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Rubrik: Science Life |
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Seegfrörni Weniger Eis auf Seen |
Immer seltener bedeckt Eis die Mittelland-Seen der Schweiz. Das zeigt die Analyse von historischen Daten der letzten hundert Jahre. Ein ETH-Forscher hat diese in seiner Freizeit akribisch zusammengetragen. Zurzeit herrscht am Pfäffikersee, wie an anderen Schweizer Seen auch, Eiszeit: Dickes Eis bedeckt seit Ende Januar den See im Zürcher Oberland. Diese Seegfrörni zieht Zehntausende von Menschen an, die zu Fuss oder mit Schlittschuhen die Gunst der Stunde nutzen. Sollten sie auch. Dass Seen im Schweizer Mittelland zufrieren, ist ein seltenes Ereignis. Gefrorene Seen werden seltener Und dieses wird, wie eine neue Studie von ETH-Forscher Harrie-Jan Hendricks Franssen aufdeckt, immer seltener. Seine statistische Auswertung von Eisdaten aus den letzten 100 Jahren von 10 Mittelland-Seen zeigt, dass sich die Menschen immer länger gedulden müssen, bis sie wieder die Schlittschuhe schnüren können. In den letzten 40 Jahren, ganz besonders aber in den letzten 20 Jahren, sind die Seen immer seltener zugefroren. Besonders auffällig ist dieser Trend bei den Gewässern im Aargauer und Luzerner Mittelland. Diese Seen sind mit einer mittleren Seetiefe von 25 bis 45 Meter tiefer als etwa der Pfäffikersee und es braucht mehr, bis diese gefrieren. Der Sempachersee gefror zwischen 1916 und 1945 noch acht Mal. In den folgenden 30 Jahren bildete sich noch sechs Mal eine Eisdecke, ab 1976 aber war der See nie mehr ganz zugefroren. Da bildet der Pfäffikersee eine Ausnahme. Bei ihm nahm die Frequenz des Zufrierens zwischen 1965 und 1985 sogar zu. In diesen zwei Jahrzehnten bedeckte 18 Mal eine Eisschicht den See. Seither aber hat sie um einen Drittel abgenommen und ist unter das Niveau vor 1965 (15 Mal) abgesunken.
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Wind verzögert Vereisung Hendricks Franssen hat zudem herausgefunden, dass der von anderen Forschern postulierte lineare Zusammenhang von gemessener Lufttemperatur und Vereisung der Seen nicht so geradlinig ist wie bisher angenommen. „Wenn das Wasser eigentlich kalt genug für die Eisbildung ist, kann Wind das Zufrieren eines Sees stark verzögern“, sagt der holländische Forscher. Wind durchmische das kalte Wasser der Oberfläche mit darunter liegenden wärmeren Wasserschichten. Das verhindere, dass sich Eis bilden kann. Die neuen Resultate könnten auch Klimadaten relativieren, welche die historischen Wintertemperaturen anhand der Vereisung von Seen rekonstruieren. Unter anderem brauchte der bekannte Klimahistoriker Christian Pfister von der Univeristät Bern die Daten über die Vereisung von grossen Seen, wie Boden- oder Thunersee, um die mittleren Wintertemperaturen bis 1525 nachzuzeichnen. Das Gefrieren von Gewässern korreliere zwar stärker mit den mittleren Wintertemperaturen als andere Faktoren, etwa wie lange der Schnee liegen bleibe, räumt Hendricks Franssen ein. Man müsse aber die Unsicherheit bezüglich des Winds in die Überlegungen über historische Klimadaten einbeziehen. Daten in Freizeit gesammelt Der ETH-Forscher vom Institut für Umweltingenieurwissenschaften hat die Daten in seiner Freizeit zusammengetragen und ausgewertet. Als Quelle dienten ihm die Wetterdaten der Schweizerischen Meteorologischen Anstalt, Berichte von Fischern und Seerettungsdiensten, private Tagebücher und Zeitungsartikel. Interessiert haben ihn vor allem die zehn Mittelland-Seen, die gelegentlich zufrieren, nicht aber in jedem Winter: Pfäffiker-, Greifen-, Hallwyler-, Sempacher-, Baldegger-, Bieler-, Murten-, Sarner-, Aegerisee und den Untersee. Nicht näher betrachtet hat Hendricks 22 Seen der tieferen Lagen der Schweiz, die in den letzten 100 Jahren nie (Genfersee) oder in jedem Winter (Lauerzersee) zugefroren sind. |
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