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Rubrik: Mittwochs-Kolumnen |
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Visionen |
Von Meinrad Eberle Das Jubiläum 150 Jahre ETH Zürich steht unter dem Motto ’Wissenschaft und Technik für die Gesellschaft von morgen’. – Es wird also die Frage nach der Zukunft gestellt. Was ist morgen? Eine Aussage dazu ist schwierig, vor allem dann, wenn das Morgen den Zeithorizont 2030 hat – also das nächste Jubiläum der ETH Zürich. Niemand kann die Zukunft voraus sagen. Trotzdem müssen wir uns mit ihr beschäftigen. Das geeignete Vorgehen dazu ist, in Szenarien zu denken. Eine Forschungsuniversität gedeiht nur mit einem Höchstmass an Freiheit in Forschung und Lehre. Dies ist der Grundpfeiler einer Forschungsuniversität, welche diesen Namen verdient. Ist einmal eine Professorin oder ein Professor gewählt, kann die Schulleitung nur noch sehr bedingt Einfluss auf die betreffende Forschung und Lehre nehmen am ehesten über die Zuteilung der Forschungsmittel. Eine Forschungshochschule muss sich aber wandeln können, und dies nicht nur auf der Grundlage des Entwicklungspotentials einer Professur und ihrer Forschungstätigkeit. Verfügt eine Hochschule nicht über ein gewisses Mass an freien Mitteln, ist der Wandel nur sehr langsam möglich, vielleicht zu langsam. Und Wandel, wir wissen es, ist die einzige Konstante. Woher kommen die Ideen für einen Wandel? Zum einen sicher aus der Professorenschaft. Forschung an einer naturwissenschaftlich-technischen Universität bedeutet in aller Regel die Suche nach dem Neuen, das Erklären von Beobachtungen, das Finden von Lösungen. Und vieles mehr. Doch schafft das die Professorenschaft allein nicht: Es braucht eine Schulleitung, die weiss, wo langfristig mehr investiert werden soll, oder welche Disziplinen – ohne die Grundausbildung zu gefährden – aufgegeben werden müssten.
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Auch braucht es Vorstellungen darüber, welche Gebiete, zunehmend interdisziplinär, neu aufgegriffen werden sollen. Hier spielt auch der ETH-Rat eine wichtige Rolle, wie er dies seinerzeit im Fall der Informatik getan hat. Und schliesslich ist es die Wirtschaft, die Gesellschaft ganz allgemein, welche Ideen entwickelt und Bedürfnisse formuliert, ja Ideen entwickeln muss. Auch die Politik gehört dazu und ebenso die Studierenden. Es gilt also, die unterschiedlich interessierten und betroffenen Kreise anzuhören, mit ihnen zu diskutieren. Doch entscheiden muss zuletzt die Schulleitung. Sie allein trägt die Verantwortung, ist unsere Hochschule doch autonom. Das Jubiläum ist Anlass zu fragen, welches denkbare Entwicklungsrichtungen unserer Gesellschaft sind und auch, was dies für Forschung und Lehre der ETH Zürich bedeuten könnte. Antworten darauf könnten Elemente einer langfristigen strategischen Planung bilden. Wir haben vor, verschiedene Personengruppen zu befragen: die Studierenden (Essay-Wettbewerb), die Professorenschaft zusammen mit den Mitarbeitenden, die Meinungsbildner und die Politiker, letztere national und international. Dieses Projekt trägt den Arbeitstitel ’Essays Visionen 2030’. Auch die so genannte Intensivwoche will den Blick in die Zukunft öffnen; sie ist ebenfalls ein Schlüsselprojekt des Jubiläums. So sollen am Tag der Lehrenden und Lernenden Fragen zum Internet-gestützten Unterricht sowie zur optimalen Lehrmethodik der Zukunft allgemein erörtert werden, und vieles mehr. Am Tag der Forschung stehen Themen wie Forschungsfreiheit und Gesellschaft, oder Segen und Fluch der Informatik auf der Liste. Am Tag der Wirtschaft und der Politik soll erörtert werden, was die Wirtschaft von der ETH erwartet und wie sich die Politik einbringt. Am Tag der Schwesteruniversitäten geht es um die Fragen der Zusammenarbeit mit anderen Hochschulen, der Koordination und des Wettbewerbs und der Schwerpunktbildung in der Forschungslandschaft Schweiz, eingebettet im internationalen Umfeld. Die vorläufigen Ergebnisse des Projekts ’Essays Visionen 2030’ sollten Anfang 2005 vorliegen und werden in das Projekt ’Intensivwoche’ einfliessen. Es ist denkbar, dass die Resultate dieser zwei Jubiläumsprojekte zusammengefasst werden. Beide sind ehrgeizig und schwierig. Ihr Gelingen ist jedoch für die Zukunft der ETH Zürich sehr wichtig. Aus diesem Grunde möchte ich alle aufrufen, mitzudenken: Sie alle arbeiten an der Zukunft unserer ETH Zürich, eine Hochschule, wie sie die Schweiz braucht – und umgekehrt. |
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