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Rubrik: Campus Life |
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ETH-Tag: 600 Gäste, ein Ständiger Ehrengast, vier Ehrendoktorate Selbsterkundung und Aufbruch |
600 Gäste aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft verfolgten anlässlich des traditionellen ETH-Tags am vergangenen Samstag im Hauptgebäude die Ernennung von vier neuen Ehrendoktoren, eines Ständigen Ehrengastes und die Verleihung der ETH-Medaille an 25 Verfasserinnen und Verfasser von hervorragenden Diplomarbeiten. Der Tag stand im Zeichen des Projekts "Science City" und des Jahresthemas "Wissenschaft kontrovers". Von Norbert Staub Die Liste der Honoratioren, die Rektor Konrad Osterwalder zur Feier des 148. Geburtstags der ETH begrüssen konnte, nahm sich gewohnt eindrücklich aus. Den ETH-Tag verfolgten unter anderen Charles Kleiber, Staatssekretär für Wissenschaft und Forschung, ETH-Ratspräsident Francis Waldvogel und sein Nachfolger Alexander Zehnder, SNF-Präsidentin Heidi Diggelmann, die Rektoren und deren Vertreter sämtlicher Schweizer Hochschulen und der Universitäten Karlsruhe und Stuttgart, die Zürcher Regierungsräte Regine Aeppli und Christian Huber, der Chef Heer Divisionär Luc Fellay und Roelof Smit, Botschafter der Niederlande in der Schweiz.
Weichenstellungen Konrad Osterwalder nannte drei Schwerpunkte, in welchen die Schulleitung in jüngster Zeit Weichenstellungen vorgenommen habe: bei der besseren Integration der Geistes- und Sozialwissenschaften in die Lehre, beim Plan, auf dem Hönggerberg innert zehn Jahren eine eigentliche Wissenschaftsstadt, eine "Science City", entstehen zu lassen, und bei der "Bologna"-Reform. Diese hat die ETH heute in fast allen Studiengängen durchgeführt, berichtete Osterwalder, einer der Motoren für Bachelor/Master in der Schweiz. Zur Zeit diskutiere die Schweizerische Universitätskonferenz, wie autonom eine Hochschule die Zulassungsbedingungen zur Masterstufe festlegen könne. Für Osterwalder ist diese Kompetenz "ausschlaggebend für die Sicherung eines hohen Standards auf der Masterstufe". Ebenso entscheidend für einen Erfolg von "Bologna" in der Schweiz sei, den Unterschied zwischen Fach- und universitären Hochschulen nicht zu verwischen. Genau darauf laufe die Entwicklung in Deutschland derzeit hinaus: die Kultusminister haben im Oktober im Hinblick auf eine Umstellung deutscher Hochschulen auf Bachelor/Master bestimmt, dass auf Bachelorstufe keine Profilierung mit dem Ziel Fachhochschule, respektive mit dem Ziel Universität erfolgen darf. "Vor einer Entwicklung in diese Richtung sollten wir uns hüten", mahnte der ETH-Rektor. Fehlen einer öffentlichen Diskussionskultur Michael Hagner, seit kurzem ETH-Professor für Wissenschaftsforschung, stellte seine Festansprache unter den Titel "Vom Nutzen und Nachteil der Kontroverse für die Wissenschaften" und nahm damit Bezug auf Nietzsches berühmte Streitschrift gegen das Gelehrtenwesen seiner Zeit(1). Ausgehend von dessen Forderung, dass Wissenschaft dem Leben zu dienen habe, spannte Hagner den Bogen zur aktuell laufenden "Selbstbefragung" der Forschung auf dem Hochschulplatz Zürich im Rahmen der Reihe "Wissenschaft kontrovers". Mit Blick auf das Zusammenspiel Wissenschaft-Gesellschaft ("eine Art Hassliebe") beklagte Hagner das weitgehende Fehlen einer öffentlichen Diskussionskultur bei den Naturwissenschaften selbst. Ihre zum Teil heftigen Auseinandersetzungen - etwa in der Gentechnologie, der Anwendung von Stammzellen oder der kognitiven Neurowissenschften - würden sie nach wie vor oft hinter verschlossenen Türen führen. Erst wenn Naturwissenschaftler, so Hagner, "nicht mehr den fälschlichen Eindruck erwecken, als würden sie in zentralen Fragen in geschlossener Front sprechen, werden die Hoffnungen, die sich an ein breiteres Verständnis der und für die Naturwissenschaften knüpfen, auch Früchte tragen." Ausbruch aus reinem Disziplinen-Denken Michael Hagner plädierte überdies dafür, das reine, aus dem 19. Jahrhundert stammende Disziplinen-Denken mit "explorativen" Lehr- und Forschungsstrukturen zu ergänzen, um der wissenschaftlichen Wirklichkeit besser Rechnung zu tragen.
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Gerade die Geisteswissenschaften spielen bei diesem Trend zur Formung interdisziplinärer Forschungsfelder auch künftig ihre unverzichtbare Rolle, sagte Hagner - einem gegenwärtigen Hang zur unreflektierten Geringschätzung der Phil-I-Fächer zum Trotz. Spitze sein - und bleiben ETH-Jusprofessor Gérard Hertig, Präsident der Dozierenden-Konferenz, stellte Überlegungen zur Wettbewerbsfähigkeit der ETH an und erklärte, dass der Anspruch einer weltweiten Anziehungskraft voraussetze, dass die ETH zu den Top Ten Europas gehört. Finanziell seien mit dem Zahlungsrahmen von 7,83 Milliarden Franken (+865 Mio) für den ETH-Bereich für die Periode 2004 bis 2007 gute Bedingungen gegeben. Bei der "ETH-Governance" sei auch unter dem ab 1.1.2004 geltenden neuen ETH-Gesetz sichergestellt, dass die Professorenschaft bei der Wahl des Rektors ein wichtiges Wort mitredet - ein entscheidender Faktor, so Hertig, für die Identifizierung der Professoren mit der ETH und für ihn ein Element für die Konkurrenzfähigkeit der Hochschule. Beim Spielraum des ETH-Präsidenten für die Rekrutierung von internationalen Spitzenleuten habe die ETH "leider an Wettbewerbsfähigkeit verloren", was für jene, die sich für die Anstellung von solchen Top-Forschern engagieren, "demotivierend" wirke.
Bissig-freundliche Grüsse von der Uni Seine bereits traditionelle Mischung von Freundschaftlichkeit und Bissigkeit servierte Uni-Rektor Hans Weder zum Mittagessen. Dieses Jahr nahm Weder neben dem ETH-Projekt Basel und dem ETH-Rat den neuen einheitlichen Doktortitel (Dr. sc. ETH) aufs Korn. Es scheine, dass die ETH sich jetzt darauf verlege, Trends nachzurennen statt sie zu setzen. Im übrigen könne man sich an der Uni keinen Reim auf diese Abkürzung machen, welche von der ETH als "Doktor der Wissenschaften" verkauft werde. So billig also, nämlich mit einem einzigen Doktortitel, könne man an der ETH gleich alle Wissenschaften abdecken. An der Uni hingegen sei es schon genug schwierig, seinen Doktor in einer Wissenschaft zu machen.
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