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Rubrik: News
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Publiziert: 06.11.2003 06:00

ETH-Werkstatt machte Klavierkonzert möglich
Ein Freundschaftsdienst

(res) Freiwilligenarbeit nimmt ständig ab – nicht so an der ETH Zürich. Der Einsatz von Freunden hat dazu geführt, dass der fast 30-jährige querschnittgelähmte Christian Wenk - Anästhesist am Unispital Zürich und Sohn von ETH-Nutztierwissenschaftler Caspar Wenk - kürzlich an zwei Konzerten einen grossen Erfolg feiern konnte, wie der "SonntagsBlick" berichtete. Als Solist interpretierte er im Rahmen der Konzerte des Orchestervereins Zürich das dritte Klavier-Konzert von Ludwig van Beethoven: im Rollstuhl am Klavier sitzend griff er überzeugend in die Tasten und setzte subtil das Pedal ein. Doch, wie war Letzteres möglich? Eine Konstruktion, die er dem Einfallsreichtum und Können von Freunden - Bruno Jörg, Werkstattchef am Institut für Nutztierwissenschaften, und Beat Seiler, Elektrotechnische Entwicklungen und Konstruktionen - verdankte, ermöglichte dies.

Bis zu seinem folgenschweren Sportunfall vor rund drei Jahren war Christian Wenk ein international erfolgreicher Duathlet. Das Klavierspiel war neben seiner Ausbildung und den sportlichen Aktivitäten wichtiger Bestandteil seines Lebens. Die Folgen des Sturzes mit dem Fahrrad während seines Trainings in Japan geboten Einhalt, mussten erst einmal verkraftet werden. Unterstützung erhielt er nicht nur durch seine Familie, sondern eben auch von denen, die er während vieler Jahre während seiner Praktika in der ETH-Werkstatt der Nutztierwissenschaftler kennen lernte. Für sie ist der junge gelähmte Mann ein Beispiel dafür, was alles möglich ist, wenn man nicht aufgibt.

"Als wir bei unseren Besuchen im 'Balgrist' merkten, dass es ihm wirklich ernst war, wieder Klavier zu spielen, machten wir uns in unserer Freizeit dran, für ihn eine passende Lösung für die Bedienung der Pedale zu finden", erzählt Bruno Jörg. Nach wochenlangem Philosophieren über das Was und Wie entstand zuerst eine Lösung auf pneumatischer Basis, die dann einer mechanischen weichen musste. Zu anstrengend wurden die Bewegungen mit dem Kinn empfunden oder das Drücken in der Achselhöhle war nicht mehr möglich, wenn der Pianist mit den Armen ausholen musste. Eine Idee, mit Nervensensoren zu arbeiten, wurde ebenfalls wieder verworfen.

Auf die richtige Spur brachten Jörg und Seiler dann schliesslich Versuche mit dem Linearmotor, bei dem sich die Achse um vier Meter pro Sekunde verschiebt. "Die Grundidee war geboren", freuten sich die Konstrukteure. Sie konstruierten einen Drucksensor, der ein Analogsignal für die Ansteuerelektronik des Linearmotors liefert. Das heisst, der Pianist beisst je nach Bedarf – langsam, schnell oder fein – auf einen Silikonschlauch und bestimmt damit Tempo und Weg.


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Beat Seiler, Christian Wenk und Bruno Jörg (v.l.) bilden eine kleine verschworene Gemeinschaft im Wandel vom Unmöglichen zum Machbaren. gross

Das Steuerungsprogramm für diesen Vorgang wurde zusammen mit dem Doktoranden Daniel Ausderau aus der Elektrotechnik optimiert. Feinabstimmungen waren nötig, und den Nebengeräuschen musste der Garaus gemacht werden, da sie in der Atmosphäre eines Konzertes eher störend wirken. Heute ist nur noch ein feines Summen des Magnetfeldes zu hören. Wird die Konstruktion jetzt als Patent angemeldet? - "Nein", sagt Bruno Jörg. "Wir wollen kein Geschäft machen. Die Grundidee war, einem Freund zu helfen."

Christian Wenk hatte das Gerät innert einiger Wochen "im Griff" und spielte "mit Biss". Er begeisterte die Zuhörer an den Konzerten in Zürich und Nottwil. Der Pianist will zeigen, dass man nicht verzweifeln müsse, dass das Leben weiter geht. "Ich habe mit dem Konzert nicht nur für mich selbst einen wesentlichen Schritt getan, ich gebe auch ein Beispiel im Umgang mit sichtbarer Behinderung und möchte den Menschen mit unsichtbaren Behinderungen Mut machen", erzählt er bei einem kurzen Treffen im Unispital. Während es im Spitzensport immer wieder Beispiele dafür gibt, dass es sich lohne, nicht aufzugeben, würden diese in der Musik noch fehlen. Christian Wenk wird in den nächsten Monaten in verschiedenen Bereichen öffentliche Voträge halten und plant auch ein weiteres musikalisches Projekt: "Ich bin bereits jetzt am Üben!" Warum ist er hauptberuflich Arzt und nicht Pianist geworden? – "Mir hat einmal einer meiner Lehrer gesagt: Dass, was Du am liebsten machst, behalte als Hobby. Das habe ich getan. Ich wollte nicht, dass ich einmal Musik machen MUSS.", antwortet der junge Arzt zufrieden lächelnd.




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