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Rubrik: Science Life
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Publiziert: 07.02.2002 06:00

Wundheilung und die Wahrnehmung der dazugehörigen Forschung
Von Mäusen für Menschen

In den Prozessen der Wundheilung liegt das Hauptinteresse von Sabine Werners Forschung. Um diese besser zu verstehen, führt die ETH-Forscherin auch Versuche mit gentechnisch veränderten Mäusen durch - eine Praxis, die teilweise auch kritisiert wird. Gegenüber ETH Life erläutert Sabine Werner, wie sie selbst ihre Forschung wahrnimmt.

Von Christoph Meier

Eine dunkle Maus mit glattem Fell sitzt neben einer kleineren mit struppiger Behaarung. Nichts Spektakuläres - ja vielleicht sogar rührend. Weiss man zusätzlich, dass die Kleinwüchsigkeit und das struppige Fell Folge einer gentechnischen Veränderung sind, ändert sich die Wahrnehmung. Für einen Gentechnik- und Tierversuch-Kritiker liegt vielleicht ein weiterer Beleg für die "Verirrungen" der Wissenschaft vor, für Fachpersonen geht es um illustrierte Forschung. So sieht es auch Sabine Werner, ETH-Professorin für Zellbiologie. Doch weil sie auch weiss, dass Forschung, wie sie sie betreibt, durch gezielte Auswahl und Gewichtung öffentlich in Misskredit gebracht werden kann, legt sie Wert darauf, das Bild in einen grösseren Zusammenhang zu stellen.

Tierversuch: letzter Schritt

"Wir beschäftigen uns mit Wachstumsfaktoren, die die Zellteilung anregen", erläutert die Zellbiologin. Dabei interessiere sie insbesondere die Rolle dieser Faktoren bei der Reparatur von verletztem Gewebe. Zuerst sucht ihre Forschungsgruppe dafür jeweils möglichst viel Evidenz in Zellkulturen, wobei die entsprechenden Zellen teilweise von Patienten stammen. "Im nächsten Schritt beginnen wir transgene Tiere zu generieren. Diese produzieren entweder zuviel oder zuwenig von einem bestimmten Wachstumsfaktor." Damit das Tier nicht generell leidet, versuchen die Forschenden eine gentechnische Veränderung so zu gestalten, dass sie nur in bestimmten Organen, beispielsweise der Haut, wirksam wird. Um Wundheilung untersuchen zu können, wird bei mehreren Mäuse unter Vollnarkose mit einer feinen Schere ein kleiner Hautbereich entfernt. Die Wunde heilt normalerweise innerhalb von 5 bis 10 Tagen. Die Forschenden betäuben und töten die Mäuse zu verschiedenen Zeitpunkten, damit sie den Wundheilungsprozess verfolgen können.

"Es ist eine grosse Überwindung"

Tierexperimente findet Sabine Werner nicht schön, aber notwendig. Notwendig darum, weil Wundheilung ein Prozess ist, der sich auf dem Niveau der Organe abspielt und somit nicht allein mit Versuchen in Zellkulturen analysiert werden kann. Dass der Übergang zu ganzen Organismen, um deren emergente Eigenschaften zu studieren, schwerer fällt als der Übergang von Molekülen zu Zellen, stellt die Forscherin auch an sich selber fest: "Tierversuche sind jedes Mal eine grosse Überwindung." Diese sei aber sinnvoll, denn dadurch müsse man sich permanent fragen, ob die Tierversuche verantwortungsvoll gemacht würden. Sabine Werner findet es folgerichtig auch schlecht, wenn sich Forschende an Tierexperimente gewöhnen. "Das einzige, woran man sich gewöhnt, ist, dass man es machen muss." Dass sich ihre Überwindung lohnt, erkennt die Zellbiologin darin, dass die als für die Wundheilung wichtig erscheinenden Faktoren immer auch beim Menschen vorhanden sind.

Sabine Werner
"Man soll wissen, dass jeder Wissenschaftler ein normaler Mensch ist": ETH-Professorin Sabine Werner. gross

Doch wieso wird überhaupt Wundheilung erforscht, wenn sie doch schon funktioniert? Es ist Sabine Werner selbst, die diese Frage aufwirft. Der Hintergrund bestehe darin, dass auch bei der Wundheilung massive Probleme auftreten können, zum Beispiel bei grossflächigen Verbrennungen. Zudem zeigte sich immer wieder, dass Faktoren, die bei der Wundheilung zum Tragen kommen, auch in andere Prozesse involviert sind, zum Beispiel in die Bildung bösartiger Tumore sowie in die Entwicklung bestimmter Organe.


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MŠuse
Zwei Mäuse: Auf den ersten Blick erkennt man, dass die linke etwas grösser und dunkler ist. Mit mehr Wissen illustriert das Bild aber auch Forschung.

Gesundheit des Menschen über der Würde der Maus

Angesprochen auf die Akzeptanz ihrer Forschung in der Öffentlichkeit, hält Sabine Werner fest: "Wenn meine Forschung nicht akzeptiert wird, habe ich meine Daseinsberechtigung verloren." Für sie ist es darum auch wichtig, dass ihre Ergebnisse über Biotech-Firmen oder Hautkliniken der Bevölkerung zugute kommen. Die Forscherin glaubt, dass die gentechnischen Aspekte ihrer Arbeit kein Problem darstellen, denn heute gäbe es in Europa fast niemanden mehr, der die Gentechnologie per se schlecht fände.

Anders sei es bei Tierexperimenten. Doch denke sie, dass sich der Mensch nun einmal das Recht herausgenommen habe, Tiere zu schlachten, und auf gleicher Basis auch Tierversuche durchführen könne. Ein wichtiges Kriterium für die Zellbiologin ist, dass die Gesundheit des Menschen höher einzustufen ist als die Würde der Maus. Dabei sieht Sabine Werner keinen Unterschied zwischen einer Labormaus, die nur aufgrund von Forschungsinteressen existiert, oder einer Wildmaus.

Auf den Einwand, dass doch die kleine Maus gerade zeige, dass unerwartete Effekte und Risiken auftreten können, entgegnet die Biologin, dass bei extremen Phänotypen, die mit Leiden verbunden sind, ein Experiment schnell abgebrochen würde. In diesem Zusammenhang begrüsst sie auch die restriktive Praxis der Schweiz. "Unerwartetes ist aber ein Charakteristikum jeder Forschung und stellt häufig auch ein Chance dar." Im Fall der kleinen Maus lernte man nun zum Beispiel, dass gewisse Moleküle, die bei der Wundheilung eine Rolle spielen, auch in die Haar- und Zahnentwicklung involviert sind.

"Fälschungen sind ein Verbrechen"

Sabine Werner ist sich aber bewusst, dass die Forschungs-immanenten Unabwägbarkeiten die Wissenschaft allgemein auch suspekt machen können. Dies gelte vor allem für neue Gebiete wie zum Beispiel die Stammzellenforschung. "Akkumuliertes Wissen kann aber die Angst in der Bevölkerung reduzieren", hofft die Zellbiologin und glaubt dies auch in bezug auf die Gentechnik feststellen zu können. Trotzdem müsse aber noch mehr Öffentlichkeitsarbeit gemacht werden, vor allem zur Frage, wie Wissenschaftler arbeiten. Ein guter Anfang sei mit den Tagen der offenen Türen gemacht. "Man soll wissen, dass jeder Wissenschaftler ein normaler Mensch ist - einer, der zum Beispiel Bilder von Palmen oder Delphinen aufhängt." Doch Sabine Werner sieht auch die Grenzen, wenn die Wissenschaft über Personen erklärt wird. Sie vertritt den realistischen Standpunkt, dass Wissen unabhängig von den Forschenden existiere. Insofern glaubt die Forscherin auch, dass, gesetzt den Fall ein Nobelpreisträger verübt im Privaten ein schweres Delikt, sein Forschungsgebiet vorerst Schaden nehmen könnte, langfristig aber kein negativer Einfluss mehr spürbar wäre. Für die öffentliche Wahrnehmung viel schlimmer seien wissenschaftliche Fälschungen. Diese seien ein Verbrechen.

Ein weiteres Verbrechen sieht Werner im Schüren von falschen Hoffnungen, die nicht erfüllt werden können. Dass bei fast aller Forschung noch vieles offen ist, sei etwas, das noch zuwenig im Bewusstsein der Bevölkerung vorhanden ist. Das erfährt die Forscherin auch bei sich selbst, denn fast jeden Tag erhält sie zwei bis drei E-Mails von Patienten, die glauben, dass sie das Problem der Wundheilung gelöst habe. Darum betont die Zellbiologin nochmals: "Öffentlichkeitsarbeit ist angesagt!" In kleinen Schritten wird dann vielleicht verständlich, wozu kleine Mäuse gut sind.




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