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Rubrik: Im Gespräch |
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Richard Stallman predigte an der ETH für eine freiere Software-Welt Software-Guru mit "heiliger" Mission |
Am vergangenen Montag predigte der amerikanische Software-Guru und Freiheitskämpfer Richard M. Stallman an der ETH für freie Software und gegen deren Patentierung. Anlass war die erstmalige Prämierung des "besten Open Source-Projekts der Schweiz". Gewonnen hat der ETH-Absolvent Andreas Müller mit einem Steuerungsprogramm für einen unterbruchfreien Server-Betrieb. Der Software-Guru Richard M. Stallman war ein würdiger Gastredner für die Preisverleihung des Wettbewerbs. In seinem Vortrag über "The Free Software Movement and the GNU/Linux Operating System" erklärte er den über 400 Zuhörern im Auditorium Maximum der ETH, dass hinter "freier" Software mehr stecke als nur gute Computerprogramme. Wichtig ist ihm, dass die Philosophie dahinter nicht verloren geht. Stallman ist ein vehementer Gegner von Software-Patenten und will vor allem die Rechte und Möglichkeiten des Computernutzers schützen.
Die vier Freiheiten In seiner zweistündigen Rede lieferte der langjährige Kämpfer für eine freiere Welt einen Rückblick auf die Software-Entwicklung seit den siebziger Jahren und darauf, wie er auf die Idee der "freien" Software kam. Eigentlich wurde Stallman 1984 "durch die Umstände" dazu auserwählt, die "freie" Softwarebewegung zu gründen. Denn erstens, so Stallman, hatte er die Fähigkeiten zur Entwicklung eines "freien" Betriebssystems und zweitens entwickelte niemand sonst ein solches. "Freie" Software enthält nach Stallman vier Freiheiten: Eigentlich selbstverständlich ist die "nullte" Freiheit, das Programm laufen zu lassen. Als erste Freiheit möchte er ein Programm ändern können, um sich selbst zu helfen, indem er es beispielsweise anpasst oder verbessert. Zweitens wünscht er, Programme frei austauschen zu können, um seinen Nachbarn zu helfen. Und als dritte Freiheit möchte Stallman Versionen der Software herstellen, um die ganze Entwicklergemeinde zu unterstützen.
Frei ist mehr als gratis Der Präsident der "Free Software Foundation"(1) warnte davor, unter "freier" Software einfach nur so etwas wie "Freibier" zu verstehen. Viel eher müsse man sie mit "freier Meinungsäusserung" vergleichen. "Das deutsche Wort 'frei' ist ausserdem viel zutreffender, als der englische Begriff 'free'", betonte Stallman. Denn das Englische 'free' werde leider fälschlicherweise oft mit 'gratis' verwechselt, was für 'freie' und 'Open Source'-Software aber nicht unbedingt zutreffen muss. Auch von einer weiteren Verwechslung sieht sich Stallman auf Schritt und Tritt verfolgt: Linux ist eigentlich GNU/Linux Schon während der Preisverleihung des Wettbewerbs (siehe Kasten) unterbrach Stallman mehrmals die Redner und korrigierte den Namen des bekannten "freien" Betriebssystems von "Linux" auf korrekt "GNU/Linux". Später erklärte er, der Name "GNU/Linux" sei deshalb so wichtig, weil sonst die Philosophie hinter der "freien" Software verloren gehe. Stallman: "Im Gegensatz zu mir ist der Linux-Entwickler Linus Torvalds nicht an politischen Fragen interessiert. Er will einfach nur hacken."
Stallman findet es schade, dass 20 Millionen Computernutzer GNU-Software verwenden und meinen, es sei alles Linux. Dabei sei das bekannte Betriebssystem hauptsächlich GNU-Software, mit Ausnahme des Kerns, der von Torvalds entwickelt wurde. Sogar die ihn interviewenden Journalisten liess Stallman zum vornherein über diesen wichtigen Unterschied informieren, damit er sich nicht über die unkorrekte Namensnennung ärgern müsse. Trotzdem rutschte fast jedem Redner zwischendurch ein "Linux" heraus, was wiederum eine Belehrung durch Stallman zur Folge hatte.
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Tipps auch für die ETH Im Gespräch mit ETH Life lieferte Stallman auch einige Tipps, wie die ETH die freie Software-Bewegung unterstützten könne. "Primär sollten alle an der ETH entwickelten Programme unter der GNU-Lizenz(2) als "freie" Software veröffentlicht werden", rät Stallman der Hochschule. Zusätzlich sollten die Studierenden dazu ermuntert werden, bestehende Programme zu lesen und zu verbessern. Denn gutes Programmieren lerne man ähnlich wie Deutsch oder Englisch: Am besten durch Lesen von viel Literatur oder eben von vielen fremden Programmen. ETH-Studierende sollten sich durchaus auch an "freie" Software-Projekte heranwagen, um ihre Fähigkeiten neben den Übungen auch mal an "echten" Programmen zu schärfen. Heiliger iGNUtius als Höhepunkt Aufgrund seiner langen Haare und seinem missionarischen Eifer wurde Stallman - ein Atheist - auch schon mit Jesus verglichen. Der Software-Guru hat nichts gegen den Vergleich, zumal er wie Jesus zu befürchten habe, eines Tages von der Software-Industrie gekreuzigt zu werden wegen seinem Kampf zur "Befreiung" von Software. Höhepunkt der Veranstaltung war eindeutig die Verwandlung des Software-Gurus in sein "Alter Ego", sein anderes Ich: Als selbsternannter Sankt iGNUtius predigte er zum Schluss in schwarzer Kutte und mit einer alten Speicherplatte als Heiligenschein (Bild). Als "Heiliger" der "Church of Emacs"(3) rief er bei diesem selbstironischen Schlussauftritt seine "Anhänger" dazu auf, alle "unfreie" Software vom eigenen Computer zu entfernen. Das Publikum dankte es ihm mit tosendem Applaus. Bruchteil an Lizenzgebühren Der eigentliche Anlass aber, zu dem Stallman als Gastredner eingeladen wurde, war die erstmalige Prämierung des "besten Open Source-Projekts mit Schweizer Beteiligung" (siehe Kasten). Organisiert wurde der Wettbewerb von der IT-Support-Gruppe des Departements Elektrotechnik (4) und der Swiss Open System User Group "/ch/open"(5). Fritz Zaucker, Leiter der IT-Support-Gruppe, erklärte das Engagement der Hochschule für den Wettbewerb damit, dass die prämierten Entwickler unheimlich viel Zeit, meist Freizeit, in ihre Projekte investieren, und die ETH diese kostenlosen Softwarepakete an vielen Stellen einsetze. "Die Wettbewerbskosten sowie der einigen Projekten angebotene Speicherplatz und die Netzwerkbandbreite kosten die ETH nur einen Bruchteil dessen, was für kommerzielle Produkte an Lizenzgebühren bezahlt werden müsste." Ausserdem sollte über den Wettbewerb das Geld aus dem Verkauf einer "Open Source"-CD-Rom wieder in die "freie" Entwicklergemeinde zurückfliessen. Hohe Schweizer Ansprüche Am Wettbewerb beteiligten sich allerdings nur fünf Kandidaten mit insgesamt acht Software-Projekten. Die tiefen Teilnehmerzahlen müssen aber nicht unbedingt kennzeichnend sein für die geringe Anzahl an "freien" Softwareentwicklern in der Schweiz. "Vielleicht lag es auch an den hohen Schweizer Ansprüchen, die verhindern, dass auch kleinere Softwarelösungen veröffentlicht werden", vermutet Organisator und Jury-Mitglied Tobias Oetiker von der IT-Support-Gruppe des Departements Elektrotechnik. Mindestens habe der Wettbewerb die "freie" Software-Entwicklung an der ETH zum Thema gemacht. Dasselbe Ziel haben diesen Sommer die an der ETH durchgeführten /ch/open-Workshop-Tage. "Ob wir allerdings bereits nächstes Jahr wieder einen Schweiz-weiten Wettbewerb durchführen, hängt hauptsächlich von der Anzahl potenzieller Kandidaten ab, die sich bei uns melden", meint Oetiker abschliessend.
Code-Qualität war entscheidend
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Literaturhinweise:
Fussnoten:
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