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Rubrik: Science Life |
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Antikörper gegen Prionen-Erkrankungen Bald Impfung gegen Rinderwahn? |
Der erste Schritt zu einer Impfung gegen Rinderwahnsinn und andere Prionenerkrankungen ist getan. Uni-Forscher Adriano Aguzzi und sein Team konnten Mäuse mit Antikörpern vor Prionen schützen. Dass vielleicht eine Impfung bald dringend nötig ist, legen epidemiologische Daten nahe. "Aufgrund der Tierexperimente müsste es eine riesige Katastrophe geben", erklärte der bekannte Prionenforscher Adriano Aguzzi an der heutigen Medienorientierung. Doch aufgrund der bisher lediglich 108 menschlichen Opfer der neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (nvCJD) müsse es etwas geben, das den Menschen vor einer schrecklichen Epidemie schütze, das die Forscher bisher aber noch nicht verstehen. "Für die Volksgesundheit wäre es trotzdem wichtig zu wissen, wie viele Personen sich mit bösartigen Prionen infiziert haben", meint Aguzzi. In der Schweiz ist darum eine anonyme Studie geplant, ähnlich einer bereits in Grossbritannien laufenden Untersuchung. "Schreckliche Tragödie" Weltweit sind bis jetzt 108 Menschen an der menschlichen Form des Rinderwahnsinns (nvCJD) gestorben. "Das ist zwar eine schreckliche Tragödie für die betroffenen Familien", kommentiert Aguzzi, "doch die Anzahl ist zu klein, um statistische Prognosen zuzulassen." Trotzdem präsentiert Aguzzi zwei Szenarien: Im besseren Fall wird angenommen, die Inkubationszeit beim Menschen betrage rund zehn Jahre. Dadurch wären wir heute- zehn Jahre nach dem BSE-Höhepunkt (lila Kurve im Bild oben rechts) - mit 108 Toten auf dem Maximum der Epidemie (schwarze Kurve in der Mitte). "Wenn die Inkubationszeit aber über 20 Jahre beträgt, werden wir sehr grosse Probleme haben", meint Aguzzi düster. Dann nämlich würde die Zahl der menschlichen Opfer während den nächsten Jahren epidemieartig zunehmen (hellblaue Kurve).
Der Erreger des Rinderwahnsinns (BSE) und der menschlichen Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJD) ist nach der Theorie des Nobelpreisträgers Stanley Prusiner ein Prion-Eiweiss. Prion bedeutet "proteinartiger infektiöser Partikel". Die "gesunde" und die "bösartige" Variante des Prion-Eiweisses haben dieselbe chemische Zusammensetzung. Sie unterscheiden sich nur in ihrer Faltung und räumlichen Struktur. (2) Kommen die beiden Formen in Kontakt miteinander, so zwingt die bösartige Form die Gutartige dazu, ebenfalls infektiös zu werden. Diesen Vorgang konnte die Gruppe um Aguzzi mit ihren Antikörpern verhindern.
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Impfstoff als Wunderwaffe "Eine Impfung ist der effizienteste Weg, um den Erreger zu stoppen", ist der Prionenforscher Aguzzi übezeugt. Darum konzentrierte sich sein Mitarbeiter Frank Heppner in den letzten vier Jahren auch vor allem darauf, mit einem vom Rinderwahn-Tester "Prionics" geliehenen Antikörper gegen das Prionprotein eine Schutzwirkung zu entwickeln. Jetzt ist es Aguzzi und Heppner gelungen, Mäuse gentechnisch so zu verändern, dass sie dauerhaft Antikörper gegen ihr eigenes Prion-Protein produzieren und es dadurch gegen den Befall durch die bösartige Form schützen. "Dies ähnelt einer Impfung, in der typischerweise das Immunsystem Antikörper gegen einen definierten Erreger produziert", schreiben die beiden begleitend zur heutigen Publikation im Wissenschaftsmagazin "Science". (3) Doch Aguzzi warnt vor falscher Vorfreude: "Bis zur Entwicklung eines Impfstoffs für den Menschen ist es noch ein weiter Weg." Genetischer Trick Aus dem heute erstmals vorgestellten Experiment resultieren folgende Erkenntnisse:
Schutz bleibt ungeklärt Wie dieser unter "3." erwähnte Schutz genau funktioniert, ist noch nicht geklärt. Es existieren verschiedene Hypothesen. Die Naheliegendste ist, dass der Antikörper direkt ans gesunde Prion-Protein bindet und es so vor der bösartigen Form abschirmt. Allerdings könnte es auch sein, dass der Antikörper zusätzlich auch die bösartige Form des Prions bindet, sodass die Umwandlung von "gutartig" zu "bösartig" unterbunden wird. "Eine Therapie ist Science Fiction" Aguzzi möchte keine falsche Begeisterung wecken: "Momentan ist es völlig unrealistisch, eine Therapie anzustreben!" Denn im Stadium, in dem die ersten Symptome auftreten, sei das Hirn schon viel zu stark zerstört. Dies weiss man aufgrund der Untersuchung des Gehirns eines nvCJD-Infizierten, der sich kurz nach den ersten Symptomen das Leben nahm. Doch immerhin zeigen die heute präsentierten Resultate, dass das Immunsystem in der Lage ist, bösartige Prionen zu bekämpfen. Dies ist eine Grundlage, um nun gezielt die Entwicklung von Impfstoffen für Mensch und Tier anzugehen.
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Literaturhinweise:
Fussnoten:
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