ETH Life - wissen was laeuft

Die tägliche Web-Zeitung der ETH Zürich - in English

ETH Life - wissen was laeuft ETH Life - wissen was laeuft
ETH Life - wissen was laeuft
Home

ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Campus Life
Print-Version Drucken
Publiziert: 12.07.2006 06:00

ETH-Symposium zum Internet Governance Forum
Freiheit oder Kontrolle?

Wie wichtig ist der Datenschutz im Zeitalter moderner Technologien, die uns das Leben erleichtern? Wie soll das Urheberrecht revidiert werden, braucht es verstärkte Kontrolle oder unbeschränkte Freiheit? Vergangenen Freitag wurden diese Themen im Auditorium Maximum der ETH im Rahmen eines nationalen Symposiums zum Internet Governance Forum (IGF) diskutiert.

Jonas Baud

Angebot und Möglichkeiten sind im Internet fast unbegrenzt. Musik, Filme, Software und andere „Dinge“ lassen sich nutzen, wann immer man Lust dazu hat. Oft zum Leidwesen der geistigen Urheber. Die Fragen, wie und ob man das weltweite Netz noch kontrollieren kann und soll, wurden im Symposium zum IGF in mehreren Vorträgen und kurzen Podiumsgesprächen besprochen.

Die Welt vernetzen

Der erste Schwerpunkt der Tagung befasste sich damit, wie Datenschutz, Privatsphäre und Sicherheit bei neuen Technologien wie RFID (Radio Frequency Identification) garantiert werden können und was von wem reguliert werden soll. Die Themen wurden in zwei Vorträgen von Elgar Fleisch, Professor für Informations-Management an der Universität St. Gallen und der ETH sowie Bruno Baeriswyl, dem Datenschutzbeauftragten des Kantons Zürich, beleuchtet.

Fleisch stellte seine Vision des „Internet der Dinge“ vor. Mittels neuer Technologien und mittels RFID-Chips könne man physische Gegenstände automatisch mit dem Internet verbinden. „Jedes Ding hat dann quasi seine eigene Homepage“ so Fleisch. Somit könne die ganze Welt vernetzt werden. Das sei ein nächster grosser Entwicklungsschritt, auch für die Wirtschaft.

Weniger euphorisch war Baeriswyl. Er plädierte für die Wahrung des persönlichen Schutzes der Privatsphäre. „Die Grundrechte sind das Fundament der liberalen Gesellschaft.“ Es brauche deshalb Mindestanforderungen beim Gebrauch der neuen Technologien: Transparenz, was mit den persönlichen Daten geschieht, gerade wenn die Wirtschaft oder die Behörden Personen- oder Konsumprofile erstellen wollen. Die Daten sollten von Behörden nur für limitierte und notwendige Zwecke verwendet werden. „Jeder Bürger hat das Recht auf informationelle Selbstbestimmung“ sagte Baeriswyl. Bei Missbrauch seien Sanktionen unerlässlich. Ein Regulator müsse die Standards setzen, bei Missbräuchen intervenieren und die Balance zwischen den wirtschaftlichen Rechten und dem Schutz der Privatsphäre sichern.

Im anschliessenden Podiumsgespräch forderte Baeriswyl eine breite gesellschaftliche Diskussion über die Gefahren und Chancen neuer Technologien. Fleisch hingegen argumentierte, man müsse die Realität von der Wunschwelt trennen. „Alle verkaufen ihre Privatheit ein Stück weit, sei es im Internet oder mit dem Mobiltelefon.“

Umstrittene Urheberrechtsreform

Beim zweiten Schwerpunkt ging es um die aktuelle Revision des Schweizer Urheberrechts und den Zugang zum Wissen im Internet. Darüber diskutierten Stefan Meierhans, Manager Governmental Affairs von Microsoft, Felix Stalder, Dozent an der Hochschule für Gestaltung und Kunst (HGKZ) und Rolf H. Weber, Professor am Zentrum für Informations- und Kommunikationsrecht der Universität Zürich.


weitermehr

Diskutierten über die Freiheit im Internet: Elgar Fleisch, Professor für Informations-Management an der Universität St. Gallen (l.), Bruno Baeriswyl, Datenschutzbeauftragter des Kantons Zürich (r). Moderation: Jakob Lindenmeyer, ETH-Weboffice (Mitte). gross

Weber stellte fest, dass das Urheberrecht in der jetzigen Form noch nicht genüge. Es sei entscheidend, ob der Nutzer sich auf die Eigengebrauchsregelung berufen könne oder nicht. Er forderte, dass das Parlament in den nächsten zwölf Monaten noch einmal über die Revision beraten müsse.

Stefan Meierhans von Microsoft forderte eine Anpassung des Urheberrechts an die Realität. Im Zeitalter des digitalen Kopierens könnten unbeschränkt viele Originale hergestellt werden. Meierhans: „Gute Ideen brauchen entsprechenden Schutz; geistige Arbeit und Forschung muss bezahlt werden.“ Er appellierte an das Fairplay der Internet-Community.

Innovation statt Verbote

Felix Stalder von der HGKZ hielt dem entgegen: „Was wir brauchen, sind nicht mehr Verbote, sondern verstärkte Innovation“. Die Kosten, die Rechte der Industrie durchsetzen zu wollen, seien hoch und der Nutzen gering. Trotz aller Anstrengungen der Musikindustrie, gegen das illegale Downloaden vorzugehen, liege der Anteil des virtuellen Datentauschs (p2p-Sharing) am gesamten Internet-Datenverkehr bei ungefähr 70 Prozent. Das Urheberrecht schaffe ausserdem Monopole, da der Zugang zu Material für freie und unabhängige Künstler massiv erschwert werde. Bei jedem Rechteinhaber vorher die Einwilligung zu holen, sei zeitaufwendig und auch teuer. Es brauche deshalb neue Finanzierungsmodelle für geistige Arbeit, da die Kontrolle der Originale heute nicht mehr zu gewährleisten sei.

Bereits in der Eröffnungsrede nahm Professor Bernhard Plattner vom ETH-Institut für Technische Informatik und Kommunikation ein Fazit der Tagung vorweg. Er stellte nämlich die Frage, wer denn das Internet regiere und wer die Macht habe, es sogar abzustellen. Plattner kam zum Schluss, dass keine Organisation oder Regierung dazu in der Lage sei. „Ich bin davon überzeugt, dass letztlich niemand dem Internet nachhaltig schaden kann“.


Literaturhinweise:
Vergleiche zum Thema auch den "ETH Life"-Bericht "Internet: Aufbruch Richtung UNO" vom 27.06.2006: www.ethlife.ethz.ch/articles/tages/igf.html
Videostreams der Präsentationen der Teilnehmer des IGF vom 7.72006:
www.igf-06.ch/praesentationenigf06/praesentationen.html



Sie können zu diesem Artikel ein Feedback schreiben oder die bisherigen lesen.




!!! Dieses Dokument stammt aus dem ETH Web-Archiv und wird nicht mehr gepflegt !!!
!!! This document is stored in the ETH Web archive and is no longer maintained !!!