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Rubrik: News
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Publiziert: 06.01.2004 06:00

Möbius-Bänder in der Chemie
Verdrillt

(mib) Die geschlungene Form des Möbius-Bandes beeindruckt und fasziniert viele Personen. Max Bill und Doris Voelkel zum Beispiel wurden von der Form für ihre Kunst beeinflusst, genauso wie der Erbauer des Fussbodenmosaiks des Markusdoms in Venedig oder der Shir-Dor-Moschee in Samarkand. Doch nicht nur Künstlerinnen und Künstler sind von den symmetrischen Formen angetan, die der Leipziger Mathematiker August Ferdinand Möbius (1790-1868) beschrieben hat. Auch Chemiker schwärmen von ihrer Schönheit. Zum Beispiel Greta R. Patzke vom Laboratorium für Anorganische Chemie der ETH Zürich (1). „Das Möbius-Band ist eine einseitige Minimalfläche, die als Modell einfach durch Verdrillung eines langen Papierstreifens und anschliessendes Verkleben der Enden hergestellt werden kann“, definiert sie in einem Artikel in der Zeitschrift „Angewandte Chemie“ (2). Die Form des Möbius-Bandes, seine Struktur, ist vor allem für Festkörperchemiker und -physiker interessant, denn man erhofft sich von den verdrillten Bändern neue Materialeigenschaften.

Erstmals herstellen konnten Chemiker ein solches Band 1982. Forschern um David M. Walba von der University of Colorado gelang es damals, einen Kronenether zu einem Möbius-Band zu formen. Über seine Arbeiten berichtete der Forscher im „Journal of the American Chemical Society“ (1982, 104: 3219-3221). Nun sind zwei neue Publikationen über Möbius-Bänder erschienen. Rainer Herges von der Universität Kiel gelang es zusammen mit Wissenschaftern des Max Planck-Institutes für Festkörperforschung in Stuttgart, aus zwei Bausteinen ein Möbius-Band herzustellen (aus einem Annulen und Tetradehydrodianthracen). Eigentlich müsste das aromatische Molekül durch die entstandene Verdrillung instabil sein, meint Herges. Dies sei aber nicht der Fall. Die „verwischte“ aromatische Elektronenwolke um die Schleife bewirke eine Stabilisierung, berichtete er kürzlich im Magazin „Nature“ (2003, 426: 819-821). In einem begleitenden News-and-Views-Artikel kommentierte David M. Lemal vom Dartmouth College in Hanover, New Hampshire, die


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MatheMagie: Das Möbius-Band hat – wie viele Dinge – scheinbar seine zwei Seiten. Bild: Thomas Hofer/Technorama Winterthur

Entdeckung: „Organische Chemiker sind seit vierzig Jahren von der Idee aromatischer Moleküle mit der Topologie eines Möbius-Bandes fasziniert. Noch niemals wurde ein derartiges Molekül isoliert – bis heute.“

Auch die Herstellung eines anorganischen Möbius-Bandes aus Niobselenid ist einer Forschergruppe um Satoshi Tanda von der Hokkaido University gelungen (Nature, 2002, 417:397). Die japanischen Forscher erhitzten dabei die Elemente Niob und Selen bei 740 Grad Celsius in einer luftleeren Quarzampulle. „Dadurch wird die Zirkulation des Selens in der Ampulle ermöglicht, das nun gasförmig und zugleich in Form mikrometerkleiner Tröpfchen vorliegt“, berichtet Greta R. Patzke vom Laboratorium für Anorganische Chemie rückblickend in der Zeitschrift „Angewandte Chemie“. „Diese verhalten sich im nächsten Schritt wie ein in situ gebildetes Template: Auf ihrer Oberfläche wachsen bandförmige NbSe3-Kristalle, bevorzugt in äquatorialer Lage, um die Oberflächenspannung zu minimieren.“ Die Chemikerin glaubt, dass die Kristalle als Kathodenmaterial in wiederaufladbaren Lithiumbatterien verwendet werden könnten.


Literaturhinweise:
Ebenfalls mit Möbius-Bändern befasst sich der Artikel „Rechnen mit Schrödinger-Katzen“, erschienen in ETH Life vom 18. Februar 2002:www.ethlife.ethz.ch/articles/RechnenmitSchrdinge.html

Fussnoten:
(1) Laboratorium für Anorganische Chemie: www.inorg.chem.ethz.ch/solid/home.html
(2) „NbSe3-Möbius-Bänder: Morphologiedesign und Festkörperchemie“, Angewandte Chemie, 2003, 115: 1002-1004



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