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Rubrik: Science Life

Neues WBGU-Hauptgutachten
Klimawandel bedroht Sicherheit

Published: 02.07.2007 06:01
Modified: 02.07.2007 09:05
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Ungebremster Klimawandel hat nicht nur für die Wirtschaft negative Folgen, sondern auch für die Stabilität von Staaten und für die Stabilität des internationalen Staatengefüges. Dies ist die Botschaft des neuen Gutachtens des Wissenschaftlichen Beirats Globale Umweltveränderungen (WBGU) der deutschen Bundesregierung. An der Erstellung dieses Gutachtens waren zwei ETH-Professorinnen beteiligt.



Peter Rüegg (mailto:peter.rueegg@cc.ethz.ch)

Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) hat der deutschen Regierung zum Auftakt des G-8-Gipfels in Heiligendamm ein neues Hauptgutachten überreicht. (1) Dessen Titel „Sicherheitsrisiko Klimawandel“ macht deutlich, dass mit dem globalen Klimawandel auch sicherheitspolitische Anforderungen verbunden sind. Der Klimawandel sollte deshalb gebremst werden. An der Erstellung dieses Gutachtens waren die ETH-Professorinnen Renate Schubert vom Institut für Umweltentscheidungen (IED) (2) und Nina Buchmann vom Institut für Pflanzenwissenschaften (3) massgeblich beteiligt. Renate Schubert ist zugleich die Vorsitzende des WBGU.

"Die Reaktion auf den Bericht war rundum sehr positiv", sagt Renate Schubert. So habe der deutsche Aussenminister die Sache sofort aufgegriffen und lade die G8-Kollegen im November 2007 zu einer Besprechung ein, um den Zusammenhang zwischen Klima und Sicherheit zu diskutieren. Auch die Ministerien für Umwelt, für Forschung und Technologie sowie für Entwicklungszusammenarbeit hätten sich unmittelbar positiv geäussert. "Das WBGU-Gutachten wird eine wichtige Rolle für die deutsche Verhandlungsposition bei der UN-Klimakonferenz in Bali im Dezember 07 und auch sonst im internationalen Rahmen spielen", ist die ETH-Professorin überzeugt.

Fragile Staaten zerbrechen an Herausforderung

Der Bericht zeigt auf, dass schwache und fragile Staaten in der Folge des globalen Klimawandels Gefahr laufen, vollends auseinander zu brechen. Neue Verteilungskonflikte sind zu erwarten und der Migrationsdruck steigt. Staaten, die bereits heute durch schwache Institutionen gekennzeichnet sind, werden Mühe haben, mit diesen neuen Herausforderungen geeignet umzugehen. Konflikte innerhalb dieser Staaten sowie auch zwischen Staaten dürften die Folge sein. Das internationale System wäre damit überfordert, denn die klassische Sicherheitspolitik ist nicht geeignet, um auf diese Konflikte sinnvoll zu reagieren oder ihnen vorzubeugen.

Nach Ansicht des WBGU sind zum Beispiel das südliche Afrika oder das Ganges-Delta besonders betroffen. Hier würde der Klimawandel das ohnehin schon schwache wirtschaftliche Potenzial weiter gefährden. Das Wasser wird zunehmend knapp, Ernten gehen zurück und Wetterextremereignisse können zu erheblichen sozialen und politischen Spannungen führen. Werden solche Spannungen nicht im Rahmen starker Staaten aufgefangen, werden die Staaten an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit stossen. Die Sicherheit der Menschen wird sich verschlechtern. In Afrika sind heute schon Millionen von Menschen auf der Flucht vor Bürgerkriegen und Elend. Der globale Klimawandel würde schwelende Konflikte weiter verstärken.

Konfrontationslinie Verursacher versus Betroffene

Die Expertinnen und Experten des WBGU erwarten auch, dass sich Konflikte zwischen Verursachern und Betroffenen des Klimawandels verstärken werden.

Der WBGU bei der Übergabe des neuen Hauptgutachtens an deutsche Spitzenpolitiker, links die WBGU-Vorsitzende, ETH-Professorin Renate Schubert (Bild: www.wbgu.de).

Als Verursacher sind nicht nur die Industrienationen anzusehen. Auch innerhalb der Schwellen- und Entwicklungsländer stehen zunehmend grosse Emittenten wie China und Indien den Ländern gegenüber, die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben, aber am stärksten darunter leiden. Dazu gehören die kleinen Inselstaaten oder weite Teile Afrikas. Solche neuen Konstellationen stellen auf der internationalen Ebene ganz neue Herausforderungen, zum Beispiel im Zusammenhang mit weltweiten Kompensationssystemen.

Starke Wanderbewegungen erwartet

Der WBGU macht in seinem Bericht deutlich, dass dicht besiedelte Grossstädte und industrielle Ballungszentren wachsenden Flut- und Sturmrisiken sowie einem klimabedingten Anstieg des Meeresspiegels besonders stark ausgesetzt sind. Manhattan könnte mehrfach pro Jahrzehnt unter Wasser stehen und auch die neuen Ballungszentren an der Ostküste Chinas wären stark gefährdet. Dies könnte gravierende wirtschaftliche und gesellschaftliche Folgen haben, nicht zuletzt wegen einer wachsenden Zahl von Menschen, für die solche Gebiete unbewohnbar werden. Der WBGU rechnet mit einem drastischen Anstieg der Migration aus solchen Gebieten. Hier ist auch das internationale Recht gefragt, das den Begriff der "Umwelt-Migranten" bisher noch nicht kennt.

Klimaschutz und Entspannungspolitik nötig

Will man die aus dem Klimawandel folgenden Sicherheitsprobleme vermeiden, so ist entschiedener Klimaschutz wichtig. Der WBGU rät dazu, in den nächsten 10 bis 15 Jahren den weltweiten CO2-Ausstoss bis 2050 bezogen auf das Niveau von 1990 zu halbieren. Neben Klimaschutz ist auch eine neue Form der Sicherheitspolitik von Bedeutung. Der WBGU empfiehlt hier, einen KSZE-ähnlichen Prozess einzuleiten und das Mandat des UNO-Sicherheitsrates so anzupassen, dass die Herausforderungen des Klimawandels gemeistert werden können. Das UN-Umweltprogramm UNEP soll gemäss WBGU gestärkt und zu einer UN-Sonderorganisation aufgewertet werden. Vor dem Hintergrund des zwischen der ETH und UNEP im November 2005 abgeschlossenen Memorandum of Understanding (4) ist dies eine für die ETH besonders interessante Empfehlung.

Der WBGU erachtet die Entwicklungspolitik als ein besonders wichtiges Element vorbeugender Sicherheitspolitik, da es Entwicklungsländern vielfach an den Kapazitäten fehlt, die Folgen des Klimawandels aufzufangen. Der Erhalt der Süsswasser-Reserven, die Ernährungssicherheit, die Katastrophenvorsorge sowie eine geeignete Migrationspolitik sind hier wichtige Bereiche. Weiter wäre auch der Ausbau eines globalen Informations- und Frühwarnsystems wichtig.

Der WBGU ist überzeugt davon, dass eine entschlossene Klimapolitik in Verbindung mit geeigneten politischen und institutionellen Strukturen zu einem Motor der internationalen Zusammenarbeit und Stabilität werden kann.

Footnotes:
(1 Hauptgutachten "Sicherheitsrisiko Klimawandel": www.wbgu.de/wbgu_jg2007.html
(2 Website des IED: www.ied.ethz.ch/
(3 Website des Instituts für Pflanzenwissenschaften, Gruppe Graslandwissenschaften: www.gl.ipw.agrl.ethz.ch
(4 vgl. ETH Life-Bericht "Wissen schafft Entwicklung": www.ethlife.ethz.ch/articles/tages/tagnidenad.html


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