viele Pflanzenarten an neue Orte. Die armenische Brombeere, die am Sihlufer beim Platzspitz zu finden ist, ist hierfür ein gutes Beispiel.

Ganz eindeutig, sagt der Botaniker, seien die Umweltverschmutzung und andere Folgen menschlichen Verhaltens an der Flora ablesbar. Um diese Dynamik aufzeigen zu können, habe er seine umfassende Dokumentation geschaffen.

Kopfsteinpflaster
Unkraut wird heute wieder eher toleriert: Zürcher Kopfsteinpflaster. gross


Spezialist für die Flora der Schweiz

Elias Landolt wurde 1926 in Zürich geboren, nach dem Studium der Naturwissenschaften an der ETH machte er 1950 bis 1953 sein Doktorat am Institut für spezielle Botanik (bei Prof. E. Gäumann und W. Koch) über die Artengruppe des Ranunculus montanus (Berg-Hahnenfuss). Von 1953 bis 55 absolvierte Landolt einen Forschungsaufenthalt am Carnegie Lab. in Stanford und am Cal. Tech. in Pasadena, California, ab 1955 war er Lehrbeauftragter an der ETH. Seine Habilitationsschrift verfasste er über "Physiologische und ökologische Untersuchungen an Lemnaceae (Wasserlinsen)", 1964 wurde er Professor für Systematische Botanik, 1967 ordentlicher Professor für Geobotanik. Seit 1993 Professor ist Elias Landolt im Ruhestand.

Buchpublikationen: - Unsere Alpenflora (1960, vollständige Neubearbeitung 1984, 6 Auflagen)

- Geschützte Pflanzen der Schweiz (1970, 4 Auflagen)

- Flora der Schweiz (gemeinsam mit H. E. Hess und R. Hirzel) (3 Bände, 2 Auflagen. 1967-1972)

- Bestimmungsschlüssel zur Flora der Schweiz (gemeinsam mit H. E. Hess und R. Hirzel, 1976, 4 Auflagen)

- Zeigerwerte zur Schweizer Flora (1977)

- Flora der Stadt Zürich (2001)




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Elias Landolt
Keiner weiss besser Bescheid über Zürichs Flora: der emeritierte ETH-Professor Elias Landolt. gross

Drogentreff vertrieb Pflanzenarten

Notizen in alten Herbarien und Literaturaufzeichnungen habe er seinen eigenen neuen Forschungen gegenübergestellt, mit folgender Bilanz: Ein Fünftel der ursprünglichen Pflanzen ist seit 160 Jahren ausgestorben, doch dafür kamen ungefähr ein Drittel neue Arten hinzu. Die heutigen Pflanzen brauchen mehr Wärme und - mehr Stickstoff. Sie sind allgemein kälteempfindlicher und auf ausgeglichenere Temperaturen angewiesen.

In der Stadt, wo es aufgrund der Umweltverschmutzung im Winter milder und im Sommer relativ heiss ist und sich die Sonne meist hinter einem Dunst befindet, finden sie ideale Lebensbedingungen. Auf dem Platzspitz gediehen manche Pflanzen nicht mehr, weil in dem Park, der als Drogenumschlagplatz gedient hatte, zu viele Menschen umhergingen und zu viel Abfall liegen liessen. Doch nach dem Umstechen konnten sie sich wieder erholen und siedelten sich neu an.

"In Zukunft", sagt Landolt, "werden noch mehr wärmebedürftige Pflanzen in die Stadt kommen. Sind die Populationen gross genug, können sich die Pflanzen an neue Standorte gewöhnen.

Ein Herz fürs Unkraut

In der Stadt nisten sie sich gerne in Hinterhöfen, auf Schuttablagerungsplätzen, dem Pflaster und an Mauern ein." In Landolts Kindheit durfte auf den noch nicht asphaltierten Trottoirs und Strassen kein einziges Unkraut stehen bleiben: "Das galt als unordentlich", sagt er, "doch heute ist man im Umgang mit dem sogenannten Unkraut toleranter geworden." Für ihn sei "Unkraut ein Kraut, das an einem Ort wächst, wo es nicht vorgesehen ist, zum Beispiel in Beeten", ihn aber störe Unkraut nicht.

Allerdings sei die Stadt früher auch sauberer gewesen: "Heute werfen die Leute alles weg". Als Kind wohnte der heute 75jährige Botaniker in der Nähe des Kongresshauses, wo noch Einfamilienhäuser mit Gärten standen. Schon damals botanisierte er bei den Pfadfindern und interessierte sich für die Beziehungen zwischen den Pflanzen und der Umwelt.

Fundgrube "Chreis Cheib"

Der passionierte Spaziergänger empfiehlt Flora-Interessierten einen Spaziergang der Limmat entlang. Hier gebe es verschiedene aggressive Pflanzenarten wie den japanischen Knöterich oder den Riesenkerbel. Eine grosse Vielfalt wiesen auch die Bahnanlagen auf dem Güterbahnhof auf. Allerdings habe er, um dort herumgehen zu können, einen Kurs samt Schlussprüfung ablegen müssen, zudem sei er jetzt verpflichtet, jedes Mal ein rotes Jäckchen zu tragen. Auch interessant und weniger gefährlich seien die Orte, "die nicht unbedingt einen guten Ruf haben: Die Hinterhöfe im Kreis Cheib. Je besser und mehr ein Park nämlich gepflegt wird, desto uninteressanter wird er. Dann bleibt kein Platz mehr für unerwünschte Arten."


Stadtrundgänge mit Professor Landolt

Der städtische Naturschutz führt mit Professor Landolt öffentliche Stadtrundgänge durch. Die Daten der nächsten Rundgänge:

Di, 8. Mai, 17.30 Uhr, Treffpunkt Terrasse: Bubiköpfe in der Altstadt - raus aus den Blumentöpfen (Altstadt - Rechberg - Central)

Di, 22. Mai, 17.30 Uhr, Treffpunkt VBZ-Haltestelle Güterbahnhof (Linien 8 und 31): Weit und breit kein Baum - in den Gleisanlagen des Bahnhofs Zürich (Güterbahnhof)

Do, 7. Juni, 17.30 Uhr, Treffpunkt Tramhaltestelle Limmatplatz (Linien 4 und 13): Schön warm - wie es ihnen gefällt (Limmatufer - Wipkingen)

Mi, 20. Juni, 17.30 Uhr, Treffpunkt Eingang Platzspitz beim Landesmuesum: Riverrafting und Huckepack - Wege der Pflanzen in die Stadt (Platzspitz - Lettenareal)

Details erfahren Sie bei Stefan Hose, stefan.hose@gla.stzh.ch




Literaturhinweise:
Elias Landolt hat für die soeben erschienene Ausgabe des Uni/ETH-Magazins einen Text zum Thema "Stadt als Lebensraum" verfasst (http://www.cc.ethz.ch/bulletin/2001/eth_bulletin_181.pdf). Mehr zu diesem Heft auch in der heutigen "ETH Life"-News.

Fussnoten:
(1) Elias Landolt: Flora der Stadt Zürich. Mit Zeichnungen von Rosmarie Hirzel. Birkhäuser-Verlag, Basel, Boston, Berlin 2001; 1421 Seiten.



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