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Publiziert: 22.08.2005 06:00

Aug' in Auge mit dem Bären
Der Bär: beliebt und gejagt

Von Kurt Signer, Abteilung Betrieb

Ursus arctos: So bezeichnet man den gemeinen Braunbären oder europäischen Zottelbären in der Fachsprache. Zu ihm haben die Schweizer eine ganz besondere Beziehung. In Bern wird er in einem grabenartigen Gehege gehalten und liebevoll als „Mutz“ bezeichnet. Im Tierpark bei Arth-Goldau sind die Braunen die Lieblinge von Jung und Alt. Man sagt sogar, dass der Teddy-Bär nach dem Auslandsschweizer Herbert Huber benannt worden ist, der als Präsident Ted Hoover 1929-33 die Vereinigten Staaten von Amerika leitete.

Das war nicht immer so. In den vergangenen Jahrhunderten wurde der Braunbär in der Schweiz erbarmungslos ausgerottet. Als vorwiegender Pflanzenfresser wird er nämlich zum reissenden und gefährlichen Raubtier, wenn ihm die grüne Nahrung fehlt. So setzte man Kopfprämien für den Abschuss des Bären aus. 1850 fand man nur noch im Val Müstair Bären und der letzte Bär wurde 1904 im Val S-charl von den beiden Jägern Jon Sarott Bischoff und Padruot Fried abgeschossen.

In der neuesten Zeit beginnt man den Bären wieder zu schätzen. Er wurde seit 1962 in der Schweiz unter Schutz gestellt. In der Hoffnung, dass man den lustigen Zoobewohner bald wieder in freier Wildbahn wird ansiedeln und damit wieder historische Verhältnisse herstellen können. Vielleicht hoffte man auch, das Tier wieder zu jagen und die schmackhaften Bärenfleischspezialitäten auf unserer Speisekarte wieder zu finden. Und tatsächlich, es hat sich wieder ein Bär im Münstertal gezeigt. Seither pilgern unzählige Neugierige in die Gegend, verbringen dort ihre Ferien, campieren in Zelten und Wohnwagen oder logieren in den Hotels. Tagelang streifen sie, mit Ferngläsern bewaffnet, durch die Gegend und hoffen, ein Stückchen des Bären zu Gesicht zu bekommen. Neben der von der einheimischen Tourismusindustrie sicher sehr geschätzten Belebung des Sommergeschäftes wird die Natur und ihre anderen Bewohner durch diesen Bärentourismus empfindlich gestört. Auch nehmen die Warnungen an die Schweizer Bärenfans wieder zu, bei einer direkten Begegnung mit dem Tier ihre Bärenliebe nicht zu sehr auszuleben und etwa zu versuchen, das Tier zu streicheln. Der letzte Schweizer Bärenverliebte, der im Zoo in das Gehege der Mutzen stieg, um sich mit ihnen zärtlich zu unterhalten, hat das mit dem Leben bezahlt.

Am 30. Juli 2005 geschah es nun, dass der Bär im Münstertal ein Kalb gerissen hat. Sofort wurde die Forderung laut, das bisher so geschätzte Tier abzuschiessen. Es handle sich sowieso um einen aus dem Ausland eingewanderten Sans-papiers. Die Tourismusindustrie hat natürlich Angst, ihre Einnahmequelle zu verlieren und will den Bären nicht so schnell opfern. Aber die Bauern haben Angst um ihre Tiere. Nun müsste der Bär nur noch einem der allzu Neugierigen eine kräftige Ohrfeige versetzen, und sein Schicksal wäre besiegelt. Die Bündner Jäger könnten im September auf die erträumte Bärenjagd.

Das Traurige an dieser Geschichte ist, dass der Mensch nach Lust und Laune über das Schicksal eines wilden Tieres bestimmt und es schliesslich auch ausrottet, wenn ihm das passt. Einige Jahrzehnte später packt ihn die grosse Reue und er tut alles, um diese Tiergattung wieder zu reanimieren, bis zu dem Zeitpunkt, an dem ihn das Tier wieder stört. Dann wird es wieder gnadenlos verfolgt und getötet. Wie es Gene Fowler aufgrund ähnlicher Beobachtungen schon in seinem Roman „Der weisse Mann auf Java“ gesagt hat: „Hüte Dich vor dem weissen Mann, er ist ein Tor“.





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