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ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Mittwochs-Kolumnen
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Publiziert: 07.12.2006 06:00

Ausserirdisch, Bestialisch gut...

René Schwarzenbach

A, B, C, D .... Endlich ist es so weit! Jeder hat seinen lohnwirksamen Buchstaben im Trockenen. Und wie erwartet ist die zentrale Tätowierungsstelle hoffnungslos überlastet, also bitte noch ein bisschen Geduld. Und nicht vergessen, der Buchstabe muss auch bei nichtintimen Begegnungen jederzeit gut sichtbar sein.

Die ersten Analysen zeigen es deutlich: nur wenige haben es geschafft, ein „E“ (Ei, ei, jei, jei, jei), und nur einer ein „F“ ( Ferreis, aber schnäll) zu ergattern. Und auch „D“ (Duu, los jetz emal) scheint ebenfalls eher selten zum Einsatz gekommen zu sein. Und das vor allem bei der Beurteilung der Schulleitung und der DepartementsvorsteherInnen. Tatsächlich, wann immer ich von einem oder einer meiner lieben KollegInnen Besuch bekomme, beginnen diese das Gespräch mit „Duu, los jetz emal “. Und dann geht es normalerweise mit irgendeiner Liebeserklärung weiter.

Doch zurück zum ABC, dieser Jahrhundertinnovation im Personalwesen des Bundes. Endlich wird auch innerhalb der ETH objektiv Klarheit darüber geschaffen, wo die aussergewöhnlichen und wo die nicht aussergewöhnlichen Leute sitzen. Und da erstaunt es ja auch nicht zu vernehmen, dass es zum Beispiel im Departement M nur so von Ausserirdischen wimmelt. Unter uns gesagt, diese kommen einem ja auch sonst etwas weltfremd vor. Und man hört auch, dass sich dort die Bestialischen bereits zu einem Zweckverband zusammengeschlossen haben, um bei der Schulleitung einen lohnwirksamen Minderheitenschutz einzufordern. Ganz im Gegensatz zur Kultur im Departement E, wo die überwiegende Mehrheit als normal und erdverbunden klassiert worden ist. Von dort kommt die Nachricht, dass die Treibjagd auf die vereinzelten Ausserirdischen begonnen hat, und dass dabei die ebenfalls nicht sehr zahlreichen Bestialischen als Jagdhunde eingesetzt werden sollen.

Und dann sind da noch die beiden MitarbeiterInnen, welche zu verschiedenen Gruppen, sagen wir M und E, gehören, sich aber gemeinsam ein Büro teilen. Seit beide ihren Buchstaben still mit sich herumtragen, ist die Welt nicht mehr so wie sie war. Beide warten ja auch immer noch auf ihren Termin bei der zentralen Tätowierungsstelle.

Hand aufs Herz! Wie war Ihr Personalgespräch? An sich eine gute, ja eine tolle Sache? Das hört man überall und das ist gut so. Und völlig entspannt, falls Ihr Alphabet nur aus den Buchstaben A und B besteht. Nur, in den vielen Fällen mit weder ausserirdischem noch bestialischem Ausgang sieht das Ganze etwas anders aus. Die Mehrheit „cha bliibe“, so wurde es von oben verordnet. Und plötzlich, ob man das wahrhaben will oder nicht, bekommt ein einziger Buchstabe eine Dimension, die ihm gar nicht zusteht. Plötzlich wird das komplexe Zusammenspiel der einzelnen Akteure, das den Erfolg oder Misserfolg eines Teams ausmacht, unnötig gestört. Plötzlich löscht nach einem guten Gespräch ein Buchstabe das hochmotivierte Glänzen in den Augen eines Mitarbeiters abrupt aus. Wie kann es sein, dass eine differenzierte Analyse der Leistung von Mitarbeitern am Schluss auf einen simplen Buchstaben reduziert wird? Und das an einer Bildungsstätte wie der ETH .....

Und dann hat ja dieser Buchstabe auch einen direkten Einfluss aufs Portemonnaie. Wussten Sie zum Zeitpunkt des Personalgesprächs welche Auswirkungen ABC auf Ihren persönlichen Lohn oder auf die Lohnverteilung in Ihrer Gruppe oder im Departement hat? Selbstverständlich wussten das weder Sie noch Ihre Vorgesetzten, als diese analog zu den Punktrichtern beim Eiskunstlaufen einen lohnwirksamen Buchstaben gezogen haben. Aber keine Angst, bald wird das System auf wundersame Weise seine nur von wenigen Eingeweihten nachvollziehbaren Zahlen preisgeben. Noch ist es aber nicht so weit, denn alles hängt mit allem zusammen und von allem ab.


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René Schwarzenbach, Vorsteher des Departements Umweltwissenschaften, ist derzeit 'ETH Life'-Kolumnist.

Am einfachsten sind noch die Auswirkungen des Buchstabens auf ein Individuum zu verstehen, also auf Sie: zusammen mit Ihrer Lohnstufe, Ihrer vertikalen und horizontalen Position im entsprechenden Lohnband, dem gesamten Betrag der für Lohnerhöhungen in Ihrem Departement von oben festgesetzt wird und, aufgepasst, die Buchstaben aller Kolleginnen und Kollegen im Departement, welche wiederum in Abhängigkeit ihrer Lohnstufen und ihrer vertikalen und horizontalen Positionen ..... ich gebe es auf ! Unser Controller, der die Verwirrung schon früh erahnte, hat an der letzten Departementskonferenz zum x-ten Mal versucht, uns das neue Lohnsystem zu erklären. Eine bühnenreife Nummer, welche ohne weiteres im Casinotheater in Winterthur aufgeführt werden könnte. Mit garantiertem Publikumserfolg. Kategorie „Tragischkomisch“. Nicht wegen unseres Controllers.

Jetzt ist es aber höchste Zeit. Noch heute Abend werde ich meinen Wunschzettel für das Christkind draussen aufs Fensterbrett legen: Liebes Christkind, bring doch diese verd...... (hab ich nur gedacht, nicht geschrieben) Buchstaben wieder zum Samichlaus zurück, dort gehören sie nämlich hin. Es geht doch sicher auch anders. Viele von uns wären darüber sehr, sehr, sehr, sehr froh.

Trotzdem: fröhliche Weihnachten und e guets Neuis liebi ETH! Chasch bliibe!!!!!


Zur Person

Scheinbar verschlossene Türen aufzustossen, das behagt ihm: Der ETH-Umweltchemiker René Schwarzenbach arbeitet in einem Forschungsbereich, der erst Ende der 1960er-Jahre entstand. René Schwarzenbach beschäftigt sich mit der Verteilung, dem Schicksal und den Effekten von organischen Schadstoffen in der Umwelt. Als promovierter Chemiker Mitte der 70er-Jahre durch Zufall zum Thema gelangt, nahm er bald prägenden Einfluss darauf. Er kam über das Ozeanforschungsinstitut Woods Hole, Massachusetts zum Wasserforschungsinstitut Eawag und wurde dort schliesslich Direktionsmitglied (was er bis 2005 blieb). 1989 erhielt Schwarzenbach eine Professur für Umweltchemie im damals gerade erst gegründeten ETH-Departement Umweltnaturwissenschaften. Und er sorgte dafür, dass das neue Gebiet auch für die Lehre fruchtbar wurde: 1993 brachte er gemeinsam mit Philip Gschwend (MIT) und ETH-Professor Dieter Imboden das Lehrbuch „Environmental Organic Chemistry“ heraus. Besonders die zweite, stark erweiterte Auflage von 2003 sei das Standardwerk zu diesem Thema, heisst es immer wieder.

Die aktuellste Herausforderung, die René Schwarzenbach angepackt hat, ist die Leitung des Schulbereichs für Erde, Umwelt und Natürliche Ressourcen (S-ENETH), eines für die ETH neuartigen Verbunds dreier Departemente: Agrar- und Lebensmittelwissenschaften, Erdwissenschaften und Umweltwissenschaften. „Diese Kooperation eröffnet den Beteiligten inhaltlich wie institutionell ganz neue Möglichkeiten“, sagt Schwarzenbach. „Vieles von dem, was wir heute machen können, wäre ohne S-ENETH undenkbar oder zumindest äusserst schwierig zu realisieren.“






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