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Rubrik: News
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Publiziert: 08.10.2003 06:00

Nobelpreis für Physik für Supraleitung und Suprafluidität
Forschen in der absoluten Kälte

(mib) Für ihre „bahnbrechenden Arbeiten in der Theorie über Supraleiter und Supraflüssigkeiten“ wurden gestern Dienstag Alexei A. Abrikosov, Vitaly L. Ginzburg und Anthony J. Leggett mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet (1). Der Preis ist mit umgerechnet 1,7 Millionen Franken dotiert und wird den Laureaten zu gleichen Teilen zugesprochen.

Die Grundlage der Supraleitung wurde 1911 vom niederländischen Physiker Heike Kamerlingh Onnes gelegt (Physik-Nobelpreis 1913). Er beobachtete, dass der elektrische Widerstand von Metallen bei Temperaturen in der Nähe des absoluten Nullpunktes deutlich abnimmt und bei etwa 4 Kelvin gegen Null tendiert. Onnes bezeichnete dieses Phänomen als „Supraleitung“. 50 Jahre später präsentierten die Physiker John Bardeen, Leon Neil Cooper und John Robert Schrieffer (Physik-Nobelpreis 1972) die dazugehörende Theorie: Die Ladungsträger im Supraleiter basieren auf Elektronenpaaren und nicht wie bei Raumtemperatur auf einzelnen Elektronen. Solche Elektronenpaare – sie werden als Cooper-Paare bezeichnet – bilden sich, weil über die Verformung des aus positiven Atomrümpfen bestehenden Metallgitters durch ein Elektron eine schwache Anziehungskraft auf andere Elektronen ausgeübt wird. Dieser Zustand ist sehr stabil und verursacht den Meissner-Ochsenfeld-Effekt. Darunter versteht man die Eigenschaft, dass das Innere eines Supraleiters auch dann feldfrei bleibt, wenn er in ein äusseres Magnetfeld gebracht wird. Supraleiter, die dies erfüllen, werden als Typ-I bezeichnet.

„Die Theorie, die darauf aufbaut, dass Elektronenpaare gebildet werden, erwies sich jedoch zur Erklärung der Supraleitung in den technisch wichtigsten Materialien als unzureichend“, schreibt die Royal Swedish Academy of Science in ihrer Würdigung. Vitaly Ginzburg und Lev Landau (Landau erhielt für eine andere Arbeit 1962 den Nobelpreis für Physik) entwickelten in den späten 1940er-Jahren die bestehende Typ-I-Theorie weiter und beschrieben in den 1950er-Jahren eine allgemeine Theorie für Phasenumwandlungen – insbesondere für Supraleiter.

Unter Anwendung dieser Theorie beschrieb Alexei Abrikosov „die Theorie für Typ-II-Supraleiter“, die erst einige Jahre später experimentell nachgewiesen wurde. Der supraleitende Zustand bleibt bei Typ-II-Supraleitern in viel höheren Magnetfeldern stabil als dies in Typ-I-Supraleitern der Fall ist. Aus diesem Grund sind nur diese Supraleiter für technische Anwendungen im Hochstrombereich anwendbar. „Der Preis für Ginzburg und Abrikosov war schon lange überfällig“, findet Hans-Rudolf Ott, Vorsteher des Departements Physik der ETH Zürich.

Vitaly Ginzburg (geb. 1916) studierte an der Universität Moskau Physik (unter Friedens-Nobelpreisträger Andrej Sacharow) und war an verschiedenen russischen


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Als hätte das Metallstuck Flügel: Im supraleitenden Zustand gleitet es über die Oberfläche. Bild: Technorama Winterthur gross

Forschungseinrichtungen tätig (2). Unter anderem hat er einen wesentlichen Beitrag zum Bau der sowjetischen Wasserstoffbombe geleistet. Zuletzt war er am P. N. Lebedev Physical Institute in Moskau tätig. Ginzburg wurde seit dreissig Jahren regelmässig für den Nobelpreis vorgeschlagen. Alexei Abrikosov (geb. 1928) studierte ebenfalls in Moskau Physik und Mathematik und war bis 1991 Leiter der Abteilung Theoretische Physik am Moskauer Institut für Stahl und Legierungen (3). Bis zu seiner Emeritierung war er am Argonne National Laboratory in Argonne, Illinois, tätig; er ist Ehrendoktor der Universität Lausanne.

Mit Suprafluiden befasst sich der Physiker Anthony Leggett – den Nobelpreis erhält er für seine Beschreibung von superfluidem 3-Helium. Das Edelgas Helium kommt hauptsächlich als 4-Helium (zwei Protonen und zwei Neutronen) vor, es existiert aber auch ein 3-Helium-Isotop (zwei Protonen und ein Neutron). Bereits in den späten 1930er-Jahren beschrieben Lev Landau und Pyotr Kapitsa (Physik-Nobelpreis 1978) die Superfluidität von 4-Helium. Erst 1972 gelang es David Lee, Douglas Osheroff und Robert Richardson (Physik-Nobelpreis 1996), flüssiges 3-Helium in den superfluiden Zustand zu überführen. In diesem superfluiden Zustand verlieren Flüssigkeiten ihre Viskosität.

„Eigentlich hätte Leggett zuammen mit Lee, Osheroff und Richardson den Nobelpreis bekommen müssen“, sagt ETH-Physikprofessor Hans-Rudolf Ott, „denn Leggett lieferte die ersten Ansätze zur theoretischen Erklärung, wie die 3-Helium-Atome im superfluiden Zustand wechselwirken und geordnet werden“. Ein gemeinsamer Nobelpreis war jedoch nicht möglich, weil der Preis maximal an drei Personen verliehen werden kann. Anthony Leggett (geb. 1938) studierte an der britischen Universität Oxford und ist seit 1983 MacArthur Professor an der University of Illinois in Urbana-Champaign (4).


Fussnoten:
(1) Nobelpreis für Physik 2003: www.nobel.se/physics/laureates/2003/press-ge.html
(2) Vitaly Ginzburg: www.tamm.lpi.ru/staff/ginzburg.html
(3) Alexei Abrikosov: www.msd.anl.gov/groups/cmt/people/abrikosov.html
(4) Anthony Leggett: www.physics.uiuc.edu/People/Faculty/profiles/Leggett/



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