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ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
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Publiziert: 09.05.2007 06:00

Deutsch - eine Fremdsprache

Anke Neumann und Nadine Schüssler

(English version of the column)

Neulich in der Mensa geschah mal wieder etwas, das so alltäglich ist, dass wir uns schon fast daran gewöhnt haben: Wir waren mit unserer neuen chinesischen Kollegin essen und sie versuchte herauszufinden, was sich hinter den kreativen Menübezeichnungen versteckte. Nicht, dass dies für uns immer klar ist, doch sie verstand nicht einmal die Beschreibung der Grundzutaten. Wie auch? Sie waren ja nur auf Deutsch angeschrieben. So blieben ihr – wie unzähligen anderen nicht-deutschsprachigen ETHlern – nur zwei Alternativen: Uns um Übersetzung zu fragen oder auf gut Glück etwas zu probieren. Das mag ja eine Woche lang ganz lustig sein, dann wird es anstrengend. Kann oder mag die Person dann auch noch bestimmte Dinge nicht essen, lässt sie das mit dem gemeinsamen Mensabesuch schnell bleiben und verliert damit nicht nur die Möglichkeit günstig zu essen, sondern auch einen grossen Teil des sozialen Kontaktes zu den Kollegen.

Dabei sind die fehlenden Übersetzungen der Zutatenlisten nur die kleine Spitze eines ganzen Eisbergs. Eines der erklärten Ziele unserer Hochschule ist es, auf allen Ebenen die besten Köpfe aus aller Welt anzulocken. Das ist toll, denn sie sind eine Bereicherung unserer Hochschulen und bringen frischen Wind in unsere ehrwürdigen Hallen. Im ganzen Anwerbefieber wird aber immer wieder vergessen, diesen Menschen zu sagen, dass sie es ohne Deutschkenntnisse an der ETH nicht leicht haben werden.

Ein Problem ist beispielsweise, dass viele Webseiten der ETH-Administration und auch viele Formulare nur auf Deutsch existieren oder wenn es sie auf Englisch gibt, dann fehlen häufig gerade die wichtigsten Informationen. Dabei sind diese gerade für Ausländer wichtig, die sich mit dem Schweizer System im Speziellen und der ETH im Besonderen erst vertraut machen müssen. Eine kurze www.ethz.ch-Recherche für diese Kolumne brachte Interessantes zu Tage: Zunächst einmal hat sich in den letzten Monaten auf den Seiten der Doktoratsadministration sehr viel getan. Alle Informationen und Dokumente, sogar die Doktoratsverordnung, sind jetzt in die englische Sprache übersetzt. Wir waren begeistert! Aber schon der Link auf die Seiten der Personalabteilung – wir erinnern uns: Doktoranden sind auch Angestellte – führte uns schnell wieder in die ausschliessliche Deutschsprachigkeit zurück.

Neben diesen technischen Unzulänglichkeiten gibt es aber noch ganz andere, viel schwieriger zu behebende Probleme, wenn man kein Deutsch spricht. In der Kaffeepause zum Beispiel, wo die nächsten Treffen abgemacht, die genialen Ideen aus dem Kaffeesatz geboren und das Gruppenklima gepflegt wird. Genau dann sind die Nicht-Deutschsprachigen immer benachteiligt. Niemand macht das absichtlich, klar, aber häufig fühlen sich diejenigen, die immer (nach)fragen müssen, dadurch aussen vor. Das kann sogar soweit führen, dass sie sich isoliert vorkommen und keine Freude am Arbeiten, der ETH oder der Schweiz haben.


Zu den Autorinnen

Anke Neumann und Nadine Schüssler teilen sich das Präsidium der Akademischen Vereinigung des Mittebaus der ETH Zürich (AVETH). Neumann, die ihr Doktorat in den Umweltwissenschaften macht, und Schüssler, die dasselbe Ziel am Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme erreichen will, wollen als Kolumnistinnen Themen des Mittelbaus aus ihrer ganz persönlichen Perspektive zur Sprache bringen.

Virulent sei zum Beispiel das Thema Familien an der ETH: Was heisst es, hier als Mittelbauangehöriger eine Familie zu haben oder zu gründen? Grundsätzlich müsste man meinen, so Neumann, dass Akademiker ohne feste Arbeitszeiten genügend flexibel sind, sodass auch eine Partnerschaft mit Kindern im Leben Platz hätte. Doch in der Praxis sehe das häufig anders aus. Schüssler weist darauf hin, dass bei der ETH, die sonst hervorragende Infrastrukturen biete, das Betreuungsangebot zu klein sei. Die beiden Doktorandinnen selbst tragen sich momentan nicht mit dem Gedanken einer Familiengründung, sondern sind teilweise fast schon froh, wenn sie dazu kommen, Sport zu treiben. Solche Tätigkeiten sind für die AVETH-Präsidentinnen ebenso wichtig wie die soziale Integration. Für diese sei es auch von Vorteil, wenn man sich deutsch und deutlich ausdrücken könne. Dies ausländischen Mitarbeitern zu ermöglichen, ist ein weiteres zentrales Anliegen der beiden und der AVETH.




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Mittelbauerinnen, AVETH-Co-Präsidentinnen und neu auch "ETH Life"-Kolumnistinnen: Anke Neumann und Nadine Schüssler. gross

Und dann ist da noch die Sache mit der Aufenthaltsgenehmigung: Verhandlungen mit dem Migrationsamt sind für eine Einzelperson schon auf Deutsch schwierig, in einer anderen Sprache schier unmöglich. In letzter Zeit werden kaum noch B-Bewilligung sonder lediglich L-Bewilligungen verteilt. Was das im Einzelnen heisst, ist einem Durchschnittsschweizer wahrscheinlich nicht bewusst. Es fängt damit an, dass man kein Konto eröffnen, keinen Mobiltelefonvertrag abschliessen und keine Wohnung mieten kann. Weiter geht’s mit der ziemlichen Unmöglichkeit, ins EU-Ausland zu reisen. Das macht es schwer, brandneue Ergebnisse auf einer Konferenz in irgendeinem Nachbarland der Schweiz vorzustellen oder auch nur mit EU-Partnern in einem Projekt zusammenzuarbeiten. Und schliesslich kann ein solcher L-Aufenthalter leider seine Familie nicht nachkommen lassen. Sonst könnten ja noch richtig schlaue Köpfe auf den Geschmack kommen, in Zürich bleiben wollen und gar die Forschung der ETH voranbringen.

Die ETH mit ihrem erklärten Ziel der Internationalität muss sich nun zwingend fragen, was sie diesbezüglich unternehmen will. Es reicht nicht, die besten Köpfe aus aller Welt anzuwerben. Es müssen auch die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die es ihnen erleichtern hier zu studieren, zu forschen und zu arbeiten. Dabei gibt es verschiedene Ansatzpunkte. Manche sind einfach zu bewerkstelligen, zum Beispiel das Übersetzen von Mensa- und sonstigen Aushängen sowie aller offiziellen ETH Webseiten ins Englische. Andere sind schwieriger anzugehen, wie zum Beispiel Verhandlungen mit dem Migrationsamt. Einzelpersonen kämpfen gegen Windmühlen in einem System, in dem kaum noch eine Systematik bei der Erteilung der Bewilligungen zu erkennen ist. Die Leitung einer Eidgenössischen Hochschule hat da jedoch einen ganz anderen Stand.

Und nicht zuletzt geht es um die Integration derjenigen, die sich durchgeschlagen haben und hier sind. Dabei ist einerseits natürlich jede(r) Einzelne von uns gefragt. Wir alle zusammen sind die ETH und es sind die kleinen Alltagsdinge, die oft den grossen Unterschied machen. Dazu braucht es aber auch Vorgesetzte, die ein gutes soziales Klima fordern und fördern. Andererseits gilt es die Sprachbarrieren zu überwinden. Es gibt Sprachkurse, die Deutsch als Fremdsprache anbieten. Allerdings sind die Beginndaten für die Kurse auf das Semester begrenzt und die Kurse generell sehr gut belegt. Und sie kosten eine Menge Geld und Zeit. Beides haben insbesondere Doktoranden in der Regel nicht. Auch hier sind also wieder die Vorgesetzten gefragt, ihre Mitarbeiter zu unterstützen, auch im normalen Leben in Zürich klarzukommen.

Profitieren würden wir davon alle: Wenn Menschen aus der ganzen Welt an die ETH kommen, bringen sie auch ein Stück der Welt hierher. Das bereichert unsere Arbeit, unser Lernen und unser Leben. Zudem sind es die gut Integrierten, die nach ihrer Zeit an der ETH in der Schweiz bleiben und die Ausbildung, die sie hier erhalten haben, “zurückzahlen“. Vielleicht ziehen sie auch weiter und erzählen dann überall in der Welt, was für eine grossartige Hochschule die ETH ist und wie toll man hier leben, lernen und arbeiten kann.

Wäre das nicht schön?




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