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Rubrik: Montags-Porträts Nobelpreisträger Günter Blobel hält die diesjährigen Wolfgang Pauli-Vorlesungen. Nobelpreisträger ohne Ruhestand |
Published: 15.01.2001 06:00 Modified: 14.01.2001 10:29 |
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Günter Blobels Entdeckung der Zelladressierung unterstützt die Bekämpfung von Alzheimer und AIDS. Privat geniesst Blobel das Piemont und fördert den Wiederaufbau von Dresden. An den Ruhestand denkt er noch lange nicht, denn Günter Blobel hat noch vieles vor. Von Jakob Lindenmeyer (www.jakob.lindenmeyer.ch/) "Nur wenn man die Zelle besser versteht, kann man auch Krankheiten verstehen und bekämpfen", erklärt der 64jährige Zellbiologe Günter Blobel die Erkenntnis, dass sich viele Krankheiten auf die molekulare Ebene reduzieren lassen. Blobels Entdeckung der Adressierung in der Zelle hat im weiteren auch direkte Auswirkungen auf die Bekämpfung von Krankheiten wie Alzheimer, Zystische Fibrose, Herpes und AIDS. Podium zur AufklärungFür seine Entdeckung, dass Proteine mit einer Art Strichcode ihren Transport durch die Zelle organisieren erhielt Günter Blobel 1999 den Nobelpreis für Physiologie und Medizin. Blobel und sein Team beschrieben das Adressierungssystem innerhalb der Zelle, das sowohl bei Hefepilzen, als auch in pflanzlichen und tierischen Zellen nach demselben universalen Muster funktioniert. Die "Postleitzahl" von Proteinen besteht aus einer Abfolge von zehn bis 30 Aminosäuren, der sogenannten Signalsequenz. Blobels Entdeckung ist auch wichtig für den Einsatz von Zellen als Proteinfabriken zur Produktion wichtiger Medikamente.
Der Nobelpreis hat Blobel viele Türen geöffnet. Im Gespräch mit ETH Life erklärt Blobel: "Ein Nobelpreis bringt auch die Verpflichtung mit sich, der Bevölkerung die Wissenschaft näher zu bringen." Im Volk bestehe noch erheblicher Erklärungsbedarf über die Wissenschaft. Dazu kann Blobel seine Bekanntheit nutzen: "Der Nobelpreis hat mir ein Podium geschaffen, um die Leute aufzuklären."
Wie die meisten Forschungskoryphäen ist Blobel Mitglied zahlreicher wissenschaftlicher Organisationen. Unter anderem ist er auch Präsident der Vereinigung "Friends of Dresden", einer amerikanischen Initiative zur Wiederaufbau des architektonischen Erbes von Dresden. Warum dieses Engagement? Blobel ist in einer ostdeutschen Kleinstadt aufgewachsen. Während dem zweiten Weltkrieg flüchtete er als Neunjähriger vor der roten Armee aus Schlesien nach Dresden. "Ich hatte bisher noch nie eine Stadt gesehen und Dresden war eine der schönsten deutschen Städte überhaupt. Ich war tief beeindruckt." Wenige Tage später sah er aus 30 Kilometer Entfernung den roten Feuerschein der Bombardierung Dresdens. "Man konnte nachts die Zeitung lesen, so hell war der Himmel durch den Bombenhagel." Als Blobel später wieder in Dresden war, sah er nur noch Trümmerhaufen: "Es war ein erschütterndes Bild!" Damals beschloss er sich für den Wiederaufbau von Dresden einzusetzen, was er aber erst nach der Wiedervereinigung tun konnte. Trüffel und BaroloAus politischen Gründen durfte Blobel in der DDR nicht studieren, weshalb er in den Westen emigrierte. In Tübingen studierte er Medizin und doktorierte anschliessend auf dem Gebiet der Krebsforschung an der University of Wisconsin. Seit 33 Jahren arbeitet er an der Rockefeller University in New York, zuerst als Postdoktorand, anschliessend über aufsteigende Professorentitel bis zur renommierten "John D. Rockefeller Junior"-Professur seit 1992. Trotz der Emigration nach Übersee hat Blobel noch eine starke Beziehung zu Europa. Seine Frau betreibt in New York ein berühmtes piemontesisches Restaurant (http://newyork.citysearch.com/profile?id=7186179) , wo als Spezialität die auch von Blobel verehrten weissen Trüffel, Pasta und edlen Barolo-Weine serviert werden. Auch erholt sich Blobel immer wieder im norditalienischen Heimatdorf seines Schwiegervaters. "Gerne möchte ich mehr Zeit im Piemont verbringen, aber wenn man in der Forschung an der Spitze bleiben will, muss man sie intensiv betreiben, sonst fällt man zurück", seufzt Blobel. Doch die Freude an seiner Forschung tröstet ihn über die spärliche Freizeit hinweg. Kein RuhestandBlobel erreicht zwar dieses Jahr das Pensionsalter, den Lebensabend im Piemont zwischen Pasta und Barolo zu geniessen ist für den Wissenschaftler mit Leib und Seele aber noch kein Thema: "In den Vereinigten Staaten gibt es keinen Ruhestand." Sein Team habe einige sehr interessante Projekte, die noch fünf bis zehn Jahre brauchen. "Solange es mir Spass macht, werde ich zunächst einmal weiterarbeiten." Nebenbei will er zukünftig vermehrt auch Projekte ausserhalb der Forschung anpacken. Aufgrund seines Einsatzes für Dresden wird Blobel nun auch von andern deutschen Städten angefragt. Abschliessend betont er: "Langweilig wird es sicher nicht!"
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