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Rubrik: Forum

Zeitzeugen und Historiker im Gespräch
Zeitzeugen und Historiker im Gespräch

Published: 08.11.2004 06:00
Modified: 08.11.2004 12:30
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Von Urs Hochstrasser; em. Titularprofessor ETHZ

Dieses Podiumsgespräch ist gesamthaft gesehen sehr gut dargestellt. Bei der Wiedergabe meiner Ausführungen ist jedoch ein Missverständnis aufgetaucht:

Ich teile die Meinung des zitierten Zuhörers (Roland Nägelin), dass die schon Mitte der Sechzigerjahre eingetretenen wesentlichen Änderungen der Voraussetzungen für den Reaktorbau die Ursache für die Aufgabe der Eigenentwicklung eines schweizerischen Reaktors waren. Wenn ich in der Diskussion dem Widerstand gegen Kernkraftwerke, der sich in den Siebzigerjahren besonders in Westeuropa ausbreitete, eine Mitverantwortung gab für die Aufgabe der weiteren Entwicklung aller in dieser Region begonnenen Projekte für Reaktortypen mit besserer Nutzung des Brennstoffes als bei den amerikanischen Leichtwasserreaktoren, so äusserte ich mich damit nicht zu den Gründen für die Beendigung der schweizerischen Reaktorentwicklung. Dieser Verzicht war ja schon 1967 vom Verwaltungsratspräsident der Sulzer AG erklärt worden mit der Begründung, dass seine Firma nicht genügend finanzkräftig sei, um wie die amerikanische Konkurrenz schlüsselfertige Kernkraftwerke mit Garantien anbieten zu können, sodass sie sich auf die Lieferung von Komponenten für solche Anlagen zurückziehen müsse.

Die drei Gründe dafür, dass das Versuchskernkraftwerk in Lucens dennoch fertig gebaut und in Betrieb genommen wurde, konnten aus Zeitgründen an der Veranstaltung nich genannt werden, sodass ich sie hier nachliefere:

1. Für die doch recht vielen Firmen, die wie die Sulzer AG Komponenten geliefert und Dienstleistungen erbracht hatten, bestand ein Interesse daran zu erfahren, wie sich diese im Betrieb bewähren würden. Obschon der Reaktor in Lucens kein amerikanischer Leichtwasserreaktor war, wären diese Erfahrungen zu einem guten Teil für Lieferungen von Komponenten und Dienstleistungen für Anlagen mit den letztgenannten Reaktoren nutzbar gewesen.

2. Nach dem Willen der drei Hauptaktionäre (dazu gehörten die grossen Elektrizitätsgesellschaften und die welsche Gruppe ENUSA) der Nationalen Dachgesellschaft, dem Auftraggeber von Lucens, hätte die Anlage zur Ausbildung des Betriebspersonals der für später geplanten Kernkraftwerke dienen sollen.Für diese Aufgabe hätte sich Lucens durchaus geeignet.

3. Die starken Kernenergie-Interessenten in der welschen Schweiz betrachteten wenigstens zum Teil die von der Reaktor AG aufgebauten Anlagen nicht wie ich als nationales, sondern als "deutschschweizerisches Reaktorforschungszentrum". Sie hofften in Lucens das welschschweizerische Analogon aufbauen zu können.

Leider war es beim Podiumsgespräch wegen des bestehenden Zeitdruckes nicht möglich, auf die aufgeworfenen Fragen in der wünschbaren Ausführlichkeit einzutreten. Ich hoffe dennoch, dass sie einen Beitrag zur notwendigen Diskussion der schweizerischen Kernenergiegeschichte zu leisten vermochte.


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