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Rubrik: Forum
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Publiziert: 19.03.2003 06:00

Gentech-Weizen
Antwort auf Herrn Schweizer

Von Christof Sautter

Sehr geehrter Herr Kurt Schweizer

Nach den Umtrieben der letzten Wochen komme ich endlich dazu, ein paar der Leserbriefe zu beantworten. Ich bewundere Ihre Standhaftigkeit. Es ist erfrischend zu sehen, dass es Menschen gibt, die fest zu ihren Überzeugungen stehen. Aber Sie machen es sich trotz Ihres offenbar fortgeschrittenen Alters doch etwas einfach. Ich erlaube mir, Ihnen unten in Ihren Leserbrief meine Kommentare einzufügen. Kursiv ist jeweils Ihre Bemerkung angezeigt, auf die ich in fett antworte.

"Frank Rutschmann qualifiziert in seinem Beitrag die Gegner des Freisetzungsversuchs als forschungsfeindliche Fundamentalisten ab. Bei dem Versuch, geht es effektiv um Grundsätzliches (Fundamentales). Es ist nicht irgendein Versuch, sondern der erste Freisetzungsversuch überhaupt. Deshalb ist es mehr als legitim, sich damit grundsätzlich auseinanderzusetzen."

In der Schweiz haben bereits 1991 und 1992 zwei Freisetzungsversuche mit Kartoffeln stattgefunden und zwar in der Eidgenössischen Forschungsanstalt Changins. Weltweit sind hunderte von Versuchen mit GVO-Weizen gemacht worden, einige davon auch in Deutschland. Darunter sind auch Projekte die Pilzresistenz von samenbürtigen Krankheiten untersuchen wollen. Das ist sehr nahe an unserem Projekt. Durch die Verzögerung unseres Versuchs wird unser Projekt natürlich immer stärker der Gefahr ausgesetzt, dass die Konkurrenz schneller ist. Durch die Vorabinformationen über unser Projekt ist ja auch alle Welt darauf aufmerksam geworden, was wir machen.

"Der Versuch wird als praktisch risikofrei bezeichnet. Nun hat das BUWAL in seiner ersten Einschätzung dieses Risiko als hoch genug eingeschätzt, um den Versuch abzulehnen." Diese Entscheidung des BUWAL war sachlich und juristisch nicht begründet, wie das UVEK festgestellt hat.

"Man findet genügend Hinweise darauf, dass es möglich ist, dass Auskreuzungen stattfinden." Weil immer wieder Mais und Weizen und Raps alles in einen Topf geworfen wird. Experimentell gezeigt sind Auskreuzungen mit Weizen auf maximal 60 Meter, aber nur unter der Voraussetzung, dass männlich steriler Weizen als Empfängerpflanze verwendet wurde. In Amerika (USA) ist ein Abstand von 30 Metern zum nächsten Weizenfeld für die Sicherheit bei der Auskreuzung von GVO-Weizen ausreichend. Wir haben 60m Abstand zum nächsten Weizenfeld.

"Die Stoffzelte die dagegen aufgestellt werden sollen, bläst der erste richtige Sturm mitsamt den darin befindlichen Pollen weg." Diese Zelte sind nicht gegen die Auskreuzung aufgestellt. Dazu sind sie nicht notwendig, weil Weizen ein Selbstbestäuber ist. Weltweit werden solche Zelte für die Biosicherheit nirgends verlangt. Wir haben diese Zelte angeboten als ein Entgegenkommen für die zum Teil verständlichen Ängste der Bevölkerung. Selbst wenn die Zelte zerstört würden, wäre lediglich der Pollenflug, nicht aber das Auskreuzungsrisiko erhöht. Ein Prototyp der Zelte ist von uns eigens im Windkanal der Flugzeugwerke in Emmen geprüft worden. Dabei haben sich die Zelte bis zu 120 Stundenkilometern Windgeschwindigkeit am Boden als resistent erwiesen. Es müsste also ein wesentlich stärkerer Sturm sein als dies Lothar war. Übrigens auch während Lothar wurden in (10 Metern) Höhe in Eschikon nicht mehr als 30 Stundenkilometer Windgeschwindigkeit gemessen.

"Ich kann das vermutlich einiges besser einschätzen, als die Forscher der ETH, da ich schon seit über 30 Jahren in der Gemeinde Lindau lebe. Dies ist übrigens länger, als die Aussenstation der ETH existiert."

"Was das Verschwinden der Hochstämmer und den Einsatz der Herbizide anbelangt, möchte ich darauf hinweisen, dass diese Ideen nicht von den Bauern ausgeheckt worden sind, sondern von der Agrarforschung. Die gleichen Forscher" "wollen uns jetzt schon wieder mit neuen Ideen beglücken, was wir, zumindest im derzeitigen Stadium der Forschung dankend ablehnen." Wir wollen niemand zu irgendetwas bereden. Wir wollen nur das Wissen beschaffen, das die Gesellschaft - einschliesslich der Bauern - braucht, um diese Technik beurteilen zu können. Das ist unser Auftrag. Dazu müssen wir experimentieren, weil man das noch nicht in den Büchern findet, wie Sie ganz richtig erkannt haben (...im derzeitigen Stadium der Forschung…). Selbst wenn die Schweiz eines Tages beschliessen sollte, dass sie für immer ganz frei von gentechnisch veränderten Pflanzen bleiben will, braucht man dieses Wissen, um den Warenfluss und die Biosicherheit der Bevölkerung zu überwachen. Die Amerikaner oder die Chinesen werden sich nicht aufhalten lassen.

"Damit behindern wir nicht die Forschung, sondern verhindern das Herumexperimentieren an unserem Lebensraum." Wir haben das weltweit sicherste Experiment mit gentechnisch verändertem Weizen beantragt. Von Herumexperimentieren an unserem Lebensraum kann unter diesen Umständen keine Rede sein. Das von Ihnen so geschätzte BUWAL hat übrigens einer Verunreinigung von 0,5 % mit gentechnisch veränderten Pflanzen in importiertem Saatgut zugestimmt. Das könnten gegenwärtig um die 100'000 heftig auskreuzende Mais- oder Rapspflanzen sein, die irgendwo in der Schweiz stehen. Wir verlangen ja gar nicht, dass unser Experiment um jeden Preis bewilligt wird, aber dass es speditiv, sachkundig und nach den bestehenden Gesetzen beurteilt wird. Und seit letzten Mittwoch müssen wir zusätzlich verlangen, dass die Behörden Verordnungen erlassen, die juristisch einwandfrei sind.

"Solange in Labors mit der nötigen Sorgfalt geforscht wird, hat kaum jemand etwas dagegen." Leider kann man in Labors die Wechselwirkung der Pflanzen mit der Umwelt fast gar nicht untersuchen, also genau das, worüber man nach Ansicht Ihrer Gesinnungsgenossen mehr wissen möchte.

"Ich finde es übrigens erstaunlich, wie wenig Kritik aus den Reihen der Studierenden kommt. Als ich an der ETH studierte, gab es ein Plakat des VSETH mit der Aufschrift "Denken, nicht nur studieren", das sollte man vielleicht wieder einmal aufhängen." Denken ist schon recht und ich kann nur dazu raten, aber man muss es halt auch mit den richtigen Fakten tun. Und gerade mit den Fakten machen Sie es sich zu einfach, sehr geehrter Herr Schweizer.

Freundliche Grüsse von Christof Sautter





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