ETH Life - wissen was laeuft

Die tägliche Web-Zeitung der ETH Zürich - in English

ETH Life - wissen was laeuft ETH Life - wissen was laeuft
ETH Life - wissen was laeuft
Home

ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Mittwochs-Kolumnen
Print-Version Drucken
Publiziert: 27.06.2001 06:00

Die Kehrseite des Bachelor-/Master-Systems
Noch ältere Doktoranden an der ETH?

Von Luciano Carraro

Mit der Harmonisierung der Studienabschlüsse kommen die Bachelor/Masters-Studiengänge. Für die ETH könnte dies eine Verlängerung des Studiums von durchschnittlich vier auf fünf Jahre bedeuten. Die Auswirkung auf das Doktorat wird verheerend sein, wenn das Abschlussalter der Studierenden durch die Harmonisierung erhöht wird. Zum Vergleich: In den USA dauert die High School bis 18 und es ist möglich, mit 23 das Masters abzuschliessen.

Wenn bei uns das Masters als Vorbereitung auf das Doktorat dient und die Studiendauer verlängert, wird sich das durchschnittliche Alter der Doktoranden entsprechend erhöhen. Mit dem Alter und dem Familienleben sinkt die Bereitschaft, tiefe Löhne und Wochenendschichten hinzunehmen. Nur Studenten, die im Ausland mit 18 die Mittelschule abschliessen und hier studieren und/oder doktorieren möchten, werden unser Doktorat noch attraktiv finden. Wer hingegen in der Schweiz mit 19 aus der Mittelschule kommt und womöglich noch ein Jahr wegen der Armee verliert, könnte es vorziehen, bereits nach dem Bachelor in die Industrie zu gehen und die Ausbildung dort z.B. in Trainee-Programmen zu beenden. Programme wie Bonus 29 werden mit Schweizer Doktoranden wohl nicht mehr viel nützen.

Bereits eingeführt hat die ETH das Doktoratsstudium, wie es in den USA üblich ist; das heisst mit der Verpflichtung, neben der Doktorarbeit zwölf Kreditpunkte zu sammeln. Weil ein amerikanisches College-Studium in einer tieferen Altersstufe abschliesst, müssen dort Doktoranden nachholen, was bei uns schon im Hauptstudium behandelt würde. Ein ETH-Abschluss vermittelt weitergehende Kenntnisse als ein College-Studium und macht so genau dieses Doktoratsstudium überflüssig. Ausserdem sind unsere Vorlesungen auf das Vermitteln von Grundkenntnissen ausgelegt, die alle zusammen zu einer breiten Ausbildung verhelfen. Doktoranden hingegen befassen sich sehr viel vertiefter mit ihren Fachgebieten und holen ihre Informationen aus anderen Quellen. Die obligatorische Teilnahme an Vorlesungen und besonders das Verfassen von Kreditarbeiten zum Erlangen von Kreditpunkten, ob sie das Thema des Doktorats betreffen oder nicht, verursacht bloss Zeitverluste und kaum Wissensgewinne. Daher ist das Doktoratsstudium solange wieder aus dem Weg zu räumen, bis bei uns die gleichen Voraussetzungen wie in den USA gelten.

Für eine echte Harmonisierung der Studiengänge müssen auch die Mittelschulen harmonisiert werden. Das Maturaalter in der Schweiz muss auf 18 gesenkt werden. Das ist eine Gelegenheit mindestens für die vorwärtsgewandten Kantone, um die Lehrinhalte und die Mittelschuldauer gemeinsam festzulegen und die Mobilität sogar innerhalb der Mittelschulen sicherzustellen. Dabei liesse sich auch der Englischunterricht so stärken, dass die Studierenden imstande sind, das Masters an der ETH auf Englisch zu bewältigen.


weitermehr

luciano carraro
ETH-Doktorand Luciano Carraro.

Es liegt in der Hand der Hochschulkantone, studienfreundliche Mittelschulen zu gestalten. Dabei ist soweit möglich auch die Abstimmung mit der Armee zu überdenken. In der Armee XXI wird es voraussichlich möglich sein, durchzudienen, und sich später WKs zu ersparen, die dauernd in Semester, Prüfungen und Auslandaufenthalte fallen. Ganz toll wäre der nahtlose Übergang von der Mittelschule zum Durchdienen in der Armee und zur Hochschule.

Sobald neben der Einführung des Bachelor/Masters-Modells auch die Altersstufen und Lehrinhalte ab der Mittelschule angepasst sind, wird die Harmonisierung der Studiengänge erst richtig Sinn machen. Die Lehrinhalte müssen etwa auf gleicher Ebene liegen, um die Mobilität zwischen Hochschulen zu ermöglichen und gleichwertige, vergleichbare Abschlüsse hervorzubringen. Die Übernahme des Bachelor/Masters-Modells kann nicht allein Formsache sein, sondern sie zwingt uns auch zu inhaltlichen und organisatorischen Umstellungen. Die voreilige Übernahme des Doktoratsstudiums bei völlig anderen Voraussetzungen hat das beispielhaft gezeigt.


Zur Person

Luciano Carraro ist Chemieingenieur ETH. Sein Doktorat macht er aber am Departement Forstwissenschaften, und zwar zum Thema Reaktivität von Chemiezellstoff. Dieser polymere Industrie-Rohstoff kommt, im Unterschied zu den herkömmlichen Polymeren, die aus fossilem Erdöl hergestellt werden, aus umweltfreundlicher Quelle: nachwachsendem Holz. Luciano Carraro, dessen Eltern aus Italien stammen, ist in Winterthur aufgewachsen und hat dort die Schulen besucht. Seine Diplomarbeit schrieb er am Politecnico di Milano, seine Frau ist Brasilianerin. Kein Wunder, beschäftigen ihn die "internationalen Angelegenheiten" der ETH besonders, sprich zum Beispiel: der seltsame Umgang der Fremdenpolizei mit ausländischen ETH-Angehörigen.






Sie können zu diesem Artikel ein Feedback schreiben oder die bisherigen lesen.




!!! Dieses Dokument stammt aus dem ETH Web-Archiv und wird nicht mehr gepflegt !!!
!!! This document is stored in the ETH Web archive and is no longer maintained !!!