ETH Life - wissen was laeuft

Die tägliche Web-Zeitung der ETH Zürich - in English

ETH Life - wissen was laeuft ETH Life - wissen was laeuft
ETH Life - wissen was laeuft
Home

ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Science Life
Print-Version Drucken
Publiziert: 02.03.2007 06:00

Site Visit beim NFS Klima
"Wir brauchen ein grösseres Programm"

Seit sechs Jahren läuft der Nationale Forschungsschwerpunkt Klima (NFS Klima), an dem auch die ETH mit verschiedenen Forschern beteiligt ist. Diese Woche fand an der ETH die jährliche Site Visit statt, bei der internationale Experten die Arbeit der Schweizer Klimaforscher evaluierten. Die Wissenschaftler zeigen sich über das bisher Erreichte zufrieden. Christoph Schär, Professor am Institut für Atmosphäre und Klima der ETH Zürich, erläutert im Gespräch, warum die Klimaforschung in der Schweiz dennoch ein stärkeres Gewicht erhalten sollte.

Interview Felix Würsten

Herr Schär, diese Woche wurde der NFS Klima erneut im Rahmen einer Site Visit unter die Lupe genommen. Wie ist Ihre Bilanz?

Die Stellungnahme der Experten kennen wir natürlich noch nicht, aber ich denke schon, dass das Programm insgesamt sehr gut abgeschnitten hat. Bezogen auf die finanziellen Mittel ist unser Output sehr beachtlich. Wir werden international wahrgenommen und haben in den letzten Jahren mehrere Publikationen veröffentlicht, welche breite Beachtung gefunden haben.

Wie läuft eigentlich eine solche Site Visit konkret ab?

Typischerweise wird man von rund acht internationalen Experten besucht, welche den Stand der Arbeiten begutachten. Es gibt einen öffentlichen Teil mit Postern und Vorträgen. Die Experten schauen aber auch einzelne Arbeiten im Detail an. Daneben gibt es auch interne Diskussionen im kleinen Kreis, bei denen es um strategische Fragen geht. Schliesslich machen die Experten Empfehlungen, zum Beispiel welche Bereiche in der dritten Phase 2009-2013 schwergewichtig bearbeitet werden sollten.

Der NFS Klima wurde vor sechs Jahren gestartet. Hat sich das Instrument dieser nationalen Programme bewährt?

In unserem Fall eindeutig ja. Im NFS Klima arbeiten verschiedene starke Partner zusammen, darunter die Kernpartner Universität Bern und die ETH Zürich, deren Kompetenzen sich gut ergänzen. Die Zusammenarbeit zwischen den Partnern funktioniert ausgezeichnet. Dabei war es wichtig, dass wir schon früh unter einem gesellschaftlichen Druck standen, und in zentralen Fragen eine gemeinsame Position formulieren mussten. Diese Konsensfindung – und die Überzeugung, gemeinsam an einem wichtigen Thema zu arbeiten – hat sich auf die Zusammenarbeit positiv ausgewirkt.

Andere Länder wie Deutschland oder England investieren inzwischen massiv in die Klimaforschung. Kann die Schweiz da mithalten?

Von allen Nationalen Forschungsschwerpunkten sind wir der kleinste, dies obwohl wir ein international sehr wichtiges Thema bearbeiten. Die Finanzierung des gesamten NFS Klima beträgt pro Jahr 2,5 Millionen Franken. Als das Programm startete, nahm die Schweiz damit eine Pionierrolle ein. Das ist heute nicht mehr so. Meiner Meinung nach sollte nun ein Programm lanciert werden, das über das bereits bestehende weit hinausgeht. Wir diskutieren denn auch, ob die Schweiz nicht einen "National Adaptation Plan" bräuchte. Man muss sich die Verhältnisse vor Augen halten: Wir geben jedes Jahr Hunderte von Millionen Franken für den Hochwasserschutz aus, Milliardenbeträge für die Landwirtschaft – beides Bereiche, die stark von der Klimaänderung betroffen sind. Auch im Bauwesen haben wir ein Problem: Die Häuser, die wir heute bauen, sind für das künftige Sommerklima energetisch und bautechnisch gesehen nicht mehr optimal. Es würde sich also lohnen, mehr finanzielle Mittel bereitzustellen, um die Auswirkungen des Klimawandels besser zu verstehen, und diese Erkenntnisse in die Praxis umzusetzen.

Ist es für Sie als Forscher eigentlich eine Genugtuung, dass der Klimawandel nun auf der politisch-gesellschaftlichen Ebene so hohe Wellen schlägt?

Absolut. Zuweilen ist es zwar immer noch etwas enttäuschend zu sehen, wie langsam die politischen Mühlen mahlen. Zum Beispiel lässt die CO2-Abgabe auf Treibstoffen noch immer auf sich warten. Aber wenn ich zurückblicke, dann ist in den letzten 15 Jahren doch viel in Bewegung geraten. Als ich 1992 aus den USA zurückkehrte, war der Klimawandel ein Randthema. Vor diesem Hintergrund ist es doch erstaunlich, wie schnell sich das geändert hat. Vor nicht allzu langer Zeit hätte kaum jemand gedacht, dass der neue Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) weltweit auf so grosse Resonanz stösst – ein Bericht, an dem übrigens mehr als zehn Forscher des NFS Klima als Mitautoren mitgewirkt haben.


"Im Sommer werden wir ein ungewohntes Klima haben", erklärt Klimaforscher Christoph Schär. gross

In diesem Winter zeigt sich exemplarisch, was die Klimaerwärmung für die Wintersportorte bedeuten wird: Es fehlt allenthalben an Schnee, so wie beispielsweise hier in Wildhaus. gross

Der gegenwärtige Winter ist ungewöhnlich warm – ein Vorgeschmack auf die Zukunft?

Dieser Winter war etwa 3 Grad wärmer als der langjährige Durchschnitt – das entspricht etwa dem, was in 50 Jahren zum Normalfall gehören wird. Wir sehen nun auch ganz konkret, was das für Auswirklungen haben wird, zum Beispiel für die Skigebiete. Grundsätzlich ist es jedoch so, dass das Winterklima eine grosse natürliche Variabilität aufweist. Deshalb wird man in dieser Jahreszeit die Veränderungen nicht so stark wahrnehmen. Anders sieht dies beim Sommer aus. Da erwarten wir bis zum Ende des Jahrhunderts eine durchschnittliche Temperaturzunahme von cirka 5 Grad – das ist fünf Mal mehr als die heutige Standardabweichung von 1 Grad! Wir werden ein Klima haben, das wir aus der Vergangenheit nicht kennen. Solche Verhältnisse im Modell abzubilden, stellt für uns eine grosse Herausforderung dar.

Welche grossen Aufgaben gilt es denn sonst noch im Bereich Klimamodellierung zu meistern?

Es geht in erster Linie darum, die Schlüsselprozesse im Klimasystem besser zu verstehen und in den Klimamodellen genauer abzubilden. Dazu gehört, die Fortschritte im Bereich High-Performing-Computing umzusetzen, beispielsweise indem wir Modelle mit einer höheren Auflösung entwickeln und mehr Ensembles rechnen, um die Statistik zu verbessern. Ein zweites wichtiges Ziel ist, die gegenwärtig üblichen Klimaszenarien durch probalistische Prognosen für Zeiträume von 10 bis 100 Jahren abzulösen. Wenn man untersuchen will, was die neuen Verhältnisse für die Gesellschaft konkret bedeuten, dann ist es wichtig, regionale Prognosen zu Klima und Extremereignissen mit Wahrscheinlichkeitsangaben zu entwickeln. Damit könnte man auch die Folgekosten der Klimaänderung genauer beziffern.


Der NFS Klima

Im Nationalen Forschungsschwerpunkt Klima (NFS Klima) (1) arbeiten seit 2001 175 Wissenschafterinnen und Wissenschafter aus den unterschiedlichsten Bereichen zusammen. "Leading House" des Verbundes ist die Universität Bern; die ETH Zürich ist bei zwei der vier Work Packages intensiv beteiligt. Das Forschungsprogramm befindet sich gegenwärtig in seiner zweiten Phase, die im Jahr 2009 zu Ende geht.

Die Forschungsarbeiten des NFS Klima sind in vier Work Packages (WP) aufgeteilt: Das WP1 "Variabilität des Klimas der Vergangenheit" untersucht das europäische Klima der vergangenen 1000 Jahre. Das wichtigste Forschungsziel ist es, Klimavariationen besser zu quantifizieren. Im WP2 "Vorhersagbarkeit des Klimas, Prozesse und Projektionen" werden globale und regionale Klimaprozesse sowie die saisonale und zwischenjährliche Klimavariabilität untersucht. Angestrebt werden präzisere Vorhersagen, die auch Extremereignisse einbeziehen.

Ziel des WP3 "Auswirkungen auf Ökosysteme sowie Anpassung" ist es, die Folgen des Klimawandels auf die Ökosysteme zu beurteilen. Zudem werden mögliche Anpassungsstrategien in der Land- und Forstwirtschaft evaluiert. Das WP4 "Klimarisiken" schliesslich behandelt politische und wirtschaftliche Fragen: Was gibt es für regionale und globale Perspektiven für eine "post-Kyoto" Klimapolitik? Wie verletzlich sind regionale und globale Wirtschaftssysteme und mit welchen Kosten können sie sich dem globalen Klimawandel anpassen?




Fussnoten:
(1) Homepage des NFS Klima: www.nccr-climate.unibe.ch/index_de.html



Sie können zu diesem Artikel ein Feedback schreiben oder die bisherigen lesen.




!!! Dieses Dokument stammt aus dem ETH Web-Archiv und wird nicht mehr gepflegt !!!
!!! This document is stored in the ETH Web archive and is no longer maintained !!!