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ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Mittwochs-Kolumnen
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Publiziert: 26.02.2003 06:00

Sparen ja – aber nicht um jeden Preis!

Von Katja Wirth

Erinnern Sie sich an die Schlagzeile im Dezember? "Alle 72 Universitätsrektoren Italiens treten zurück”. Anlass des kollektiven Protestaktes in unserem südlichen Nachbarland waren die Sparpläne der Regierung im universitären Bereich. In unseren Breitengraden braucht es etwas mehr, bis das Blut in Wallung gerät - streikende Professoren, die ETH-Schulleitung, die geschlossen zurücktritt, Dozierende auf einem Protestmarsch durch Zürich- doch eher eine skurrile Vorstellung! Es ist dennoch beruhigend zu wissen, dass die auch die schweizerischen Universitäten und Hochschulen heimsuchenden Sparmassnahmen die Köpfe nicht kalt lassen. Im “Manifest für den Denkplatz Schweiz” forderten Vertreter der Schweizer Wissenschaftsgremien schon im November 2001, die Forschungsbudgets ab 2004 um jährlich zehn Prozent zu erhöhen (1). Mit der “Botschaft des Bundesrats über die Förderung von Bildung, Forschung und Technologie in den Jahren 2004 bis 2007” (2)legte im November 2002 auch der Bunderat seine Zielsetzungen und Kreditanträge für die nächste Planungsperiode vor. Deren Inhalt lässt wieder Hoffnung schöpfen für den Forschungsplatz Schweiz. Schliesslich ist die Schweiz eine der führenden Wissenschaftsnationen. Arm an natürlichen Ressourcen und Bodenschätzen, sollte sie auf eines ihrer wichtigsten Kapitalgüter setzen: auf das hohe Bildungsniveau und den hohen Standard der Forschung.

Um Sparmassnahmen kommt zur Zeit trotzdem niemand herum. An der Uni und an der ETH merkt man dies ganz deutlich, und zwar im grossen wie im kleinen. Wenn die Studierenden und Doktorierenden ein paar Franken mehr hergeben müssen als bisher, ist dies nicht weiter schlimm, solange die langfristigen Investitionen in die Forschung gesichert bleiben, könnte man meinen. Schliesslich werden die Studierenden und Doktorierenden von heute die Ärztinnen und Direktoren von morgen sein. Sparmassnahme ist aber nicht gleich Sparmassnahme!


Zur Person
Als begeisterte Fechterin kann Katja Wirth in ihren ETH-Life-Kolumnen Präzision, und wenn’s sein muss, kämpferische Qualitäten gut zur Geltung bringen. Die Assistentin am ETH-Institut für Hygiene und Arbeitsphysiologie hat Psychologie und Neurobiologie studiert. Jetzt arbeitet sie bei Professor Krueger an einer Doktorarbeit zum aktuellen Thema Fluglärm. In der grossangelegten „Lärmstudie 2000“ werden die Auswirkungen des Fluglärms auf die betroffenen Menschen untersucht. Katja Wirth engagiert sich zudem im Vorstand der Vereinigung der Assistierenden der ETH (AVETH). Ausserdem setzt sie sich auch schweizweit für die Assistierenden ein: nämlich in der „ActionUni“ (http://www.action-uni.ch/de/index.html), einem Forum über die Arbeitsbedingungen der DoktorandInnen an Schweizer Universitäten.



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Katja Wirth, Assistentin am ETH-Institut für Hygiene und Arbeitsphysiologie und AVETH-Vorstandsmitglied. gross

Mit der diskutierten Erhöhung der Semestergebühren zum Beispiel ist man auf dem besten Weg zu einer neuen Zweiklassengesellschaft. Aufhorchen lassen auch Überlegungen seitens der ETH, dass Doktorierende in der Mensa künftig höhere Preise als die Studierenden bezahlen sollen. Dies impliziert, dass sie sich in der Mensa nicht mehr als Studenten ausweisen dürfen - was bedeuten könnte, dass sie ihre Studentenlegi verlieren würden. Vergünstigungen aller Art würden wegfallen. Mit solchen Sparmassnahmen schaden ETH und Universitäten nicht nur den Studierenden, sondern schneiden sich langfristig ins eigene Fleisch. Wie kann die ETH ihrem Selbstverständnis als Spitzenuniversität gerecht werden, wenn sie die Hochschulabsolventen und zukünftigen Mitarbeiterinnen nicht mehr aus dem Pool der Besten, sondern der Zahlungskräftigsten auswählen kann? Und wo bleibt der Anspruch auf interdisziplinäres und weltoffenes Denken, wenn Flugtickets, Zeitungsabos, Theater- und Museumsbesuche für Doktorierende langsam zum Luxus werden?

Sparmassnahmen sind akzeptabel, solange sie die Qualität der Forschung, den Zugang zur Bildung und deren Attraktivität nicht beschneiden. In Zeiten der Budgetkürzungen ist vor allem die Grundlagenforschung in Gefahr, da sie sich oft nicht direkt in wirtschaftlichen Nutzen umsetzen lässt. Eigentlich ist aber die Auftrennung in Grundlagen- und angewandte Forschung laut Gottfried Schatz, Präsident des Schweizerischen Wissenschafts- und Technologierats, unsinnig: Fast jede Entdeckung der Grundlagenforschung wird früher oder später auf irgendeine Weise angewandt; besser spricht man hier von kurzfristiger und langfristiger Forschung.(3) Gerade die langfristige Forschung, die oft breit angelegt und nicht im gezielten Interesse einer bestimmten Institution ist, muss von den Universitäten ermöglicht und finanziert werden. Forschungsprojekte in Literatur, Politik, Musikwissenschaft, Islamwissenschaften bringen aus “betriebswirtschaftlicher” Sicht höchstens ein paar Publikationen ein. Für so essentielle Themen und Probleme wie den Nahost-Konflikt, den zunehmenden Rassismus oder die Drogensucht als gesellschaftliches Phänomen, ja für das Verständnis und die Erhaltung unserer Kultur allgemein, sind sie aber von sehr hohem Wert. Wenn die Schweiz in Bildung und Wissenschaft nur auf kurzfristige Erfolge setzt, werden wir morgen für die Sanierung der Gesellschaft bezahlen.


Die ETH-Life-Kolumnisten äussern ihre persönliche Meinung. Sie muss nicht mit der Haltung der Redaktion übereinstimmen.

Fussnoten:
(1) www.ethlife.ethz.ch/articles/tages/show/0,1046,0-8-1438,00.html
(2) www.bbt.admin.ch/dossiers/bildung/d/botschaft.pdf
(3) www.swtr.ch/swtr_ger/schatz_nzz.htm



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