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Rubrik: Montags-Porträts

Ökologe Andreas Fischlin
Kreativer Klimapolitiker

Published: 05.02.2001 06:00
Modified: 06.02.2001 14:00
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Andreas Fischlin betreibt Spitzenforschung und ist dennoch kein Spezialist. Er hat seine Forschungsinteressen an der ETH - so die Modellierung von Ökosystemen - vereinen können mit einem Engagement in der internationalen Umweltpolitik: Als Vertreter der Wissenschaft war er für die Schweiz an den internationalen Verhandlungen zur Umsetzung des Klimaprotokolls von Kyoto dabei.



Von Ulrich Meier

Bei Andreas Fischlin hat sich das Interesse für Ökologie schon früh abgezeichnet. Bereits als Erstklässler hat er Pläne für einen Zoo entworfen - aber nicht etwa für einen gewöhnlichen Zoo. Der junge Zoodirektor wollte das Zusammenleben von Raubtieren und Beutetieren zeigen und sah zum Beispiel vor, Tiere wie Eulen, Adler, Schlangen und Mäuse gemeinsam in grossen Gehegen unterzubringen. Später, nach dem Abschluss des Biologiestudiums an der ETH, ergänzte der angehende Ökologe ebenso zielstrebig wie eigenwillig seine als unzureichend empfundene mathematische Ausbildung: Als erster Nicht-Elektroingenieur absolvierte er das Nachdiplomstudium "Automatik". "Bei Ökosystemen kommt man eben nur mit exakter mathematische Modellierung weiter", fasst er seine schon als Student gewonnene Erkenntnis zusammen.

Kein Wunder, dass der junge Wissenschafter - einige Jahre später nach seiner Rückkehr von mehreren Jahren Forschungsarbeiten im Ausland - die Chance erhielt, beim Aufbau des Departements für Umweltnaturwissenschaften mitzuhelfen und eine massgebliche Rolle beim Entwurf des neuen Studienganges zu übernehmen. Mit 32 Jahren beginnt er selber zu unterrichten. An den "grünen" Abteilungen XA, XB und VII gibt er heute Vorlesungen über globale Ökologie und Systemökologie und vermittelt den Studierenden die Methoden der strukturierten ökologischen Modellierung.

Aus Wäldern wird Steppe

Ende 1988 hat Andreas Fischlin die Leitung der neu gegründeten Gruppe Terrestrische Systemökologie übernommen, die dem Institut für Terrestrische Ökologie angegliedert ist. Etwa zu jener Zeit habe er begonnen, sich auch mit Klimaänderungen zu befassen, sagt er im Gespräch in seiner Wohnung im Zentrum von Albisrieden, wo er mit seiner Frau und zwei Töchtern wohnt. "Dabei hat der Umstand, dass Klima etwas ist, das physikalisch relativ gut und exakt beschreibbar ist, durchaus eine Rolle gespielt", fügt er erläuternd hinzu.

Mittlerweile hat er zur Frage, wie sich die vom Menschen verursachten Klimaänderungen auf Wälder auswirken könnten, wesentliche neue Erkenntnisse beigetragen. Seine Untersuchungen, z.B. im Rahmen des SPP Umwelt, haben ergeben, dass Waldökosysteme auf mögliche Klimaänderungen auf unerwartete und sehr unterschiedliche Weise reagieren könnten: In subalpinen Wäldern werden vertraute Arten vielleicht ganz verschwinden und andere, fremde, sich ausbreiten; in den zentralen Alpentälern wird der Wald vermutlich sogar ganz verschwinden und einer steppenartigen Vegetation weichen.

Die Klimapolitik vorwärts bringen

Aufgrund seiner Arbeiten über die Auswirkungen von Klimaänderungen auf Wälder war Fischlin geradezu prädestiniert, bei den letztjährigen Verhandlungen über die Umsetzung der internationalen Klimakonvention und des Kyoto-Protokolls mitzuwirken. Als Vertreter der Wissenschaft in der Schweizer Verhandlungsdelegation hat er sein Wissen in die Diskussion besonders umstrittener Themen eingebracht - etwa der Anrechnung von Senken als Beitrag zur Reduktion der Kohlendioxidemissionen. (Senken sind jene Vorgänge in Wäldern oder landwirtschaftlich genutzten Böden, die der Atmosphäre Kohlendioxid entziehen und so Kohlenstoffspeicher in Form von Holz oder Humus bilden.)

Diesen Abstecher in die internationale Politik empfindet Fischlin heute als Bereicherung, die er nicht missen möchte. Das Mandat, das er neben seiner Forschungs- und Lehrtätigkeit ausgeübt hat, hat ihn aber auch an die Grenzen der Belastbarkeit gebracht: "Keinen einzigen Tag habe ich letztes Jahr Ferien machen können." Ob er in der nächsten Runde der Verhandlungen wieder dabei sein wird, ist zur Zeit noch offen - aber das Thema Senken wir ihn sicher weiter beschäftigen. Gemeinsam mit Kollegen und Kolleginnen von der ETH sowie dem Landesforstinventar will er eine Methode finden, wie das Potenzial der Senken in der Schweiz genauer abgeschätzt werden kann.

Vkologe Andreas Fischlin
Prophezeit aufgrund des Klimawandels dramatische Folgen für unsere Wälder: Ökologe Andreas Fischlin

Im Gespräch ist ein gewisses Bedauern spürbar, dass fast alles, was er realisieren konnte, "auf der Seite der mathematischen Modellierung und Simulation" gewesen ist. Der System- und Modelltheoretiker hat jedoch auch ein Flair für Feldarbeit, und sein Ziel wäre es, für sich eine Balance herzustellen zwischen diesen beiden Polen.

Zwischendurch auf Engadiner Bäumen

Eine eher sportliche Feldarbeit betreibt er immerhin, wenn er im Engadin einmal im Jahr auf die Bäume klettert und Äste abschneidet. Mit diesem Material untersucht er die zyklischen Veränderungen der Lärchenwickler-Population. Dieses Insekt frisst im Raupenstadium die Nadeln der Lärche. Alle acht bis zehn Jahre wächst die Zahl der Lärchenwickler so rasch und stark an, dass es zu einem flächendeckenden Kahlfrass kommt. Dann zeigen sich die Lärchen als rotbraun verfärbte Skelette. Laut Fischlin versteht die Wissenschaft nicht, warum die Lärchenwicklerpopulation jeweils wieder zusammenbricht bevor grössere Schäden entstehen können. "Aber ich habe genug Evidenz, dass die Schädlinge nicht an einem Virusbefall zugrunde gehen, wie in den Lehrbüchern immer wieder behauptet wird", stellt er klar.

Ldrchenwicklerraupe am Werk
Lärchenwicklerraupe am Werk: Diese Raupen sind gefrässig und können ganze Wälder mitten im Sommer in rostbraun-graue Wälder verwandeln.

Dem Moloch mit Musik Paroli bieten

Was bleibt da noch an Freiraum für Privates, an Leben ausserhalb des Wissenschaftsbetriebs? Fischlins Antwort ist deutlich genug: "Die Naturwissenschaft ist ein Moloch, der einen auffrisst." Immerhin hat er vor ein paar Jahren in einer Art Befreiungsschlag dem Moloch ein wenig von seiner Lebenszeit abgerungen und wieder begonnen, selber Musik zu machen. Dabei bedient er sich virtuos der Elektronik: An den Wänden des grossen Raumes, den er zusammen mit seiner Frau als Büro benutzt, stehen nebst einem Keyboard zahlreiche elektronische Geräte, die ihm helfen, seine eigenen Kompositionen zu verwirklichen. Als sein Lieblingsinstrument bezeichnet er den Bass - selbstverständlich ein elektrischer.

References:
•  Das aktuelle, ab heute Montag erhältlich ETH-Bulletin ist dem Thema Klimawandel gewidmet. Anhand von Forschungsarbeiten aus der ETH wird gezeigt, wie Klimaexperten zu ihren Befunden kommen, welchen Einfluss El Niqo auf das Erdklima hat und welcher Zusammenhang zwischen Extremereignissen wie den Überschwemmungen und dem Klimawandel bestehen. Vgl www.cc.ethz.ch/bulletin/
•  Weitere Informationen zu Andreas Fischlins Forschungs- und Lehrtätigkeit am Institut für Terrestrische Ökologie finden Sie unter: www.ito.umnw.ethz.ch/SysEcol/People/Fischlin_Andreas.html/> (/>)
•  Andreas Fischlins persönliche Homepage mit Auszügen eigener Kompositionen: www.ito.umnw.ethz.ch/SysEcol/People/af/AndreasMusic.html
•  Einstiegsseite der UNO zum Klima-Abkommen von Kyoto: www.unfccc.de/


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