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Rubrik: News
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Publiziert: 06.10.2005 06:00

Hans Dietrich Genscher an der ETH
Verantwortung übernehmen

(fw) Er prägte jahrelang die deutsche Aussenpolitik und war, nach dem Fall der Berliner Mauer, massgeblich an der raschen Wiedervereinigung Deutschlands beteiligt. Hans Dietrich Genscher, von 1974 bis 1992 deutscher Aussenminister, zählt unbestritten zu den Architekten des neuen Europas. Es erstaunt daher nicht, dass sich das Auditorium maximum der ETH Zürich bis auf den letzten Platz füllte, als der heute 78-Jährige anlässlich des 15. Zürcher MBA-Kongresses der GSBA Zürich zum Thema "Europa – quo vadis?" sprach.

Erweiterung war Erfolg

Genau 15 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung befindet sich Europa heute an einem kritischen Punkt. Die geplante EU-Verfassung wurde in Frankreich und Holland vom Volk abgelehnt; die Budgetdiskussionen der Union gestalten sich nervenaufreibend; und in den Verhandlungen mit der Türkei konnte die EU nur knapp ein Fiasko verhindern. Genscher wies jedoch darauf hin, dass die EU in den letzten Jahren viel erreicht habe; insbesondere die Erweiterung auf 25 Länder bezeichnet er als Erfolg. "Eine Union, in der Polen, Deutschland und Frankreich vereinigt sind, trägt massgeblich zur Stabilisierung des Kontinentes bei", ist Genscher überzeugt.

Für Europa stelle sich nun die Frage, welche Rolle der Kontinent in den nächsten Jahrzehnten spielen solle. "Dies ist eine legitime und auch notwenige Frage", meinte er. Die gegenwärtige Entwicklung werde vor allem durch die immer schneller werdende Globalisierung geprägt. Dazu kommt, dass sich nach dem Zusammenbruch der bipolaren Weltordnung des kalten Krieges keine neue Weltordnung etabliert hat.

Verständnis für globale Veränderungen

Auch wenn er dies explizit nicht sagte, so wurde doch klar, dass Genscher von der Position der gegenwärtigen US-Regierung, die neue Weltordnung müsse eine unipolare sein, nicht viel hält. Die Amerikaner sind heute zwar unbestritten das stärkste Land der Welt. Die Frage sei aber, was Stärke konkret bedeute. "Heisst Stärke einfach zusätzliche Macht und mehr Privilegien? Oder bedeutet Stärke, dass man mehr Verantwortung übernehmen muss?" Genscher ist überzeugt, dass in den nächsten Jahren eine multipolare Weltordnung entstehen wird. Die Amerikaner sollten sich daher an ein wichtiges Votum Bill Clintons halten: Die USA, so postulierte der frühere amerikanische Präsident, müssten ihre Stärke dazu nutzen, eine Welt zu schaffen, in der sich die Amerikaner auch dann wohl fühlen, wenn sie nicht die Stärksten sind.


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Der ehemalige deutsche Aussenminister Hans Dietrich Genscher plädierte für eine enge Partnerschaft zwischen Europa und den USA gross

Europäer und Amerikaner, so die klare Forderung Genschers, müssten gemeinsam mehr Verantwortung übernehmen. "Gerade wir Europäer müssen uns stärker einbringen. Wir haben eine Vision, mit deren Umsetzung wir völlig andere Erfahrungen gemacht haben als unsere Vorfahren." Ein entscheidendes Element sei dabei die enge Partnerschaft mit den Amerikanern. "Das Verhältnis zwischen Europa und Nordamerika steht nicht zur Disposition", mahnte der frühere Aussenminister die Kritiker der US-Regierung.

Auch Agrarmärkte öffnen

Ausgehend vom europäischen Modell brauche es nun eine globale Integrationspolitik. Genscher räumte ein, dass die Mittel, die dazu zur Verfügung stehen, nicht optimal funktionieren. "Die Vereinten Nationen sind in einer undankbaren Situation: Diejenigen, welche beklagen, die UNO sei nicht effektiv, sind die gleichen, welche ihr Steine in den Weg legen." Auch bei der Welthandelsorganisation WHO müsse sich der Westen klar werden, was er eigentlich wolle. "Die Liberalisierung der Märkte darf nicht selektiv sein", meint der liberale Politiker. "Solange wir nicht bereit sind, unsere Agrarmärkte zu öffnen, kann eine Integration der Dritten Welt nicht gelingen."




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