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Rubrik: News
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Publiziert: 22.11.2004 06:00

Ernst-Peter Fischers Kritik an der mechanistischen Auffassung der modernen Genetik
Gene als „Aquarellisten“

(akl) Das „Humane Genomprojekt“ ist abgeschlossen. Entziffert wurden drei Milliarden Bausteine des menschlichen Genoms: ein grosser Fortschritt für die moderne Genetik. Doch eine Frage drängt sich für Ernst-Peter Fischer, den Wissenschaftshistoriker und Autor zahlreicher Bücher (1), nun auf: Verschafft uns das neu errungene Wissen tatsächlich ein besseres Bild des Menschens?

Vor knapp einem Dutzend Leute versuchte Fischer diese Frage am vergangenen Donnerstag im Rahmen einer Vortragsreihe, die parallel zur Ausstellung „Der gespiegelte Mensch“ (2) im Landesmuseum stattfindet, zu erklären. Mit seiner populären Art verstand er es, sein kleines Publikum gleich zu Beginn in den Bann seiner Theorien zu ziehen. Obwohl die moderne Genetik sich mit der Entstehung des Menschen beschäftigt, schaffe sie es nicht, ein vollständiges Bild derselben abzugeben. Sie begnüge sich damit, Gene als Kausalfaktoren der Entstehung zu betrachten. Die verbreitete Idee, dass Entwicklung nach Vorlagen abläuft, die in den Genen programmiert sind, bezeichnet Fischer als „gedankliche Nachlässigkeit“: „Menschen und andere Lebensformen sind keine Maschinen, die planmässig wie z.B. ein Auto, angefertigt werden.“

Die Entstehung des Lebens lässt sich laut Fischer nur erklären, wenn man den Kausalfaktor Gen mit Formfaktoren und Gestaltprinzipien komplementiert. Plan und Ausführung könnten bei diesem Prozess nicht getrennt werden. Um dies zu erklären, benutzte Fischer die Metapher der Kreativität beim Malen. Ein Bild entstehe zunächst im Kopf eines Malers. Erst wenn der erste Farbklecks auf der Leinwand erscheine, entscheide der Künstler, wie er fortfahre. Der Maler und das Gemalte seien somit bis zur Entstehung des Bildes voneinander abhängig.


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Referierte bereits oft in Zürich: der Biologe, Physiker und Wissenschaftshistoriker Hans-Peter Fischer.

Diese Metapher projizierte Fischer als das „andere Wissen“ auf die Genetik: Wie der Maler und das Gemalte ständen auch Gene in ständiger Wechselwirkung mit dem entstehenden Leben. Gene „malen Farben“ (heisst: produzieren Moleküle), welche wiederum die Wahl „des nächsten Pinselstrichs“ (die Aktivierung des nächsten Gens) beeinflussen. Während der Maler durch seine Zeit und Kultur geformt sei, seien Gene durch ihre evolutionäre Geschichte geformt. Den kreativen Vorgang müsse man dabei jedoch immer vom technischen Ablauf, wie er von der modernen Genetik beschrieben wird, unterscheiden: Erst dann könne die Genetik vollständig erfasst und verstanden werden.

Um die Metapher der Kreativität nochmals zu unterstreichen, schloss Fischer schmunzelnd: „Es ist, als ob unsere Gene Aquarellisten wären!“


Literaturhinweise:
"ETH Life"-Bericht über die Ausstellung "Der gespiegelte Mensch" (1) im Landesmuseum: „In den Genen lesen“: www.ethlife.ethz.ch/articles/lifesciences04.htm

Fussnoten:
(1) Homepage des Wissenschaftshistorikers E.-P. Fischer: www.epfischer.com/
(2) Homepage der Ausstellung "Der gespiegelte Mensch": www.dergespiegeltemensch.ch



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