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Rubrik: Mittwochs-Kolumnen
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Publiziert: 21.03.2001 06:00

Fehlendes Campus-Gefühl an der ETH
Zeit der grünen Busse

Von Arnd Bätzner

Die Türen fahren auf, die Studierenden drängen aus den Wagen. Eine Treppe, eine weites Tor im eher dekorativ als abweisend wahrgenommenen Zaun: Noch einige Schritte, und die Jungakademiker sind der Stadt für einige Stunden entrückt. Sie sind "on campus", verteilen sich über die Wege und Alleen zwischen den Hochschulgebäuden, während der urbane Lärm und die an ihn gekoppelte Hektik sich verlaufen haben.

Nahe Zukunft am Hönggerberg, nach der Betriebsaufnahme der drei Finger im Oktober 2001? Man wünscht es sich und kann doch nicht so recht daran glauben. Die beschriebene Szene habe ich letzte Woche in New York beobachtet: Im Süden Harlems liegt das Gelände der Columbia University, durch deren äussere Gebäude und ab und zu durch einen schmiedeeisernen Zaun sichtbar und intuitiv nachvollziehbar von der Stadt abgetrennt. Noch prägnanter ist jedoch das Innenleben des Campus: Eine parkähnliche Landschaft mit Wegen verschiedener Breite, einem See, Hügeln und einer im Laufe der letzten zwei Jahrhunderte ergänzten Serie von Lehr-, Labor- und Verwaltungsgebäuden erinnert eher an eine Stadt vom Zuschnitt Potsdams als an die Urbanistik der umgebenden Metropole.

Eine wenige Wochen alte Umfrage des SPIEGEL zeigt, dass die Qualität des Angebots in Lehre und Forschung an der ETH nach wie vor begabte Studierende aus ganz Europa anzuziehen vermag. Zu den bemerkten Negativpunkten, die mit ebensolcher Konstanz immer wieder auftauchen, gehört das Fehlen einer universitären Geschlossenheit: Jene Gleichzeitigkeit von Kompaktheit und empfundener Grösse im Sinne der uramerikanischen Vokabel "great", wie sie sich im Campus der Columbia so eindrucksvoll zeigt.

Der fehlende räumliche Zusammenhalt wird auch von einer grossen Zahl der an der ETH eingeschriebenen Studierenden bemängelt: Fragt man genauer nach, ist es weniger die Notwendigkeit des Busfahrens als viel mehr die Multipolarität, das Fehlen eines wahrnehmbaren Zentrums, an dem auch die Namensgebung eines der beiden Hochschulteile nichts zu ändern vermag.

Es soll hier nicht postuliert werden, dass das Campusproblem, zumindest von seiner infrastrukturellen Seite her, neu oder unerkannt sei. Zu den prominenteren Massnahmen gehört der virtuelle Raum "ETH World", der jenseits bestehender Online-Konzepte versuchen möchte, Infrastrukturkosten in Grenzen zu halten und gleichzeitig ein Zusammengehörigkeitsgefühl unter einem imaginären Dach erzeugen will. Ob letzteres gelingt oder sich dereinst als Wunschvorstellung einer früh glorifizierten Technik erweist, wird die Zeit zeigen. Definitv nicht virtuell lösen lässt sich der Transport auf den Hönggerberg: Der schon heute überfüllte Bus der Linie 69 wird durch täglich 3000 zusätzliche Pendler und die geplante Zusammenlegung der Anfangszeiten der Hönggerberg-Departemnete einer noch höheren Spitzenbelastung ausgesetzt. Dabei hat die möglicherweise rettende Reserve-Fahrzeugverfuegbarkeit bei den VBZ einen Tiefstand angenommen, so dass wegen des Mehrverkehrs zur Schöneichtunnel-Sanierung Occasions-Gelenkbusse aus Deutschland und aus Bern gekauft werden mussten. (Dass wegen derer abweichend grünen Aussenfarbe an den Haltestellen des Hönggerbergs grosse orange Tafeln aufgestellt wurden, um die Fahrgäste um Akzeptanz dieser Fremdvehikel zu bitten, gehört wohl in die Rubrik der liebenswerten Zürcher Skurilitäten und ist wohl nicht als Aussage über die vermutete geistige Beweglichkeit der ETH-Angehörigen zu interpretieren.


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VSETH Prds Bdtzner
VSETH-Präsident Arnd Bätzner

Auch andere Universitäten sind gewachsen und mussten sich im Laufe der Zeit veränderten räumlichen Bedingungen anpassen; auch der von Wohnzonen eingegrenzte Columbia-Campus liess sich nicht beliebig erweitern, so dass ganze Einrichtungen wie das Medical Center an der 168ten Strasse ausgegliedert wurden und räumlich abgetrennt sind. Dennoch erscheinen solche isolierten Komplexe klar als Satelliten eines festverankerten Zentrums, währenddessen sich in Zürich spätestens im Herbst die Frage stellt, wo nun eigentlich die Aussenstelle und wo der Schwerpunkt zu identifizieren sein werden.

Auf der nüchternen Übersichtskarte ihrer U-Bahn weist die städtische Verkehrsbehörde von New York neben der ordentlichen Bezeichnung "116. Strasse" in gleichem Fettdruck auf die Hochschule hin, und auch von den Bahnsteigwänden prangt der klangvolle Name in den alten Mosaiken aus der Zeit kurz nach der Jahrhundertwende, als die Linie gebaut wurde. In einem Land hingegen, das immer wieder gerne Bildung als seinen einzigen "Rohstoff" bezeichnet, in dem die Aufwendungen der öffentlichen Hand aber inzwischen gefährlich hinter globalen Leadern wie den USA zurückfallen, sind erhöhte Marketingaktivitäten auf breiter Front sicher keine Fehlinvestition.

Wann also kommt das kohärente neue Corporate Design auch nach aussen zum Tragen, wann entsteht ein "Visitor's Center", das nicht nur Prospekte verteilt, sondern auch Dienstleistungen wie etwa Studienberatung und Unterbringung von Gästen erledigt? Wann darf der mit Granitplatten zugedeckte Grünraum am Hönggerberg endlich zur Piazza werden? Immerhin: Das abends lang geöffnete Cafe mit Draussensitz läuft; ein Campus kann nur da entstehen, wo nicht allein Durchgangsraum ist. Weitere Würfe in diesem Stil und deren unkomplizierte Bewilligung sind jetzt gefragt, von ihnen hängt ab, ob sich die Fläche mit Leben füllt. Denn eins ist sicher: Ohne das grundlegende Verständnis eines Campus kann auch die Identitätsfrage der ETH Zürich nicht weiterkommen, da nützen keine Alumni-Oganisation und kein virtuelles Dach. Und erst recht keine grünen Busse.


Zur Person

Arnd Bätzner wurde in Bonn/Deutschland geboren und ist im französischen Jura aufgewachsen. Er hat am Konservatorium in Genf Klavier studiert und bereitet sich zurzeit auf das Diplom in Hochenergiephysik an der ETH vor. Bätzner ist seit Herbst 1998 Präsident des Verbandes der Studierenden der ETH (VSETH).






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