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Rubrik: Mittwochs-Kolumnen
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Publiziert: 05.10.2005 06:00

Ursus major und Ursus minor

Von Gerd Folkers

Ein Fellow zu sein, ist offensichtlich eine zweischneidige Angelegenheit. Man weiss nicht einmal, ob fellow am Anfang gross oder klein geschrieben wird. In Überschriften ist der Usus gleich, aber im Text?

Der "jolly good fellow" im Geburtstagsständchen schreibt sich klein. Er ist der Kumpel, dessen Nachbarschaft einen freut, mit dem es Spass macht zusammen zu sein, dessen kleine Besonderheiten man akzeptiert, verdrängt oder liebevoll zelebriert.

In der dritten Strophe wandert der Bär, ein typischer fellow, speziell für Kinder und kindlich Gebliebene:

"The bear went over the mountain .... to see what he could see, .... the other side of the mountain .... was all that he could see."

Der Teddybär ist der Bett- und Spielgenosse, Pu der Bär ein schlichter, aber teils subversiver Philosoph, der Paddington Bär ein Marketing-stilisierter, anbiedernder Kamerad. Fellowbären treiben in der Zürcher Innenstadt ihr Unwesen, Braunbären tun dies in Graubünden, zur Freude der Zeitgenossen, die eines Kumpels bedürfen.

Zum Fellow ist es eine Gratwanderung. Ein grosses F macht schon von der Gestalt her mehr Eindruck. Taucht es auf der Visitenkarte des Gesprächspartners in der Kombination FRS hinter einem Namen auf, so trifft man einen Fellow der Royal Society, "an honour regarded as the highest accolade a scientist can receive and next only to a Nobel Prize." (1) Das Englische unterscheidet nicht eine weibliche und männliche Form des Fellows. "Fellow" nimmt hier die Form des wissenschaftlichen Kollegen an, der, hochgeschätzt wegen seiner Arbeiten, seiner Ansichten, seiner experimentellen Fähigkeiten, in eine Diskussionsrunde eingeladen wird, aus der sich ein permanentes Forum entwickelt, dessen Mitglieder die Fellows sind. Daraus entwickeln sich mit der Zeit Aufnahmeriten, die beispielsweise die Royal Society (1660 gegründet) von Beginn an hatte. Aber erst 200 Jahre später führte sie die wissenschaftliche Leistung als entscheidendes Aufnahmekriterium für ihre Mitglieder ein. Waren die Mitglieder vorher fellows oder schon Fellows? Immerhin fallen in diese Zeitspanne Celebrities alter Art, wie Robert Boyle, Robert Hooke, William Petty, Samuel Pepys, John Wilkins, Thomas Willis und Sir Christopher Wren.

Wie dem auch sei, deren Motto war beeindruckend und ist auch der Wahlspruch, den wir Fellows im Collegium Helveticum versuchen zu leben: Nullius in verba. Ein verkürzte Formel des nullius in verba iurare, "auf niemandes Wort schwören", sondern durch eigene Erkenntnis Einblick in Zusammenhänge gewinnen. Die Fellows des Collegium Helveticum kommen aus den beiden Zürcher Hochschulen, aus der Wirtschaft und Industrie die Assoziierten Fellows. (Besuchen Sie unserer schöne Homepage www.collegium.ethz.ch, um alle kennen zu lernen). So trifft akademische Gelehrsamkeit auf kompetitive Intelligenz, ohne dass manchmal vorherzusagen wäre, welche Fähigkeit aus welcher Institution kommt. Die faktischen Grenzen sind längst nicht mehr klar abgesteckt. Gilt das auch für die Disziplinen?


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Chemieprofessor, Leiter des Collegium Helveticum und derzeit "ETH Life"-Kolumnist: Gerd Folkers

Die Fellows versuchen sich in Grenzüberschreitungen, versuchen von anderen Disziplinen zu lernen, eher transdisziplinär als interdisziplinär zu sein. Und das scheint die Essenz des Fellowdaseins (gross geschrieben). Sei es die Royal Society oder eine Akademie, Grenzüberschreitung ist das Ziel. Die eigene Profilierung (ein Profil ist gekennzeichnet durch die Grenzlinie) und damit die Abgrenzung, muss an einem solchen Ort überschritten werden, was neben der Fähigkeit zur fairen Auseinandersetzung aber auch grosse Lernbereitschaft bedeutet. Das ist nicht unbedingt das Verhalten eines alten fellow Kumpels. Da ist nämlich doch ein grosser Unterschied zwischen dem kleinen Bären und dem grossen Bären. Man sieht's am grossen F von Fellow.


Zum Autor

„Design“ ist für Gerd Folkers, der sich als ETH-Professor für Pharmazeutische Chemie dem Modellieren von Arzneistoff-Molekülen widmet, weit mehr als Schönheit, Eleganz und Spannung. Sondern ein funktionales Element: Was schön ist, füllt sich leichter mit Sinn. Und Augenfälliges erschliesst sich besser dem Be-Greifen. Gerade in seiner Lehre hat Folkers immer wieder unter Beweis gestellt, wie wichtig ihm das ist. Er scheute zum Beispiel keinen Aufwand, um seinen Studierenden komplexes Wissen via E-Learning verfügbar zu machen – mit Vorliebe auch dreidimensional. Zur Science gehört also Fiction: Es überrascht nicht, dass Gerd Folkers immer Wissenschaftsdiskurse interessiert haben. Als Hausherr am Collegium Helveticum habe er heute das Privileg, an der Klärung jener Fragen mitarbeiten zu können, die über das Spezialwissen hinausgehen. In diesem „grossen Experiment“ von Uni und ETH Zürich sei es seine Aufgabe, an sich nicht zur Interaktion vorgesehene Gebiete - und Menschen - so aufeinander abzustimmen, dass sie eben doch miteinander reagieren; „die klassische Rolle des Katalysators eben“, sagt dazu der Chemiker. Unter dem Generalthema „Emotionen“ sollen am Collegium nun in den kommenden Jahren Brücken über Disziplinen-Gräben geschlagen und neues Terrain betreten werden.




Fussnoten:
(1) Siehe dazu die Homepage der Royal Society: www.royalsoc.ac.uk



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