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Rubrik: Forum
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Publiziert: 29.05.2001 12:00

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Faszinierendes "Essenfassen"

Siller Thomas

Es ist immer wieder interessant anzusehen, wie nicht nur Studenten, sondern auch Assistenten und bestverdienende Professoren nicht nur die Kinnlade sondern auch negative Aeusserungen fallen lassen, wenn sie an der Vitrine im "Physikrestaurant" - also in der Mensa am Hoenggerberg - stehen und das Menue begutachten.

Mindestens so interessant ist es dann auch noch anzusehen - vom soziobiologischen Standpunkt aus betrachtet, sollte ich vielleicht noch explizit anfuehren - wie dieselben Leute dann, obwohl ihrer Abneigung gegenueber dem Gebotenen, sich zu einer Ausgabestation bewegen, um ein weiteres mal eine groessere oder kleinere Portion Verdaubarem komentarlos abzuholen. Jahrein - Jahraus.

Mir persoenlich graust schon seit laengerem, nicht nur von der Qualitaet des Fleisches (welches ich nicht esse) sondern auch vor den Leuten, wenn sie dieses zur Verdauung in sich einfuehren. Leider gibt es am Hoenggerberg keine andere Versorgungseinrichtung, Restaurants sind viel zu weit weg, um in Betracht zu kommen. Somit kommt mensch oft nicht daran vorbei, Leute bei ihrer degustioesen Beschaeftigung zur Mittagszeit beobachten zu muessen. Zum Glueck ist das Salatbuffet akzeptabel und zusammen mit einem Dessert, fuer mich auch ausreichend.

Nachdem ich mich vor einigen Wochen mit dem Verantwortlichen dieser Mensa unterhalten habe und auch die Statuten zur Mensabetreibung ausreichend kenne, weiss ich, dass die Qualitaet des Essens massgeblich durch die Verdauenden selber bestimmt wird. Dabei ist es bei weitem nicht der Preis der ueber die Qualitaet entscheidet. Die Essgewohnheiten bzw. die Qualitaetsmerkmale von Nahrung, welche an die Nachkriegszeit erinnern, setzen sich fort. Wichtigstes Merkmal eines Menues ist eine Portion genussfaehiger Tierkadaver mit etwas kohlenhydratehaldiger Beilage plus Sauce, damit's besser rutscht.

Fehlt ersteres, oder wurde dieses durch ein oder zwei andere Beilagen ersetzt, wird es als ein Fasten- oder ein Arme-Leute-Essen wargenommen. Selbst das vegetarische Menue leidet an Nachfrage, wenn z.B. lediglich als Beilagen bekannte Nahrungsmittel angeboten werden, egal in welcher Vielfalt. Ein paniertes Etwas, bestehend aus ein paar wenigen Stuecken Gemuese, verlaengert und verklebt mit etwas Bechamelartigem, zusammen mit Teigwaren erinnert hier schon mehr an ein Standardmenue und wird auch entsprechend oft verkauft, wie die Statistik bestaetigt: 200 zu 600 Gerichte.

Ein besonders interessantes Extrem zeigt sich wenn die Schlange anstehender Personen bei einer Essensausgabestation bis vor das Resaurant reicht, waehrend bei den anderen das Essen kalt wird. Dann weiss der Besucher schon von vornherein was auf dem Speiseplan steht, zumindest die Beilage ist mit "an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" bekannt. In diesem Fall scheint es vollkommen unwichtig zu sein, ob die Schnitzel oder Cordon Bleu's verbrannt bzw. die Panade wieder aufgeweicht wurde, die Kotteletten paniert und mit Sauce uebergossen (!) sind oder sonst verschmaehte Wurstwaren dazu serviert werden. Den Namen dieser alles vergessenlassenden Beilage erraten sie sicher selber.

(Fritten? (Anm. des Red.))

Solange Leute sich um dieses Essen reissen, werden sie auch nicht enttaeuscht werden. Fuer den Grossteil der Mensabesucher gibt es also ueberhaupt keinen Grund, sich zu beschweren. Schon gar nicht immer wieder die Kinnlade und negative Aeusserungen ueber das Essen fallen zu lassen, wie eingangs beschrieben. Jetzt verstehen Sie vielleicht auch, was mich immer wieder so fasziniert, wenn ich - so wie nach abschicken dieses Mails - in die Mensa gehe und Leute beim "Essenfassen" beobachten kann.

Thomas Siller





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