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ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Campus Life
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Publiziert: 31.05.2006 06:00

Das Ende einer Forschungstradition
Am Puls der modernen Biologie

Knapp drei Jahrzehnte haben sich ETH-Biologen mit Herzzellen befasst. Die Pensionierung von Professor Jean-Claude Perriard in diesem Semester bedeutet das Ende dieser Forschungsrichtung an der Hochschule. Ein Rückblick auf einen Zweig der ETH-Zellbiologie, der immer versuchte am Puls der in der gesamten Wissenschaft immer wichtiger werdenden Biologie zu sein.

Christoph Meier

„Unser Herz an die Herzbiologie verloren haben wir Anfang der 80er Jahre, als die Medizinerin Monika Eppenberger-Eberhardt, die Frau meines Kollegen Professor Hans Eppenberger, zu uns ins Labor kam“, erzählt Jean-Claude Perriard. Sie begann direkt mit Herzzellen aus erwachsenen Ratten zu arbeiten. Keine Selbsverständlichkeit war damals, dass man diese Zellen auch in Kultur halten konnte. „Diese Forschung konnten wir gut unterstützen, da wir seit dem Beginn von Hans Eppenbergers Arbeit in den 60er Jahren grosse Erfahrung mit Zellkulturen von Skelettmuskelzellen gesammelt hatten“, meint der ETH-Forscher.

Perriard, der 1974 aus den USA an die ETH kam, interessierte sich damals für die molekularen Faktoren, welche die Entwicklung einer unspezialisierten Zelle hin zu einer Skelettmuskelzelle steuern. „Ende der 70er Jahre waren wir eine der ersten Gruppen an der ETH, welche für ihre Arbeit Gene klonierten.“ Das sei insofern auch speziell gewesen, da in dieser Zeit in Zürich immer noch die Ansicht von einer Forschungsaufteilung herumgeisterte, dass die ETH Proteine untersuche und die Uni die Nukleinsäuren, erzählt der Wissenschaftler.

Wie Proteinfamilien beim Herzbau mitspielen

Doch das „Grasen“ unter dem Forschungszaun hindurch sollte sich auszahlen. Perriard fand beispielsweise heraus, dass die Gene von verschiedenen Formen des Enzyms Kreatinkinase unterschiedlich stark abgelesen werden. Zudem zeigte sich, dass die Varianten des Enzyms, das im Energiestoffwechsel der Muskelzellen zentral ist, sich verschieden gut in unterschiedliche Zellen einbauen liessen.

In den 80er Jahren konnten Eppenberger und Perriard einen weiteren Erfolg verbuchen. Sie stellten Antikörper her, die spezifisch verschiedene Oberflächenstrukturen eines Proteins des M-Bandes binden. Das M-Band ist die Zone im Muskel, in der sich die kontraktilen Elemente, die Myofibrillen, überlappen. Dabei zeigte sich, dass es sich um ein neues Protein mit verschiedenen Formen handelt. Eppenberger taufte es Myomesin. Den neuen Antikörper konnten die Forscher nun einsetzen, um unter anderem die frühe Entwicklung der Herzmyofibrillen zu erfassen.

Die Methode der Konfokalmikroskopie etabliert

Die Vielfalt innerhalb von Proteinfamilien, wie sie sich bei der Kreatinkinase oder Myomesin gezeigt hatte, spielte auch bei einer weiteren Entdeckung in den 90er Jahren eine wichtige Rolle. Die ETH-Forscher demonstrierten, dass es bei den Mitgliedern der Familie der leichten Myosinkette , ein weiteres Myofibrillenprotein, eine Affinitätshierarchie gibt. Die leichte Myosinkette MLC3f bindet also besser in der M-Bande als MLC3nm. Um zu diesen Ergebnissen zu gelangen, führten die Forscher viele Transfektionen von kultivierten Herzmuskelzellen durch. Sie brachten also Fremd-DNA von leichten Ketten des Myosins, das speziell mit viralen Strukturen markiert worden war, in die Zellen ein - damals eine revolutionäre Methode.

Sie prägte die Herzzellbiologie an der ETH mit: die Forschungsgruppe von Jean-Claude Perriard (4. von links). (Bild: zVg) gross


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Das Herzstück der Herzmuskelzelle sichtbar gemacht: Die Myofibrillen erscheinen rot und die interkalierenden Scheiben grün. Der im konfokalen Mikroskop erzeugte Datensatz wurde mit Hilfe der Software Imaris® der Bitplane AG dargestellt. (Bild: Dr. Elisabeth Ehler, ehem. Zellbiologie ETH, heute Kings College, London.) gross

Doch nicht nur Transfektionen mussten die Wissenschaftler für diese Studie beherrschen. So setzten sie auch die Konfokalmikroskopie ein.Diese ermöglicht es, aus einzelnen optischen Schnitten mit mikroskopischer Auflösung räumlich Objekte darzustellen. Für die ETH etablierte diese Technik ein Doktorand von Perriard. Dieser erachtete die Standard-Software als miserabel und erarbeitete darum in seiner Dissertation eine eigene. Der Biologe ohne Programmierungsängste gründete später einen Software-Spin-off.

Dank der Konfokalmikroskopie konnten die Zürcher Forscher auch nachweisen, dass sich die Herzmuskelzellen in Kultur anders entwickeln und eine andere Zellarchitektur aufweisen als im lebenden Organismus. In diesem werden die Myofibrillen durch einen typischen zylindrischen Mantel umfasst. Die einzelnen Zellen werden mechanisch gekoppelt mit Strukturen, interkalierte Scheiben genannt. Bevor der räumliche Aufbau der Herzmuskelzellen in vivo geklärt war, hatten Perriard und seine Mitarbeiter jedoch schon länger auf die Veränderungen von interkalierten Scheiben bei Herzmuskelkrankheiten hingewiesen.

Die interkalierten Scheiben beschäftigten die Forschungsgruppe aber noch weiter. So kam sie in einer neueren Arbeit beispielsweise zum überraschenden Befund, dass das bekannte Signalprotein beta-Catenin in zu grossen Mengen an den Scheiben zu einer Herzerkrankung führt. Dieser Effekt kann aber aufgrund der Analysen nicht über die Signalfunktion des Beta-Catenin erklärt werden.

Bedauern, aber weiterhin hohe Meinung von der ETH

„Ich habe immer versucht, methodisch und inhaltlich an der Front dabei zu sein. Die sehr guten Arbeitsbedingungen an der ETH waren dafür unerlässlich“, blickt Perriard zurück. Beim Bemühen, den Puls der Spitzenforschung zu fühlen, halfen auch die von den ETH-Wissenschaftlern organisierten internationalen Herzzellkonferenzen auf dem Monte Verità in Ascona. Die fünfte, wiederum mit dem Organisator Jean-Claude Perriard, fand diesen Frühling statt und war gemäss dem Forscher ein voller Erfolg. Ein wichtiges Thema unter anderen sei das Boom-Thema gewesen - Stammzellen im Herzen. „Hier zeigt es sich erneut, dass auch die europäische Forschung konkurrenzfähig mit der amerikanischen ist“, so Perriard.

Dass jetzt die Herzzellbiologie an der ETH keine Fortsetzung findet, bedauert Perriard. „Was mich aber beruhigt, ist, dass meine Leute die Arbeit an anderen Orten weiterführen können.“ Dass seine Forschungsrichtung aufgegeben wird, hängt für den Wissenschaftler auch damit zusammen, dass bei Professorenwahlen das Kriterium „Spitzenforscher“ mindestens so wichtig ist wie das des „Arbeitsgebiets“. Bezüglich Professorenstatus lässt Perriard noch eine Kritik an der geschätzten Hochschule durchblicken: „Es sollte in Zukunft möglich sein, Hierachien wieder flacher werden zu lassen, wie das in der Industrie schon sein längerem geschieht.“ Denn es sei seltsam, dass man früher ein Institut geleitet habe und am Schluss seiner Karriere aber für die Verwendung seiner selbst eingeworbenen Gelder die Unterschrift bei einem gewählten Kollegen holen müsse, weil man offiziell den Status eines Titularprofessors besitze.




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