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„Die Zukunftsmaschine“ – Annäherung an 150 Jahre ETH Labor der Gesellschaft |
(nst) Die ETH-Technikhistoriker David Gugerli, Patrick Kupper und Daniel Speich konnten gestern im Rahmen des „Tags der Forschung“ das wissenschaftliche Hauptprodukt des ETHistory-Jubiläumsprojekts präsentieren. „Weder ein Skandalbuch noch eine Jubelschrift, (...) weder ein dokumentarischer Exzess noch eine auf Vollständigkeit angelegte Chronik“ wolle das Werk sein, betonen seine Autoren. Der 524 Seiten starke Band trägt den Titel: „Die Zukunftsmaschine. Konjunkturen der ETH Zürich 1855–2005“. (1) Dass sich das Buch der unzweideutigen Einordnung entzieht, überrascht nicht. Nach so manch einem Jubiläum verschwand die obligate, inhaltlich oft laue und in der Regel aufwendige Publikation bald in der Bedeutungslosigkeit - oft zu Recht. Dem gestern vorgestellten Buch der ETH-Technikhistoriker ist alles andere zu wünschen. Der Band ist eine sorgfältig gestaltete, erfrischend leserfreundliche, und dabei mit einer Vielzahl spannender Details gefüllte Schatztruhe der ETH-Geschichte. Sie „bietet nicht nur Fakten, sondern auch eine Deutung an“, freute sich ETH-Präsident Olaf Kübler anlässlich der Präsentation. „Ein cooles“ Buch: So würde das Urteil seiner Kinder lauten, meinte der Berliner Historiker Jakob Vogel, der als einer von zwei ersten „Testlesern“ seine Eindrücke schilderte. In seinen eigenen Worten nannte Vogel das Werk einen „Glücksfall in der Gattung der Universitätsgeschichten“. Es richte auch kritische Blicke auf die krummen und geraden Wege der ETH-Entwicklung. Die Gliederung des Bandes verglich Vogel mit drei konzentrischen, sich gegenseitig immer wieder ins Gehege kommenden Kreisen. Den Kern bildet die Gründungsphase bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts, in welcher das Polytechnikum national fundiert wurde und sich akademisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich legitimierte; der mittlere Kreis bezeichnet die kontinuierliche Entwicklung bis zur institutionellen Krise Ende der 60-er, Anfang der 70-er Jahre und der dritte schliesslich die Entfaltung des Wissensgenerators ETH in der postindustrialisierten Welt.
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Auch der Historiker Sebastian Brändli, heute Chef des Hochschulamtes des Kantons Zürich, schätzt an der Studie, dass sie „keine Hagiographie“ betreibe und vermeintlich gesicherte Lesarten aufbreche – im besonderen die Vorstellung einer linearen, einzig vom Fortschrittsglauben geprägten Entwicklung. Zu allen Phasen der ETH-Geschichte gehört der Umgang ihrer Exponenten mit dem Zukunftsbegriff. Die Autoren verstehen die ETH denn auch als komplexe „Zukunftsmaschine“, „deren Mechanik der wohldosierten Vermittlung und Produktion von Wissen zuhanden einer bundesstaatlichen, industriellen und akademischen Funktionselite diente“, wie sie in der Leseanleitung schreiben. Das Funktionieren dieser Maschine ist und war immer von zahlreichen inneren und äusseren Faktoren abhängig und einem ständigen Wandel, Störungen und notwendigen Anpassungen unterworfen. Dieses Zusammenspiel nachzuzeichnen und seine Strukturen und Regeln herauszuschälen, hat sich das Autorenteam um David Gugerli zur Aufgabe gemacht. Als eine typische Institution der Moderne weisen sie der ETH auch die Funktion eines „Laboratoriums der Gesellschaft“zu. Insofern gibt der Band nicht nur Aufschlüsse über die „Herstellung von Zukunft“ an einer Hochschule im Lauf von eineinhalb Jahrhunderten, sondern auch zu Modernisierungsprozessen, die weit darüber hinaus auch in Gesellschaft, Kultur und Wirtschaft wirksam wurden. |
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Literaturhinweise:
Fussnoten:
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