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Rubrik: News
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Publiziert: 22.01.2004 06:00

Regierung auf Nachhaltigkeitskurs? Joseph E. Stiglitz ist sich da nicht so sicher.
„Eine einzige, grosse Blase“

(mib) Das gibt es selten, dass sich schon eine halbe Stunde vor Referatsbeginn eine riesige Menschenmenge vor der Aula der Universität versammelt und der Saal innert nur fünf Minuten bis auf den letzten Sitzplatz besetzt ist. Gestern war dies der Fall – und das erst noch um die Mittagszeit. Als erster Referent hielt Wirtschafts-Nobelpreisträger Joseph E. Stiglitz (1) im Rahmen der Vorlesungsreihe „Sustainability Dialogue with Leaders and Pioneers“ seinen Vortrag über den politischen Weg zur Nachhaltigen Entwicklung. Organisiert hatte die Veranstaltung das Sustainability Forum (2), das Center for Corporate Responsibility and Sustainability der Universität Zürich (3), ETHags (4) und Novatlantis des ETH-Bereichs (5).

Stiglitz provoziert und kritisiert gern. Das gibt er zu – obschon er selbst Kritik nicht besonders gut vertrage und ein sehr sensibler Mensch sei, wie er kürzlich in einem Interview mit der Hauszeitung „The Bottom Line“ der Columbia Business School sagte. Stiglitz holt aus: „Als der Internationale Währungsfonds (IWF) im September 1997 seine Politik festlegte, wusste er nicht, was für die einzelnen Länder gut und was schlecht ist; man hatte absolut keine Ahnung“, sagte er in der Aula der Uni Zürich. Nicht viel besser stehe es um die Politik der Weltbank, welche den freien Markt als Lösung für alle Übel predige. Und den meisten internationalen Organisationen fehle es an Demokratieverständnis. Zum Beispiel werde der Sicherheitsrat der UNO, das wichtigste Gremium der Staatengemeinschaft, hauptsächlich von den fünf ständigen Mitgliedern (USA, Russland, Grossbritannien, Frankreich und China) geprägt, und der IWF, der betriebsblind und ideologisch Entscheide umsetze, werde von den USA dominiert, welche die meisten Mitglieder stelle. Auch die Wirtschaftspolitik der USA während den Neunzigerjahren bekommt ihr Fett weg: „Es ging vieles schief, es war eine einzige, grosse Blase“, sagte der Wirtschaftswissenschafter und meinte: „Eigentlich hätte man die Fehler Mitte der Neunzigerjahre sehen müssen. Das wollte man aber nicht.“ In seinem kürzlich erschienenen Buch „The Roaring Nineties“ schreibt Stiglitz sogar, dass Clinton die „Saat der Zerstörung“ gelegt habe und am Börsencrash vor drei Jahren sowie an Skandalen wie bei Enron erhebliche Mitschuld trage. Dennoch will er die Arbeit des damaligen US-Präsidenten Bill Clinton nicht nur verurteilen: „Ich gehe zwar streng um mit Clinton, aber verglichen mit Bush verdient er eine Eins.“


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Joseph E. Stiglitz: Prominenter Kritiker des freien Marktes. Der Wirtschaftswissenschafter war Chefökonom der Weltbank und höchster Berater des damaligen US-Präsidenten Bill Clinton. gross

Trotz Kritik am bestehenden Wirtschaftssystem und an der Globalisierung: Was es bräuchte, dass die kritisierten Organisationen besser arbeiten würden und welche Politik Clinton zum Erfolg geführt hätte, das sagte der Referent nicht.

Joseph E. Stiglitz gilt heute weltweit als einer der bekanntesten Ökonomen und prominentesten Kritikern des freien Marktes. Er wurde am 9. Februar 1943 in der kleinen Industriestadt Gary, Indiana, geboren, studierte am Amherst College und am MIT Wirtschaftswissenschaften und wurde mit 26 Jahren Professor in Yale. Von 1993 bis 1997 war er Bill Clintons Chefberater für Wirtschaftsfragen, und von 1997 bis 2000 war er Chefökonom der Weltbank. Für seine Arbeiten über „asymmetrische Informationen“ wurde der heute 61-Jährige 2001 mit dem Wirtschafts-Nobelpreis ausgezeichnet. Seit drei Jahren ist Stiglitz Professor an der Columbia University in New York.

Nach einem kurzen Aufenthalt in Zürich – Stiglitz reiste am Montagnachmittag vom Weltsozialforum in Bombay an – geht für Stiglitz das Programm in Davos am Weltwirtschaftsforum weiter. Dort wird er am Sonntag, 25. Januar, am Open Forum über “Globalization or Deglobalization for the Benefit of the Poorest” referieren.


Literaturhinweise:
Zum gleichen Thema ist in „ETH Life“ vom 20. Januar 2004 der Beitrag „Raumschiff Erde“ erschienen: www.ethlife.ethz.ch/articles/tages/nachhaltig_wirtschaft.html
Diese Tage erscheint im Siedler-Verlag Joseph E. Stiglitzs Buch „Die Roaring Nineties – Der entzauberte Boom“ (geb., 24 Euro). Bereits im März 2002 erschien bei Siedler „Die Schatten der Globalisierung“ (geb., 19.90 Euro), das ab August 2004 bei Goldmann auch als Taschenbuch vorliegt (9.95 Euro). Beide Verlage gehören zur Gruppe Random House: www.randomhouse.de/book/editionsearchresult.jsp?pat=stiglitz

Fussnoten:
(1) Homepage von Joseph E. Stiglitz: www-1.gsb.columbia.edu/faculty/jstiglitz/
(2) The Sustainability Forum: www.sustainability-zurich.org/
(3) Center for Corporate Responsibility and Sustainability der Universität Zürich: www.ccrs.unizh.ch/
(4) ETHags: www.ags.ethz.ch/de/index.cfm
(5) Novatlantis, Nachhaltigkeit im ETH-Bereich: www.novatlantis.ch/pag_d/intro.html



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