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Rubrik: Mittwochs-Kolumnen
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Publiziert: 12.04.2006 06:00

Wer schreibt, der bleibt

Alexander Zehnder

Gregor Mendels Publikation zur Vererbung von Merkmalen bei Erbsen erschien 1866 in den Berichten der Naturforschenden Gesellschaft Brünn. Obwohl darin die Regeln der Vererbung zum ersten Mal beschrieben wurden, ist diese sehr lokale Publikation von niemandem beachtet worden. Erst knapp vierzig Jahre später haben der Holländer Hugo de Vries und der Deutsche Carl Correns im Laufe ihrer eigenen Arbeiten Mendels Untersuchungen wiederentdeckt. In ihrem Artikel in den Berichten der französischen Akademie der Wissenschaften, einer damals äusserst renommierten Zeitschrift, berichteten sie 1900 darüber. Von diesem Zeitpunkt an hat die Vererbungslehre mit den Mendelschen Gesetzen Eingang in die Schulbücher erhalten.

Eine gute Idee, ein genialer Entwurf, ein super Resultat, wer möchte das nicht in die Welt hinaus posaunen? Und zwar so, dass auch alle, und seien sie nur am Rande daran interessiert, davon erfahren. Viele Kanäle, Möglichkeiten und Medien stehen uns offen dies zu tun. Das Nachhaltigste ist wahrscheinlich immer noch das Schreiben, bei den Architekten das Bauen. Schreiben bedeutet immer, jemandem etwas mitzuteilen, den Text auf die Zielperson oder –personen auszurichten, ihn so zu verfassen, dass er fesselt. Wer hat nicht schon Briefe und E-Mails erhalten, bei denen nicht herauszufinden war, was der Absender eigentlich sagen wollte? Ein Buch oder einen Bericht zu lesen, bei dem das Gefühl entsteht, der Autor hole einen ganz persönlich ab, ist immer ein Genuss. Die darin enthaltenen Botschaften bleiben hängen.

Für wissenschaftliche Publikationen gilt all dies ebenso. Was für den Autor eines Buches der kritische Verleger, sind für die Forschenden die Gutachter (Peers). Verkaufszahlen und Impakt bilden ebenso ein Paar. Die Gutachter zu begeistern, sie von der Wichtigkeit der eigenen Forschungsresultate zu überzeugen, setzt neben harter wissenschaftlicher Arbeit auch schriftstellerisches Handwerk und grosse Anstrengungen voraus. Eine gute Publikation, die Spuren hinterlassen soll, muss erduldet und erlitten werden.

Ist es da nicht einfacher, seine Arbeiten in qualitativ weniger hoch stehenden Zeitschriften oder Berichten zu publizieren, um sich einen Teil der Mühe zu ersparen? Gregor Mendels Beispiel zeigt eindrücklich, was dann passieren kann. Als Augustinermönch musste er niemandem oder höchstens seinem Prior Rechenschaft abliefern für seine Forschungsarbeiten im Klostergarten.


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ETH-Ratspräsident Alexander Zehnder, derzeit auch' ETH Life'-Kolumnist.

Das ist anders bei den heutigen Wissenschaftern an den Universitäten. Sie werden von der öffentlichen Hand, das heisst den Steuerzahlern und letztendlich von uns allen bezahlt. Die Geldgeber haben das Recht zu wissen, was mit ihrem Geld passiert. Publikationen in ausgezeichneten Zeitschriften sind neben anderem auch Rechenschaftsberichte an die Gesellschaft, die uns Wissenschaftern das Forschen ermöglicht.

Das amerikanische Bonmot „publish or perish“ fasst diese Situation pointiert zusammen. Qualitativ hochstehendes Publizieren ist ein Zeichen dafür, dass man die Geldgeber ernst nimmt. Gleichzeitig steigern gute Artikel das Renommé der Heiminstitution. Niemand will natürlich den Untergang eines Wissenschafters, aber das Motto soll uns mit aller Klarheit an unsere Aufgabe erinnern. Die Holländer haben dafür ein positiveres, subtileres und etwas breiter anwendbares Sprichwort geprägt, das alles auf den Punkt bringt. Es heisst: „Wer schreibt, der bleibt“.


Zur Person

Alexander Zehnder absolvierte das Studium der Naturwissenschaften an der ETH Zürich und war danach während einiger Jahre in Marokko tätig. Später schrieb er an der Eidgenössischen Anstalt für Abwasserreinigung, Wasserversorgung und Gewässerschutz (EAWAG) seine Dissertation. Seine weitere wissenschaftliche Karriere führte ihn als Postdoc an die Universität von Wisconsin, Madison, und als Assistenzprofessor an die Universität Stanford. 1982 folgte er dem Ruf als Professor für Mikrobiologie und Institutsvorsteher an die Landwirtschaftliche Universität Wageningen in den Niederlanden. Von 1992 bis 2004 war er Direktor der EAWAG und Professor für Umweltbiotechnologie an der ETH Zürich. Seit Mitte 2004 ist er Präsident des ETH-Rats.






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