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Rubrik: Science Life
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Publiziert: 11.09.2003 06:01

Der 11. September gab Anstoss zu einer ETH-Studie
Neue Modelle entwickelt

Der 11. September 2001, der Tag an dem das World Trade Center durch Terrosisten zum Einsturz gebracht wurde, gab bei den Wissenschaftlern des ETH-Instituts für Baustatik und Konstruktion (IBK) den Anstoss, Grundlagen zur Einschätzung der Konsequenzen aussergewöhnlicher Ereignisse zu erarbeiten. Das laufende Projekt liefert eine einmalige Basis zur Entscheidung des benötigten Sicherheitsstandards ähnlicher Strukturen für die Zukunft.

Von Regina Schwendener

Der bekannte Einsturz des World Trade Center in New York zeigte die tragischen Folgen des völligen Versagens eines Hochhauses dieser Grösse. "Trotz der atypischen Ursache und der tragischen Konsequenzen sind wir vielleicht in der Lage unser Wissen durch dieses Ereignis zu verbessern, wodurch das Design ähnlicher Strukturen verbessert werden könnte", folgern Wissenschaftler des IBK - die Professoren Michael H. Faber und Mario Fontana, sowie deren wissenschaftliche Assistenten Oliver Kübler, und Markus Knobloch. Sie entwickelten neue Modelle, um die Konsequenzen für den Fall eines Versagens beurteilen zu können, arbeiten an Methoden, um einen optimalen Grad an Sicherheit zu erreichen.

Rationale Bemessungsgrundlagen für Tragwerke zu erarbeiten ist auch eine der Hauptaufgaben des Joint Committee on Structural Safety (JCSS)- einer internationalen Expertengruppe in der Professor Faber die Arbeitsgruppe „Risk Assessment of Civil Engineering Facilities“ leitet. Sie liefert Grundlagen und unterstützt Normenkommissionen (z.B. Eurocodes, ISO-Normen) und Behörden bei ihrer Arbeit und ihren Entscheidungen.

Eine realistische und einheitliche Einschätzung der Konsequenzen für den Fall des Versagens einer aussergewöhnlichen Struktur wie die des World Trade Center, einer Bohrplattform oder der Golden Gate Bridge sei aber bisher nicht durchgeführt worden. "Das IBK nimmt sich mit dem bis Ende 2003 laufenden durch den Schweizerischen Nationalfonds (SNF) finanzierten Projekt dieser Sache an und entwickelt eine einmalige und rationale Basis zur Entscheidung des benötigten Sicherheitsstandards ähnlicher Strukturen für die Zukunft", so Faber.

Die Graphik stellt die Einwirkung von Hitze auf ein Stück Stahl mit "verletzter" Isolation dar. gross

Realistische Einschätzung

Das international vorgestellte Modell berücksichtigt die wichtigsten Folgen eines ausserordentlichen Ereignisses, das auch durch ein Erdbeben oder eine Explosion hervorgerufen werden könnte. Die realistische Einschätzung davon ist die Voraussetzung einen optimalen Grad an Sicherheit für solche Strukturen zu errichten, zum Beispiel die Ecksteine in der Design Basis solcher Strukturen. Das Ziel des vorgeschlagenen Projektes ist laut Michael Faber, den Zusammenbruch des World Trade Centers in Zusammenhang mit den Konsequenzen zu analysieren. Als Konsequenzen gelten unter anderem die Folgen durch Verletzungen von Menschen, von Todesfällen, aber auch Rettung, Aufräumkosten, Verlust von Eigentum, Inventar, des Unternehmens, Verlust und Reduzierung der Funktionalität des betroffenen Gebäudes sowie der Gebäude in der Umgebung.


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Oliver Kübler, Markus Knobloch, Mario Fontana (mit einem Stück verbogenem Stahl aus dem World Trade Center) und Michael Faber (v. l.) entwickelten aufgrund der Ereignisse des 11. September im IBK neue Methoden zur Abschätzung von Sicherheit und Konsequenzen bei ausserordentlichen Ereignissen. gross

Faber bringt es auf einen Nenner: "Die Auswertungen beinhalten Kosten auf einer sozialen Basis, die den Verlust von Menschenleben, den Verlust der Firmen und materielle Verluste berücksichtigt. Auf diesen Erkenntnissen basierend wird ein optimaler Sicherheitsgrad für solche Strukturen in Studien durchgeführt." Entwickelt wurde ein Grundgerüst zur Beurteilung der Akzeptanzkriterien, dessen Ziel es ist, den Nutzen während eines Lebenszyklus der Struktur zu maximieren, wobei alle potentiellen Konsequenzen berücksichtigt werden.

Feuer bricht Widerstand

Eine zur Zeit am IBK unter der Leitung von Mario Fontana laufende Studie untersucht das strukturelle Verhalten und die Entwicklung von Methoden zur Berechnung des Feuerwiderstandes von Stahlstützen unter Beachtung des stellenweisen Verlustes der Brandschutzisolation - ebenfalls durch den 11. September angestossen. Fontana erklärt: "Wir haben festgestellt, dass schon ein teilweiser Verlust der Brandschutzisolation - und wenn es nur eine geringe Fläche betrifft - den Widerstand von geschützten Stahlstützen merklich verringert." Übliche Berechnungsmethoden berücksichtigen den teilweisen Verlust von vor Feuer schützendem Material nicht, der beispielsweise nach einem Anprall, versehentlicher Beschädigung, falscher Anwendung, Entfernung in der Nähe von Leitungen und Installationen entsteht... Die ersten Ergebnisse der Studie zum strukturellen Verhalten und zum Feuerwiderstand von Stahlstützen - unter Berücksichtigung des lokalen Verlustes von Brandschutzisolationen in einem kleinem Gebiet - würden zeigen, dass das Feuer zwar nur zu einer lokalen Erhöhung der Stahltemperatur im Bereich der beschädigten Brandschutzisolation führt, jedoch den Feuerwiderstand für Stützen beachtlich reduziert. Deshalb sei ein besseres Verständnis des Verhaltens von Stützen bei lokalem Verlust des Feuerschutzes wichtig, um die Verlässlichkeit von vor Feuer geschützten Stahlstrukturen zu beurteilen - dies besonders unter Berücksichtigung grossstädtischer Standorte und Infrastrukturen.

Design und Analyse

Unglückliche Ereignisse, wie Erdbeben, Explosionen, Feuer oder Einschlägen können den Zusammenbruch von einer oder mehreren Etagen in einem mehrstöckigem Gebäude verursachen. Wenn das passiert, entwickelt der obere Teil des Gebäudes eine enorme kinetische Energie. Wenn der untere Teil dieser Energie nicht standhält, resultiert daraus ein fortschreitender und vollständiger Zusammenbruch des Gebäudes. Mögliche Massnahmen zur Verhinderung eines derartigen Zusammenbruchs sieht Fontana, der für diesen Bereich mit Professor Dazio vom IBK zusammenarbeitet, in der Verstärkung der Struktur oder in Installationen eines abfedernden Systems: "Die Ergebnisse der Analysen zeigen auf, dass, sobald der Zusammenbruch einer Etage auftritt, die Installation eines abfedernden Systems ganz klar die kostengünstigste Strategie ist, den völligen Zusammenbruch eines Gebäudes zu verhindern." Auf der anderen Seite bewirkt die Verstärkungsstrategie, die nicht so kostengünstig ist, eine positive Veränderung der Struktur des Gebäudes. Sie verringert die Wahrscheinlichkeit des Zusammenbruches einer Etage und damit auch die Wahrscheinlichkeit eines völligen Zusammenbruches eines Gebäudes.

Um praktische und anwendbare Werkzeuge für Ingenieure und Architekten zu schaffen, werden die Baunormen auf normale Strukturen ausgerichtet. Dies zum Beispiel derart, dass Gebäude für normale Zwecke in gewöhnlichen Dimensionen und gewöhnlichem Design mit gut bekannten Materialien errichtet werden und so instand gehalten werden, dass ein adäquater und homogener Grad von Zuverlässigkeit mit akzeptablen Investitionen erreicht wird. Für aussergewöhnliche Gebäude und Infrastrukturbauten mit enormen Konsequenzen im Versagensfall sind darüber hinausgehende Überlegungen und Analysen erforderlich, welche in den Design einfliessen müssen. Die Studie des Instituts für Baustatik und Konstruktion der ETH schafft dazu wichtige Grundlagen für die Fachleute.




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