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Rubrik: Science Life
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Publiziert: 06.02.2006 06:00

Naturschutz
Lieber blaue als rote Listen

Keine Firma macht mit Verlusten Werbung. Das gilt auch für den Naturschutz. Statt mit wachsenden Roten Listen der gefährdeten Arten ständig Hiobsbotschaften zu verbreiten, setzen die Naturschützer Blaue Listen ein, um Erfolge im Artenschutz auszuweisen.

Peter Rüegg

Dem Grossen Mausohr geht es wieder besser. Diese gefährdete Fledermaus hat ihren Bestand in den Kantonen Zürich, Aargau und Schaffhausen in den letzten 30 Jahren mehr als verdoppelt. Auch der Habicht gehört zu den Gewinnern: Er hat seine Population in der Schweiz innerhalb von 20 Jahren um 58 Prozent vergrössern können. Diese erfreulichen Zuwachsraten haben den beiden Tieren einen Eintrag in die Spalten der Blauen Liste eingebracht. Diese ist ein neueres Instrument des Naturschutzes, das etwas Positives bewirken soll: aufzeigen, welche gefährdeten Arten der Roten Liste dank Fördermassnahmen des Natur- und Umweltschutzes ihren Bestand in einem bestimmten Gebiet dauerhaft halten oder sogar vergrössern konnten.

Gegengewicht zu Roten Listen

Blaue Listen sind indes keine neue Erfindung. Das Konzept stammt aus den frühen Neunziger Jahren. Schon länger gebraucht werden dagegen Rote Listen. Diese enthalten Organismen, die in verschiedene Kategorien von Gefährdungsgraden eingeteilt sind – und stetig länger werden. Allzu lange haben Naturschützer mit diesen Negativauflistungen argumentiert, um die Öffentlichkeit für die Anliegen des Naturschutzes zu gewinnen. Der erhobene Warnfinger hat aber wenig gefruchtet. Rote Listen seien demotivierend, frustrierend und würden dem Naturschutz ein Verlierer-Image anhängen. „Keine Firma macht mit Verlusten Werbung“, brachte es Professor Andreas Gigon vom Institut für Integrative Biologie in seinem Vortrag über Blaue Listen am letzten Donnerstag an der ETH auf den Punkt. Seinen Vortrag hielt er übrigens in einer, an der ETH vom Aussterben bedrohten Seminarreihe der Professur für Natur- und Landschaftsschutz von Professor Klaus Ewald. Er wird im Sommer pensioniert, sein Lehrstuhl nicht mehr neu besetzt.

Ein Drittel im blauen Bereich

Andreas Gigon und seine Kollegen haben sich aber nicht damit begnügt, nur neue Positivkategorien aufzustellen. In der Folge haben sie diese mit Inhalten gefüllt, die Erfolgsmeldungen – zum Teil mühsam aus der grauen Literatur von Ämtern - zusammengetragen und für den Zeitraum von 1980 bis 1995 eine Blaue Liste für die Kantone Aargau, Schaffhausen und Zürich erstellt. Sie gibt einen Überblick über fast 1000 gefährdete Arten, darunter 722 Farn- und Blütenpflanzen, dieser Region.

Die Bilanz zeigt, dass es dank Natur- und Umweltschutzmassnahmen gelungen ist, 317 Arten von Pflanzen, Wirbel- und Gliedertieren so zu fördern, dass sie von der Roten auf die Blaue Liste übertragen werden konnten. Dies entspricht immerhin mehr als einem Drittel aller gefährdeten Tiere und Pflanzen der Nordschweiz. Lokal sehen die Zahlen noch besser aus. In der Nordschweiz konnten 531 Arten der Roten Liste an einigen Stellen erfolgreich gefördert werden. Im Schaffhauser Randen etwa profitierten dank gezieltem Lebensraum-Management von Trockenrasen 40 Prozent der Pflanzen, die Hälfte der Tagfalter und ein Drittel der gefährdeten Heuschrecken der Roten Listen so, dass sie lokal in die Blaue Liste aufgenommen werden konnten.


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Gefährdete Orchideen wie die Hummelragwurz lassen sich durch geeignete Massnahmen im Biotop-Management fördern. (Bild: P. Rüegg) gross

Um die Bestände von bedrohten Tieren und Pflanzen langfristig zu stabilisieren, seien aber viel mehr Mittel nötig. Heute würden Bund, Kantone, Gemeinden und Landwirtschaftsämter wohl gegen 800 Millionen Franken für Naturschutz ausgeben, schätzte Gigon. Das klingt nach viel Geld. Laut dem ETH-Professor sei aber für einen effektiven Artenschutz mindestens das Doppelte nötig. Eine Reduktion wünscht er hingegen bei der Papierflut, die für den Naturschutz produziert wird. Diese trage nicht unbedingt dazu bei, mehr Arten zu schützen. „Ein Grossteil des Wissens ist vorhanden. Was fehlt, ist die richtige Einstellung“, sagte Gigon. 20 Prozent der Kosten von „Naturschutz-Papieren“ sollten die Autoren für konkrete, manuelle Arbeit im Feld einplanen, forderte der Naturschutz-Professor Augen zwinkernd.

Artenschutz im Hausgarten

Gigon zeigte aber auch auf, dass nicht nur gross angelegte Artenschutzprogramme erfolgreich sein können. Jeder Einzelne könne etwas für den Erhalt der Artenvielfalt tun. Gefährdete Pflanzen lassen sich zum Teil im eigenen Garten nachzüchten. Bereits nehmen 60 Privatpersonen an einem solchen Programm teil. Die bedrohte Küchenschelle (Pulsatilla vulgaris) konnte so im Kanton Zürich vor dem Aussterben bewahrt werden, indem die in Gärten nachgezogenen Pflanzen an geeigneten Stellen ausgepflanzt wurden. Nun gedeiht die schmucke Blume wieder an mehreren Standorten. Vor ein paar Jahren gab es nur noch an einer einzigen Stelle einen überlebensfähigen Bestand.


Literaturhinweise:
www.bluelists.ethz.ch



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