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Rubrik: Campus Life
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Publiziert: 12.06.2002 02:00

Illegale Hausbesetzung an der Vogelsangstrasse nach einem Monat friedlich beendet
Besetztes ETH-Haus geräumt

Nach einem Monat wurde in der Nacht auf Montag die illegale Besetzung des ETH-Hauses an der Vogelsangstrasse 11 friedlich beendet. Die den "Dadaisten" nahestehenden Besetzer zogen anscheinend an die Uni.

Von Jakob Lindenmeyer

Am 14. Mai 2002 - drei Tage nach der Besetzung - titelte "ETH Life": "Illegaler Bezug wird heute beendet". (1) Doch das Jugendstilhaus der ETH an der Vogelsangstrasse11 blieb trotzdem noch vier weitere Wochen besetzt, bis es in der Nacht auf Montag dann definitiv geräumt wurde. "Die Besetzer haben sich an unsere Anweisungen gehalten und die Vogelsangstrasse 11 auf 7:00 geräumt. Dadurch wurde der bei der Stadtpolizei deponierte Strafantrag hinfällig", erklärte Sicherheitschef Beat Müller zur friedlichen "Rück-Übernahme" des Hauses. "Weniger erfreulich war die Unordnung durch herausgerissene Teppiche und der bestialische Uringestank." Über den an eine Wand gekritzelten Abschiedsspruch - "Vielen Dank ETH. Jetzt aber Platz, Wau Wau!" - konnte Müller nur rätseln.


Ein Haus für Gastdozierende

Im Januar 2001 erhielt die ETH das 1897 erbaute Jugendstilhaus an der Vogelsangstrasse 11 als Legat aus dem Nachlass von Eugen Laubacher. Dieser war als Direktor der Südamerikanischen Elektrizitätsgesellschaft in Argentinien und Peru tätig. Unter anderem startete er nach dem Zweiten Weltkrieg zusammen mit dem damaligen Rektor der ETH eine Initiative, um norwegischen Studenten in Zürich eine Unterkunft anzubieten. Mit seiner Erbschaft zugunsten der ETH kümmerte er sich nun um die Gastdozierenden. Nach den am Montagmorgen begonnen Renovationsarbeiten sollen sie ab Frühling 2003 die gestifteten Wohnungen beziehen können.



Keine Zwischennutzung

Eine gute Sache - finden auch die Besetzer. Doch vorwurfsvoll fragen sie: "Wieso hat die ETH das geerbte Haus dann überhaupt so lange leer stehen lassen? Warum wurde keine Zwischennutzung gewählt?" Insbesondere angesichts der aktuellen Wohnungsnot auch unter den Studierenden sei das Vorgehen der ETH schwer verständlich.

Wenn man das Mietrecht kenne, sehe die Situation etwas anders aus, erklärt Ulrich Fergg, Leiter der Abteilung Liegenschaftswesen der ETH. "Ein Mieter könnte eine Kündigung und somit den Baubeginn auf längere Frist hinauszögern." Darum dürfe man bei Umbauten und Renovationen Kündigungen nicht allzu knapp vor Baubeginn einplanen. Ausserdem fehlte im aktuellen Fall letztes Jahr das Geld für die Renovation, weshalb erst jetzt gebaut werde.

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Das während eines Monats besetzte ETH-Haus an der Vogelsangstrasse 11 (grau, in der Bildmitte). gross

Auch "Dadaisten" brauchen Wohnraum

Doch wer sind sie überhaupt, die 20 bis 25 jungen Leute, die während eines Monats das ETH-Haus besetzt hielten? "ETH Life" beschrieb sie als "20 obdachlose Frauen und Männer der Dada-Gruppe des ‚Cabaret Voltaire' vom Kreuzplatz". (2) Doch damit ist die 24-jährige Besetzerin Kora nicht einverstanden: "Auch wenn es gewisse personelle Überschneidungen mit dem ‚Cabaret Voltaire' gibt, möchten wir nicht allesamt als ‚Dadaisten' bezeichnet werden." Das ETH-Haus sei primär eine "Wohnbesetzung" gewesen und nicht wie das Cabaret Voltaire im Niederdorf eine "Kulturbesetzung". Die Besetzung leerstehenden Wohnraums sei ein politisches Mittel, um auf die Problematik der Wohnungsnot aufmerksam zu machen. "...und schliesslich müssen wir als Kulturschaffende ja auch irgendwo wohnen."

"Kulturschaffende", das waren im besetzten ETH-Haus primär junge Aktionskünstler, Ausstellungsmacher, Studierende und sonstige Leute in Ausbildung, darunter auch zwei ETH-Studenten. "Für die beiden ETH-Studis war die Räumung schon besonders hart, denn sie wurden dadurch von der eigenen Schule auf die Strasse geschmissen", bedauert Besetzerin Kora.


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Das ursprünglich an der Aussenwand der mittlerweile geräumten ETH-Liegenschaft befestigte "Besetzer-Transparent"; hier auf der Dachterrasse der Vogelsangstrasse 11 mit Seeblick. gross

Die ETH als Verwaltungsmonster

Doch warum braucht es zum Wohnen eine illegale Besetzung statt eines normalen Mietverhältnisses? "Wir besetzen primär aus einer Wohnnotsituation heraus", erklärt Besetzerin Kora. Vielfach sei bei leerstehenden Liegenschaften ein normales Mietverhältnis gar nicht möglich, wie beispielsweise im Fall des besetzten ETH-Hauses. "Wir haben der ETH sogar in einem Gebrauchsleihvertrag angeboten, die laufenden Nebenkosten zu übernehmen, aber die ETH ist halt ein riesiges Verwaltungsmonster mit Tausenden von Bürokraten", klagen die Besetzer.

"Ein Gebrauchsleihvertrag verpflichtet beide Seiten", erklärt Ulrich Fergg vom Liegenschaftswesen seine mündliche Absage an die Besetzer. Eine solche Verpflichtung habe die ETH in diesem Fall nicht eingehen können.

Spannteppiche rausreissen für die ETH

Wären die Besetzer denn jetzt nach der Räumung noch bereit, die während der letzten vier Wochen verursachten Kosten für Wasser, Gas und Elektrizität zu bezahlen? Der 26-jährige Besetzer Fraktal antwortet mit einer kurzen Rechnung: "Immerhin haben wir für die ETH schon einiges an Arbeitsleistung vollbracht, beispielsweise alle Spannteppiche rausgerissen. Wenn man das mit einem ortsüblichen Stundenlohn von 50 Franken abgelten würde, hätten wir schon alle Nebenkosten bezahlt und lägen sogar noch etwas im Plus."

Anständige Besetzer

Zu Beginn wollten die Besetzer das ETH-Haus auch kulturell nutzen. "Wir veranstalteten Lesungen, ein Kino, gemeinsame Abendessen auf dem Dach und wollten eine Velowerkstatt einrichten", berichtet Besetzer Fraktal. Doch dann habe die ETH mitgeteilt, die Besetzung werde nur toleriert, wenn alle Signalemente wie Transparente und sonstige "Kunst am Bau" von den Hauswänden entfernt würden und in der Öffentlichkeit nichts auf eine Besetzung hinweise.

Ulrich Fergg vom Liegenschaftswesen bestätigt dies. Fergg war erfreut zu sehen, wie kooperativ die Besetzer seine Vorgaben erfüllt hatten: "Sie waren sehr anständig. Wir hatten weder Reklamation aus der Nachbarschaft noch grössere Schäden."

Trotzdem ist die Besetzung des ETH-Hauses in der Nachbarschaft nicht ganz unbemerkt geblieben. Zwei Studentinnen aus dem Schwestern- und Studentenheim ‚Vogelsangstrasse 10' auf der gegenüberliegenden Strassenseite freuten sich über die kurze "Wiederbelebung": "Aufgrund der fröhlichen Dachfeste an warmen Abenden haben wir schon gemerkt, dass da was los ist. Aber zu laut war es nie."

Von der ETH an die Uni

Bis nächsten Frühling entstehen an der Vogelsangstrasse 11 nun also Wohnungen für Gastdozierende der ETH, ganz nach den Wünschen des Stifters Eugen Laubacher. Doch wo sind die Besetzer hingezogen? "Die meisten von uns werden wieder mal obdachlos", bedauerte Besetzer Fraktal noch vor der Räumung, doch er relativierte gleichzeitig: "Aber immerhin haben wir jetzt schönes und warmes Wetter, da können wir auch auf dem Üetliberg zelten." Zum Zelten kam es dann anscheinend doch nicht. Laut der Zürcher Besetzer-Website "Egocity.net" (4) haben die ehemaligen ETH-Besetzer bereits ein neues Zuhause besetzt: Die Liegenschaft Plattenstrasse 32 der Uni Zürich, wo sich bis Herbst 2001 das Romanische Seminar befand.


Fussnoten:
(1) ETH Life-Bericht "Illegaler Bezug wird heute beendet": www.ethlife.ethz.ch/news/show/Hausbesetzung.html
(2) ETH Life-Bericht "Dada-Gruppe in ETH-Liegenschaft": www.ethlife.ethz.ch/news/show/Hausbesetzer2.html
(3) Bildrätsel: Finden Sie im Bildoben rechts die beiden Besetzer und die ETH-Kuppel. (Grossansicht durch Draufklicken.)
(4) Zürcher Besetzer-Website "Egocity.net": www.egocity.net



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