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Rubrik: News
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Publiziert: 15.05.2003 06:00

KOF-Forschungsseminar mit Wirtschaftswissenschaftler Ulrich Busch
"Mezzogiorno Ost!"

(res) "Ohne sichtbare Erfolge im wirtschaftlichen Aufholprozess kann es keine Angleichung in den Lebensverhältnissen von Ost und West geben", erklärt Ulrich Busch von der Humboldt Universität Berlin. Der Wirtschaftwissenschaftler referierte am letzten Dienstag im Rahmen des Forschungsseminars der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF) zum Thema "Warum stagniert der Osten Deutschlands trotz Transferzahlungen". Jeder Versuch, die Angleichung zwischen Ost und West künstlich herbeizuführen, ohne dass in der Wirtschaft die Voraussetzungen dafür gegeben sind, sei ein Irrweg, der letzten Endes nur die wirtschaftliche Rückständigkeit des Ostens vergrössere und in die finanzielle Abhängigkeit führe. Dies zeige sich nirgends klarer als in der Transferabhängigkeit und Alimentierung des ostdeutschen Lebensstandards. Busch: "Dies ist auf die Dauer ein Unding, ökonomisch wie psychologisch."

Der Referent zeigte die seiner Meinung nach unbefriedigende wirtschaftliche Entwicklung Ost-Deutschlands während der vergangenen 13 Jahre auf. Diese sei vom Gedanken geprägt gewesen, den Aufschwung des Ostens und die Angleichung an den Westen zu bewerkstelligen. "Die ostdeutsche Volkswirtschaft wurde in die westdeutsche eingepasst , aber nicht selbständig entwickelt", meint Busch. Als notwendige Konsequenz wurden Teile der "integrierten" Wirtschaft eliminiert. Von aussen gesteuert, entstanden in der ehemaligen DDR auf diese Weise keine wirtschaftlich führenden Länder, aber auch keine blühenden Landschaften. Ostdeutschland wurde keine zukunftsweisende Region, und auch kein Einwanderungsgebiet.

Zugezogen sind meist Rentnerinnen und Rentner (+1,4 Millionen), während junge, arbeitsfähige Leute wegen fehlender Arbeitsmöglichkeiten in den Westen abwanderten (-2,7 Millionen), berichtet Ulrich Busch. Der Aufbauprozess habe nach einer Phase kräftigen Wachstums infolge eines massiven wirtschaftlichen Einbruchs (1990/91) seit Mitte der neunziger Jahre erheblich an Schwung verloren und stagniere heute trotz der insgesamt 149 Milliarden Mark Transferzahlungen. Laut Busch haben Ausgaben für die öffentliche Hand, sozialpolitische Aufwendungen (Arbeitslosenversicherung) sowie Investitionen in die Infrastruktur (Strassenbau) den grössten Teil dieser Mittel verschlungen. Etwa 40 Milliarden Mark kamen effektiv der Entwicklung im Osten zugute. "Zu wenig, um wirklich erfolgreich für einen Aufschwung zu sorgen", so Busch.

Zudem sei das Kapital häufig in den Westen zurückgeflossen und wurde dort wieder investiert. So hätten beim Aufschwung Ost vor allem die Westdeutschen profitiert. Ostdeutschland sei zum Absatzmarkt westdeutscher Produkte geworden, zum Reservoir von Fachkräften für den Arbeitsmarkt, ein interessantes, aber doch nicht entsprechend genutztes Niedriglohngebiet, eine entindustralisierte Transfer- und Transit-Region ohne Perspektiven, findet Busch.


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Seine Sicht zur wirtschaftlichen Entwicklung in der ehemaligen DDR erläutert Wirtschaftswissenschaftler Ulrich Busch vor einem interessierten Publikum. gross

Der Lebensstandard sei zwar sichtbar gestiegen, räumt der Forscher ein, aber das Gleichgewicht zwischen den beiden Teilen Deutschlands sei in eine dauernde Schieflage geraten. Busch prognostiziert: "Das Erreichen des Zieles 'Angleichung' und damit die Vollendung der Einheit Deutschlands verschiebt sich weit ins 21. Jahrhundert. Und das gelingt auch nur dann, wenn die Wirtschaftspolitik entsprechende Rahmenbedingungen dafür setzt. Ansonsten kippt der Osten und wird zum deutschen Mezzogiorno."

Die nächsten Seminare, zu denen die Konjunkturforschungsstelle einlädt, finden am 27. Mai (Professor von der Lippe, Uni Essen: "Vor- und Nachteile von Kettenindizes"), am 3. Juni (Karl Koch, Staatssekretariat für Wirtschaft, bern: "Das Satellitenkonto Tourismus in der VGR"), am 10. Juni (Konstantin Kholodilin: "Two Alternative Approches to Modelling the Linear Dynamics of the Composite Economic Indicator") und am 1. Juli (Maurice Pedergnana, Fachhochschule Zentralschweiz, Zug: "Analyse der Kreditbeziehungen zwischen Banken und Unternehmen von 1997 bis 2002") jeweils von 10.15 bis 11.45 Uhr im Konferenzraum des Instituts statt.




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