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Rubrik: Mittwochs-Kolumnen |
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Nachhaltigkeit |
Von Christoph Küffer Anfang Oktober wurde die Kenyanerin Wangari Maathai mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Sie wurde für ihren Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung geehrt. Nachhaltigkeit oder nachhaltige Entwicklung, auf englisch sustainability oder sustainable development, wurde einmal mehr als zukunftsweisend anerkannt. Am Umweltgipfel 1992 in Rio wurde Nachhaltigkeit als ein Leitprinzip der UNO verankert. Eine globale Strategie, die Agenda 21, wurde verabschiedet. Die Schweizer Bundesverfassung erklärt Nachhaltigkeit zu einem Staatsziel. 100 Gemeinden, die einen Viertel der Schweizer Bevölkerung repräsentieren, haben lokale Nachhaltigkeitsprozesse initiiert. Zwei Einsichten bilden den Kern von Nachhaltigkeit: 1. Die natürlichen Ressourcen sind endlich. Der Umweltverbrauch kann nicht unbegrenzt anwachsen. Eine nachhaltige Entwicklung basiert auf der begrenzten und effizienten Nutzung von Umweltgütern und deren gerechten Verteilung innerhalb und zwischen den Generationen. 2. Nachhaltige Lösungsansätze erfordern eine holistische Betrachtungsweise, welche soziale, ökonomische und ökologische Aspekte gleichermassen einbezieht. Die Themen und Ziele von Nachhaltigskeitsstrategien lesen sich wie eine umfassende Wunschliste für eine bessere Welt: gerechte Einkommensverteilung, Beseitigung der Armut, Friedensförderung, hohe Lebenserwartung, Trinkwasserversorgung, Schadstoffbelastung, Klima- und Energiepolitik, Naturschutz, Arbeitsplätze, Frauenförderung, Bildung, Gewalt, psychisches Wohlbefinden etc. Es verwundert nicht, dass Nachhaltigkeit oft als nichtssagender Gummibegriff kritisiert wird. Dieser umfassende Anspruch ist jedoch die Stärke des Nachhaltigkeitskonzepts. Nachhaltigkeit erinnert an die Verflechtung von Handlungen sowohl lokal als auch global, und fordert eine gesamtheitliche Perspektive. Geht zum Beispiel in der Schweiz die landwirtschaftliche Produktion zurück, steht mehr Land für Naturschutz zur Verfügung. Die nun zusätzlich importierten Produkte bedrohen aber möglicherweise die Artenvielfalt im Ausland mehr als zuvor die Produktion in der Schweiz. Nachhaltigkeit beinhaltet wichtige Werte wie Respekt für die Natur oder geteilte Verantwortung. Insbesondere steht Nachhaltigkeit für Solidarität. Nachhaltigkeit setzt Prioritäten unabhängig von Machtverhältnissen.
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Das bedeutet zum Beispiel, dass eine effektive Malaria- und AIDS-Bekämpfung in Entwicklungsländern in der medizinischen Forschung höchste Priorität erhalten sollte. Nachhaltigkeit steht für eine gesamtheitliche Perspektive, welche Wechselwirkungen beachtet, Interessen abwägt und Synergien sucht. Das Nobelpreiskommittee lobte Wangari Maathai insbesondere für ihren holistischen Ansatz für eine nachhaltige Entwicklung, welcher Demokratie, Menschenrechte und die Rechte der Frauen einschliesse. Ich habe mein ETH-Studium zwei Jahre nach dem Umweltgipfel in Rio begonnen. Der Begriff Nachhaltigkeit hat meine 10 Jahre an der ETH geprägt. Im Moment forsche ich auf den Seychellen. Auf wenigen 100 Quadratkilometern mitten im Ozean spürt man die Knappheit der Ressourcen täglich. Im Zentrum meiner Kolumnen stand für mich die Frage, wie Forschung an der ETH einen Beitrag zu einer globalen, nachhaltigen Entwicklung leisten kann. Im nächsten Jahr wird die ETH ihr 150-jähriges Jubiläum feiern und nach ihrer zukünftigen gesellschaftlichen Rolle fragen. Das Jubiläum trifft mit dem Beginn der UNO-Dekade für Bildung für Nachhaltige Entwicklung zusammen. Ein gutes Omen für die nächsten 150 Jahre der ETH. Ich wünsche mir für das ETH Jubiläum insbesondere, dass die ETH verstärkt ein offener Begegnungsort wird, welcher möglichst viele und verschiedene Leute zum Mitdenken einlädt, und Kritik zulässt und fördert. Sowohl Nachhaltigkeit als auch die Entwicklung von modernen Technologien erfordern eine verstärkte, kritische Partizipation der Bevölkerung. Deshalb habe ich als Abschluss meiner Kolumnen ein WIKI eingerichtet. Ein WIKI ist eine Internetseite, welche von jedem Benutzer nach Belieben geändert werden kann. Das Thema: ,Der Beitrag der Wissenschaften und der ETH zu einer nachhaltigen Entwicklung: Phantasien, Visionen, Ideen, Fragen, Klärungen, Kritik'. Ich freue mich während eines Monats auf Ihre Beiträge!
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