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Publiziert: 07.10.2005 06:00

Umstrittene Nobelpreise
Umstrittene Nobelpreise

Von Hans Christian Lehmann, ETH-Student

Immer wieder wird in der Presse und in der Literatur undifferenzierte Vorwürfe gegen Fritz Haber laut, anstatt auf der Grundlage der Fakten zu diskutieren und eine historisch-kritische Interpretation zu führen. Vor allem Lehrer der 68er Generation tun sich dabei immer wieder hervor.

Aus der Sicht des historischen interessierten (deutschen) Chemikers stellt sich das aber so dar: Herr Haber hat die großtechnische Amoniaksynthese ermöglicht, und dadurch die von Salpetersäure; dies sind die beiden Chemikalien, außer Schwefelsäure, von denen auch heute noch am meisten hergestellt wird.

Das hatte auf die Gesellschaft folgende Auswirkungen: Da Stickstoff ein für das Leben essentielles Element ist, konnte man so die großtechnische Düngerproduktion starten. Als Folge davon konnten immer weniger Bauern immmer mehr Menschen ernähren, während bis zu diesem Zeitpunkt der größte Teil der Menschheit als selbstversorgende Bauern lebte. Das führte dann im Krieg dazu, daß man mehr Männer an die Front schicken konnte, ohne daß die Lebensmittelversorgung zusammenbrach. Die seit der Jungsteinzeit agrarische Gesellschaft konnte so erst zur Industriegesellschft werden, obwohl die sogenannte industrielle Revolution schon über 100 Jahre alt war.

Daß dadurch die Sprengstoffherstellung möglich wurde, ist sicher nicht Haber zuzuschreiben, sondern den Naturgesetzen. Zwar wurde es dem deutschen Reich dadurch ermöglicht, sich vom Chilesalpeter unabhängig zu machen, wodurch der Krieg erst möglich wurde, da sonst die Alliierten das Reich davon abgeschnitten hätten. Haber hatte vielleicht die Abhängigkeit vom Chilesalpeter im Kopf, sicher aber nicht für die Sprengstoffherstellung. Das ist auch heute noch ein Ziel der chemischen Forschung, sich von irgendwelchen, u. U. schwer zu beschaffenden, Ressourcen unbhängig zu machen. Stickstoff ist dagegen kostenlos aus der Luft erhältlich.

Das er zwar wissenschaftlicher Berater der OHL (oberste Heeresleitung unter den Generälen Luddendorf und Hindenburg) war, ist zwar bedauerlich, ist aber aus der damaligen Sicht verständlich. In den USA z.B finanziert das Penatgon eine große Menge an Forschungsprojekten und unterhält Forschungszentren. Zu allen Zeiten hat es immer während der Kriege auch große technisch-wissentschaftliche Entdeckungen gegeben.

Dass man eine der wichtigsten Kohlenstoff-Quellen der Industrie, das Phosgen, für den Kampfeinsatz eingesetzt hat, ist zwar grausig, aber schon damals hat die Industrie mit Tierversuchen herausgefunden, daß es ziemlich giftig ist (worauf seine sehr nützliche Reaktivität beruht). Dass er oder andere Wissenschaftler gezielt Kampftsoffe hergestellt haben, ist zu Zeiten des ersten Weltkrieges nicht zweifelsfrei bewiesen, das kam erst später im zweiten, als er schon tot war. Das die Deutschen als erstes Chemie einsetzten, ist auch verständlich, schließlich ist es das Mutterland der industriellen Chemie und bis zum zweiten Weltkrieg auch das führende Land in der wissenschaftlichen Chemie, sowie deutsch die lingua franca. Heute ist es immer noch - wenn auch nur teilweise - die letzte Disziplin (außer dem Bierbrauen) in dem die Deutschen weltweit führen sind. (Trotz Nobelpreis an einen deutschen Physiker, der aber viel in den USA geforscht hat).

Ein anderer Leiblingsfeind der Linken 68er ist Adolf Butenandt, der nach dem Krieg als jahrezehntelanger Präsident der Max-Planck-Gesellschaft die Weltgeltung der deutschen Chemie fast wieder hergestellt hat. (Endgültig zerstört haben ihn die ideologisierten Wissenschaftsfeinde nach 68). Tatsache ist aber, daß Hitler ihn zwei Jahre daran gehindert hat, den Preis des Jahres 1939 entgegenzunehmen, während sein Co-Preisträger, der ETH-Professor Ruzicka, im gleichen Jahr ungestört über Deutschland nach Stockholm reisen konnte. (Nach Ausbruch des Krieges!) Viele deutsche Wissenschaftler haben es in den 30ern und auch im ersten Weltkrieg als ihre patriotische Pflicht gesehen, in Deutschland zu bleiben. Noch etwas: Der Preis an Haber wurde 1918 verliehen, als man vieles über ihn vielleicht nicht wußte...





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