(per) Zum ersten Mal hat die Shanghai Jiao Tong Universität ein weltweites Bereichs-Ranking der besten Universitäten veröffentlicht (1). In der Sparte Naturwissenschaften und Mathematik schnitt die ETH sehr gut ab, in den Bereichen Technologie und Informatikwissenschaften sowie Life Sciences und Agrarwissenschaften eher durchschnittlich (Plätze in der Gruppe 51 bis 75). (2)Für die Life Sciences und Agrarwissenschaften erhielt die ETH Zürich nicht einmal eine Bewertung. Über den Sinn und Unsinn des neuen Rankings sagt Raymond Werlen, Adjunkt des Generalsekretärs der Rektorenkonferenz der Schweizer Universitäten CRUS (3): Man solle sie ernst nehmen, aber nicht für bare Münze.

Die Schweiz erhielt beim ersten Shanghai Fachranking 11 Nennungen in den besten 100. Wie beurteilen Sie dieses Resultat?

Ramyond Werlen: Verglichen mit anderen europäischen Ländern ist die Platzierung der Schweiz in diesem Ranking ehrenvoll. Es ist aber ratsam, die Rangliste vorsichtig zu interpretieren. Sie ist nicht so eindeutig, wie es scheint. Die Resultate hängen ab von den Indikatoren und deren Gewichtung durch die Verantwortlichen des Rankings. Bisher wurden nicht alle Verzerrungen in Betracht gezogen. Der Anteil der nicht-angelsächsischen Universitäten in den Naturwissenschaften und dem Ingenieurwesen liegt bei einem Drittel, bei den Sozialwissenschaften nicht einmal bei einem Achtel. Bedeutet das, dass die Forschung in diesen Fächern in den angelsächsischen Ländern wirklich leistungsfähiger ist oder heisst es, dass es hier ein sprachliches oder kulturelles Ungleichgewicht gibt?

Die ETH Zürich ist mit einem Platz zwischen 50 und 75 in der Sparte Technologie und Computerwissenschaften erstaunlich schlecht platziert. Wieso?

Wenn Sie die Daten genauer anschauen, dann erkennen Sie, dass sich die ETH mit den besten Universitäten bei der Anzahl von Publikationen in den besten Zeitschriften messen kann. Sie erreicht hier immerhin 89 Prozent bezogen auf die beste Universität. In dieser Sparte scheint es eher an viel zitierten Forschern zu mangeln. Kann man daraus ableiten, dass es der ETH in Technologie und Informatik an hochkarätigen Wissenschaftlern fehlt? Das wäre ein Fehlschluss. Man könnte sich auch vorstellen, dass die guten ETH-Forscher ihre besten Publikationen normalerweise in einer Zeitschrift veröffentlichen, die in einem anderen Bereich des ISI klassiert ist. Nur eine detaillierte Analyse der ETH-Publikationen würde es erlauben, welche der beiden Interpretationen die richtige ist.

Muss die ETH in diesem Bereich etwas unternehmen?

Bevor man beginnt, in der Informatik und dem Ingenieurwesen aufgrund dieses Ranking etwas zu unternehmen, ist es ratsam, mit einer sorgfältigen Analyse der Forschungsleistung zu beginnen. Das tut die ETH meines Wissens ja übrigens bereits jetzt.

Nehmen Sie solche Rankings ernst?

Die Rankings sind mit Vorsicht zu geniessen. Aber sie werden verwendet und können für den Ruf einer Institution Konsequenzen haben. Man sollte sie deshalb ernst nehmen. In der Zukunft ist es wichtig, dass die Schweizer Universitäten die Leistungsbeurteilung der Forschung verbessern. Dies im Hinblick darauf, Rankings besser zu verstehen und angemessen darauf zu reagieren.