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Rubrik: Science Life
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Publiziert: 26.11.2003 06:00

Numerische Simulation von Luftströmungen in Gebäuden
Wenn es brennt im Schloss

Wie breitet sich der Rauch bei einem Brand in einem Gebäude aus? Wie können Parlamentarier mit genügend Frischluft versorgt werden? Und ist die Luft auf dem Operationstisch wirklich so rein wie sie sein sollte? Mit solchen Fragen beschäftigt sich die Gruppe Air & Climate der ETH Zürich. Sie berechnet mit Hilfe von numerischen Strömungsanalysen, wie die Luft in Gebäuden zirkuliert.

Von Felix Würsten

Jeden Monat wird allein in Schottland durchschnittlich ein historisch wichtiges Gebäude durch Feuer schwer beschädigt oder zerstört. Damit verbunden ist ein enormer kultureller Verlust, können diese Bauten doch häufig nicht wieder hergestellt werden. Im Rahmen eines europäischen Projekts (1) wollen nun Institutionen aus insgesamt 12 Ländern untersuchen, wie Brände in solchen Gebäuden mit minimal invasiven Techniken rechtzeitig erkannt und bekämpft werden können. "Das Hauptziel des Projekts ist es, die fortschreitende Zerstörung von wertvollem Kulturgut einzudämmen", erklärt Alfred Moser, Leiter der Gruppe Air & Climate (2) an der Professur für Haustechnik der ETH Zürich und Koordinator der Schweizer Beteiligung am Projekt. "Bei Gebäuden, welche für die Öffentlichkeit zugänglich sind, geht es zudem darum, die Sicherheit der Besucher zu gewährleisten."

Tagungsort als Fallbeispiel

Wie dies im konkreten Fall erreicht werden kann, darüber diskutieren die Projektpartner Anfang Dezember an einem Seminar im Schloss Schönbrunn in Wien. Den Tagungsort nutzen die Seminarteilnehmer dabei gleich als Objekt für eine Fallstudie. Im weitläufigen Schloss muss im Ernstfall nicht nur die wertvolle Bausubstanz geschützt werden, sondern es müssen auch zahlreiche Besucher rasch evakuiert werden. Am Seminar soll nun untersucht werden, inwieweit sich numerische Simulationen eignen, um verschiedene Brandszenarien und Abwehrmassnahmen zu evaluieren. "Mit unseren Strömungsanalysen können wir aufzeigen, wie sich Rauch in einem Gebäude ausbreitet und wie lange die Fluchtwege frei bleiben", meint Moser.

Auch simple Massnahmen, das zeigen solche Berechnungen immer wieder, können den Brandverlauf entscheidend beeinflussen. So ergab beispielsweise eine Simulation bei der als Theater genutzten Schiffbauhalle in Zürich, dass das Risiko für die Besucher im Foyer wesentlich grösser ist, wenn die Verbindungstür zur grossen Halle geschlossen ist. In diesem Fall füllt sich das Foyer innerhalb von wenigen Minuten vollständig mit Rauch. Den Besuchern bleibt also kaum Zeit zu flüchten. Ist die Türe hingegen offen, ist die Luft im unteren Teil des Foyers auch nach zehn Minuten noch nicht verraucht; eine Evakuierung der Besucher ist also möglich.

Zugluft im Stadion

"In den letzten Jahren hat man bei der Simulation von Strömungen grosse Fortschritte gemacht", erklärt Daniel Gubler von der Firma AFC Air Flow Consulting in Zürich (3). "Insbesondere können heute komplexe Geometrien und Formen mit vernünftigem Aufwand modelltechnisch nachgebildet werden." AFC, eine ETH Spin-off-Firma, die aus der Air & Climate Gruppe hervorgegangen ist, bietet Strömungsanalysen, wie sie an der ETH entwickelt werden, als kommerzielle Dienstleistung für Dritte an.

Die Anwendungen beschränken sich längst nicht nur auf Brandfälle. Die Firma hat beispielsweise untersucht, wie die Belüftung des Grossratssaals in Chur verbessert werden könnte. In eine ganz andere Richtung zielt hingegen die Simulation der Windverhältnisse im geplanten neuen Stadion Zürich. Das spektakuläre Projekt sieht zwischen dem fünfeckigen Tribünenbau und dem Sockel mit dem Einkaufszentrum einen horizontalen Zwischenraum vor. Bei starkem Wind könnte es deshalb im Stadion zu unangenehmen Zugerscheinungen kommen. "Mit unseren Simulationen zeigen wir auf, wie dies am besten verhindert werden kann."

Die Ansprüche steigen

"Die erwähnten Fortschritte wären ohne die enormen Leistungssteigerungen bei der Hardware undenkbar", meint Moser. "Das heisst allerdings nicht, dass die Berechnungen heute weniger Zeit beanspruchen. Denn parallel zu den technischen Fortschritten sind auch die Ansprüche gestiegen. Wir versuchen, immer neue Aspekte in die Modelle zu integrieren, damit die Berechnungen möglichst realistisch werden." Forschungsbedarf sieht Moser heute vor allem bei der Modellierung von Turbulenzen. "Instabile Schichtungen und damit verbundene turbulente Strömungen treten beispielsweise in Räumen mit Bodenheizung auf", erläutert er. "Die warme Luft am Boden steigt nicht gleichmässig im Raum auf. Um solche Vorgänge richtig wiederzugeben, braucht es verbesserte Modelle."


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Mit Hilfe von Modellrechnungen kann aufgezeigt werden, wie der Wind im geplanten Stadion Zürich wehen wird. (Bild: D. Gubler, AFC) gross

Ein relativ neues Tätigkeitsfeld der Gruppe sind Reinräume in Spitälern. "Eine aktuelle Anwendung ergab sich in Zusammenhang mit der SARS-Krise", erzählt Moser. Das Universitätsspital musste die Isolationsräume, in die verdächtige Patienten zur Abklärung gebracht werden, mit mobilen Filtergeräten ausrüsten, damit die Erreger nicht das Pflegepersonal und andere Patienten infizieren oder in andere Räume gelangen können. "Wir haben untersucht, wie schnell diese Geräte die Luft in den Isolationszimmern reinigen und ob es allenfalls Lufttaschen gibt, in denen sich Erreger ansammeln können", meint Moser.

Wie präzis muss das Modell sein?

Anwendungsmöglichkeiten sieht Moser auch bei der Gestaltung von Operationssälen. "Wir berechnen, ob mit einer bestimmten Belüftung wirklich nur saubere Luft auf den Operationstisch gelangt." Für die Modellierung stellt sich dabei das Problem, wie die operierenden Ärzte abgebildet werden. Reicht es, das Personal um den Tisch im Modell als einfache Zylinder darzustellen, oder müssen die Arme über dem Operationstisch auch noch berücksichtigt werden?

Das Beispiel zeigt, dass die Durchführung der Rechnungen nur ein Aspekt der Problemlösung darstellt. "Die erste Herausforderung für den Ingenieur ist die Frage, welcher Ansatz gewählt werden soll", erklärt Gubler. Wie baut man ein Modell auf, welche Szenarien sind überhaupt relevant für die Beurteilung und welche Annahmen müssen dabei getroffen werden - all das muss beantwortet werden, bevor der Computer in Gang gesetzt wird. "Gerade bei der Simulation von Bränden hängt viel von den Annahmen ab", meint Gubler. "Und diese Unsicherheiten müssen bei der Interpretation der Resultate unbedingt berücksichtigt werden."


Vielfältige Anwendungen

Numerische Strömungssimulationen werden nicht nur im Gebäudebereich eingesetzt. Auch bei der Entwicklung von Maschinen, Turbinen oder Flugzeugen stellen solche Modellrechnungen heute ein unerlässliches Arbeitsinstrument dar. Im Rahmen eines Seminars hat die Gruppe Air & Climate zusammen mit der Firma AFC und dem Softwarehersteller AMSYS am 11. November zum dritten Mal ein Seminar (4) durchgeführt, an dem sich interessierte Fachleute über die neusten Entwicklungen auf dem Gebiet informieren konnten. Präsentiert wurden etwa aerodynamische Untersuchungen beim Kampfjet F/A-18, Lüftungskonzepte für die pharmazeutische Produktion oder rechnergestütztes Design von Peltonturbinen.




Fussnoten:
(1) Homepage des Projekts: www.cost-c17-heritage.org/
(2) Homepage der Gruppe Air & Climate: www.airflow.ethz.ch/
(3) Homepage der Firma AFC: www.afc.ch/
(4) Informationen zum Seminar: www.afc.ch/news/seminare3.php



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