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Publiziert: 18.04.2005 06:00

Tragischer Todesfall
Information zum Thema Wasserwalzen (aus dem Kantonsrat)

Von Susanne Marthaler, Studentin PHZ

Gefahr bei Wasserschwellen in der Töss (KR-Nr. 119/1996)

Gabrielle Keller (SP, Turbenthal) hat am 22. April 1996 folgende Anfrage eingereicht:

Trotz Aufrufen und Aufklärungen fordern die lebensgefährlichen Wasserwalzen, die sich bei den senkrechten Schwellen in der Töss ergeben, seit Jahren Todesopfer. Auch zahllose Hunde haben das verlockende Spiel mit dem «weissen Wasser» bereits mit ihrem Leben bezahlt.

Die Unfälle zeigen immer denselben Ablauf: Ein Hund gerät, auch bei Niedrigwasser, in eine Wasserwalze und kann sich aus eigener Kraft nicht mehr befreien. Seine Besitzerin oder sein Besitzer will das Tier retten und wird dabei ebenfalls vom Wasserwirbel erfasst. Durch den Kampf mit der Wasserwalze wird der Körper entkräftet. Dies führt schliesslich zum Ertrinkungstod.

Im Auftrag der Stadtpolizei Winterthur ist ein Videofilm über die Gefahren dieser Schwellen kreiert worden.

In einer gemeinsamen Aktion haben ferner das Departement Sicherheit und Umwelt der Stadt Winterthur, das Amt für Gewässerschutz und Wasserbau (AGW) und die Stadtpolizei Winterthur 22 Warntafeln an neuralgischen Punkten entlang dem Tössflusslauf montiert.

Da jedoch selbst bestens ausgebildete Hunde bekanntlich nicht lesen können und teilweise magnetisch durch das sprudelnde Wasser angezogen werden, stellen sich folgende Fragen:

1. Grosse Strecken entlang dem Tössufer werden sporadisch radikal abgeholzt. Würde der Natur, gerade im Umfeld senkrecht verlaufender Wasserschwellen, mehr freier Lauf gelassen, würden Sträucher und Gebüsche ein natürliches Hindernis für das Tier bedeuten. Während sich ein Hund seinen Weg durch das Grünzeug suchen würde, bestünde die Möglichkeit, ihn rechtzeitig zurückzurufen und anzuleinen. Zudem würden die Pflanzengebilde ein natürliches Refugium für Kleintiere bieten. Ist der Regierungsrat bereit, ein solches Vorgehen zu realisieren?

2. Wie könnte der Kanton die Schulen dazu aufmuntern, den Schülerinnen und Schülern den eindrücklichen und informativen Videofilm der Stadtpolizei Winterthur zu zeigen?

Der Regierungsrat antwortet auf Antrag der Direktion der öffentlichen Bauten wie folgt:

Die Töss ist ein echter Wildbach. Bei starken Niederschlägen im Einzugsgebiet der Töss kann das friedliche Gewässer innert weniger Stunden zu einem reissenden Fluss werden. Nachdem im letzten Jahrhundert innert weniger Jahre mehrere Hochwasser verheerende Schäden angerichtet hatten, wurde die Töss nach einem Projekt des Kantonsingenieurs K. Wetli aus dem Jahr 1877 ausgebaut. Dabei wurde die Sohle auf grosse Strecken durch Steinmantelsperren oder Rundholzschwellen gegen die Erosion gesichert. Dort, wo zum hinterliegenden Gelände kein oder nur ein geringer Höhenunterschied bestand, wurden Hochwasserdämme errichtet. Diese Schutzbauten wurden durch Hochwasser immer wieder beschädigt oder zerstört. Die Behebung der Schäden und die Erneuerung von Schwellen und Uferschutzbauten erfolgten grundsätzlich stets nach dem ursprünglichen Projekt. In der Ausführung wurden neue Erkenntnisse des naturnahen Wasserbaus soweit möglich berücksichtigt.

Im Gegensatz zu den Steinmantelsperren, welche rampenförmig gestaltet sind und über die das Wasser mehr oder weniger schnell fliesst, besteht bei den Schwellen aus Rundhölzern ein vertikaler Wasserüberfall. Unterhalb einer solchen Schwelle schwemmt das Wasser ein Becken, einen sogenannten Kolk, aus. Die Hauptaufgabe der Schwelle besteht in der Stabilisierung der übrigen Flusssohle. Der sich durch die Schwelle bildende Kolk hat aber auch eine besondere Bedeutung für die in der Töss lebenden Bachforellen. Hier finden sie Unterstand und Schutz. Schwelle und Kolk bilden einen Ersatz für die in einem natürlich fliessenden Bach vorhandenen Stromschnellen und tiefen Gumpen. Je höher nun der Absturz ist, desto tiefer wird dieser Kolk. Die Holzschwellen können daher nicht beliebig hoch gebaut werden. Die Holzschwellen in der Töss weisen eine Absturzhöhe von etwa 20 bis 40 cm auf. Das über die Schwelle abstürzende Wasser nimmt viel Luft auf, so dass im anschliessenden tiefen Wasserbecken bedeutend weniger Auftrieb herrscht als in einem Schwimmbad. Durch den Absturz bildet sich zusätzlich eine, je nach Wasserführung unterschiedliche, sogenannte Wasserwalze, in welcher die gefährliche Rückwärtsbewegung des Wassers erfolgt. Gut erkennbar ist dieses Phänomen an den Holzstücken, die sich bei Wasserwalzen immer am gleichen Ort nahe am Absturz befinden und nicht wegtransportiert werden. Selbst gute Schwimmer haben Mühe, sich aus einer solchen Walze zu befreien.

In den letzten Jahren ist es leider zu tragischen Unfällen gekommen. Im Bereich des Reitplatzes Winterthur sind in der Töss zwei Menschen ertrunken. Unterhalb der Staatsstrassenbrücke bei Pfungen ist im Sommer 1995 ebenfalls eine Frau beim Versuch ertrunken, ihren in die Wasserwalze geratenen Hund zu retten. Mehrmals konnten zufällige Anwesende das Schlimmste verhindern und in Not geratene Personen retten.

Diese Unfälle liefen stets gleich ab: Ein Hund gelangt zwischen zwei Schwellen in die Töss, wird, vor allem bei etwas höherer Wasserführung, von der Strömung mitgenommen und über die nächste Schwelle hinabgespült, wo er in die Wasserwalze gerät und sich nicht immer befreien kann. Die Hundebesitzerin oder der Hundebesitzer versuchen, den Hund zu retten, und geraten selber in die gleiche gefährliche Situation.

Die weitgehende, aber eben nicht lückenlose technische Beherrschung der Naturgewalten hat dazu geführt, dass sich viele Leute in unserer zivilisierten Gesellschaft der Gefahren des Wassers viel zu wenig bewusst sind. Eine Aufklärung der Bevölkerung wird durch die Schweizerische Lebensrettungs-Gesellschaft betrieben. Ferner wurden im «Schulblatt des Kantons Zürich» Schulbehörden und Lehrerschaft in einem ausführlichen Artikel auf die Gefahren beim Baden in Flüssen, besonders im Bereich von Schwellen, Wasserwalzen und Stromschnellen, aufmerksam gemacht und darauf hingewiesen, dass der Aufenthalt und das Baden bei diesen Gefahrenquellen zu unterlassen sind. Der Artikel enthielt auch den Hinweis, dass ein vom SF DRS «Schweiz aktuell» gedrehter Film zu diesem Thema zu Schulungszwecken bei der Bibliothek/Mediothek des Pestalozzianums als Video unentgeltlich ausgeliehen werden kann. Es handelt sich dabei um den in der Anfrage angesprochenen Videofilm.

Die Ereignisse in der Töss haben die Stadtpolizei Winterthur veranlasst, die Bevölkerung auf die meist unterschätzte Gefahr aufmerksam zu machen. Bei den Schwellen der Töss auf Stadtgebiet wurden Warntafeln aufgestellt. In den lokalen Tageszeitungen und in Tierzeitschriften wurden Artikel plaziert.

Zum Vorschlag, im Umfeld der senkrecht verlaufenden Schwellen Sträucher und Gebüsche mehr wachsen zu lassen, ist festzuhalten, dass die Pflege und Durchforstung der Bachgehölze nach wasserbaulichen und ökologischen Grundsätzen erfolgt. Um die Hochwasserabflusskapazität der Flüsse und Bäche erhalten zu können, ist es notwendig, den Gehölzsaum periodisch wieder auf den Stock zu setzen, d.h. alle Triebe, Äste und im ufernahen Bereich auch die Bäume in Bodennähe abzusägen. Diese Arbeiten werden in den Wintermonaten, in der vegetationslosen Zeit, durchgeführt, um nicht im Frühjahr die Jungvögel oder die sich entfaltenden Insekten zu stören. Die Bearbeitung erfolgt abschnittsweise nach der Weisung des Amtes für Gewässerschutz und Wasserbau vom 20. Mai 1983 über die naturnahe Gestaltung und den Unterhalt kantonaler Anlagen, die ihrerseits auf einer Dienstanweisung der Baudirektion vom 22. Februar 1983 beruht. Zu bedenken ist auch, dass die «Abriegelung» der Töss mit einer dichten Hecke oder einem Zaun neue Gefahren mit sich bringen würde: Insbesondere würde dadurch die Übersicht erschwert und bei Unfällen die Rettung behindert.

Die Art und Weise des Unterhalts an der Töss hat sich bewährt und ist auch von Biologen- und Naturschutzkreisen anerkannt. Im übrigen hat sich der Regierungsrat bereits früher in Beantwortung einer Anfrage und in der Stellungnahme zu einem Postulat (KR-Nrn. 34/1990 und 316/1993) ausführlich zum Thema Unterhalt an der Töss und an den anderen Gewässern geäussert.

Die Wasserbauorgane werden weiterhin an gefährlichen Stellen Lösungen zur Verbesserung der Sicherheit suchen und, falls erforderlich, den Umbau von besonders gefährlichen Abstürzen prüfen. Die Erziehungsdirektion sieht ferner vor, im nächsten Jahr vor Beginn der Bade- und Schulreisesaison mit einem erneuten Aufruf im «Schulblatt» und/oder einem Rundschreiben an die Schulpflegen bzw. die Hausvorstände der Schulhäuser nochmals eindringlich vor den Gefahren des Badens in fliessenden Gewässern zu warnen, die Lehrerschaft zur erforderlichen Vorsicht aufzufordern und auf die Ausleihmöglichkeiten des genannten Videofilms hinzuweisen.





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