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Rubrik: Science Life
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Publiziert: 09.02.2005 06:00

Andreas Fischlin und Beat Nobs über nächste Schritte beim Klimaschutz
„Der Geist ist aus der Flasche“

Die Freude über das Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls ist getrübt, weil einerseits die USA nach wie vor abseits stehen und andererseits nicht klar ist, wie die Entwicklungsländer in den Klimaschutz miteingebunden werden können. ETH Life befragte Andreas Fischlin von der ETH Zürich und Botschafter Beat Nobs, Leiter der Schweizer Delegation bei den Klimakonferenzen, über die nächsten Schritte im Klimaschutz.

Von Lukas Denzler

Die Erwartungen an die Klimakonferenz von Buenos Aires waren hoch. Einen Monat vor Beginn der Konferenz, am 5. November 2004, ratifizierte Russland das Kyoto-Protokoll. Somit kann dieser Vertrag, der die Industrieländer verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen um rund fünf Prozent gegenüber dem Stand von 1990 zu reduzieren, am 16. Februar 2005 in Kraft treten. Klimawissenschaftler sind sich jedoch weitgehend einig, dass diese Reduktion nicht genügt, um einen gefährlichen Anstieg der globalen Temperatur zu verhindern. In Buenos Aires wollten deshalb viele Länder über die nächsten Schritte im Klimaschutz reden. Das an der Konferenz erzielte Ergebnis ist jedoch bescheiden – die Länder konnten sich gerade mal auf ein Seminar einigen, das im nächsten Mai stattfinden wird. Ernsthafte Verhandlungen über weitere Schritte in der Klimapolitik scheinen in weiter Ferne zu liegen.

„Talks about talks about talks“

Diese Einschätzung teilt auch Andreas Fischlin. Der ETH-Wissenschaftler ist seit vielen Jahren Mitglied der Schweizer Delegation an den Klimakonferenzen. „Es wird ein zäher Prozess werden“, sagt Fischlin. Viele Länder hätten gehofft, dass in Buenos Aires nun endlich die Diskussion über weitere Schritte beginnen könne. Die USA hätten jedoch klar signalisiert, dass sie daran nicht interessiert seien. Ursprünglich wollte man auf Vorschlag Argentiniens 2005 zwei Seminare durchführen, an welchen über die zukünftige Klimapolitik hätte diskutiert werden sollen. Ein holländischer EU-Vertreter soll diesen – in seinen Augen – harmlosen Vorschlag als „talks about talks about talks“ bezeichnet haben. Doch die USA und Saudi Arabien wehrten sich dagegen. Schliesslich einigte man sich auf ein Seminar, an dem nichts Verbindliches beschlossen werden kann. Andreas Fischlin: „Die sture Haltung der USA hat viele Länder verärgert.“ Möglicherweise seien die Amerikaner nervös geworden, weil das Kyoto-Protokoll allen Unkenrufen zum Trotz nun eben doch in Kraft treten werde, meint Fischlin.

Ist froh, dass in Buenos Aires die letzten Details zum Kyoto-Protokoll geregelt werden konnten: ETH-Forscher Andreas Fischlin.

In kleinen Schritten vorwärts

Der Leiter der Schweizer Delegation, Botschafter Beat Nobs, beurteilt die Ergebnisse der Konferenz jedoch etwas optimistischer. Trotz des massiven Widerstandes sei es gelungen, sich auf das Seminar zu einigen. Und dort werde über die Zukunft diskutiert, sagte Nobs. Noch vor zwei Jahren sei es unmöglich gewesen, auch nur vorzuschlagen, über weitere Schritte im Klimaschutz zu reden. Das sei nun nicht mehr so. „Der Geist ist aus der Flasche“, beschreibt Nobs die Situation. Und dieser Geist könne unmöglich in die Flasche zurück gesperrt werden.

Botschafter Nobs wertet es auch als Erfolg, dass die letzten Probleme in Zusammenhang mit dem Kyoto-Protokoll aus dem Weg geräumt werden konnten. Es handelte sich dabei um technische Fragen zur Anrechnung biologischer Senken und zum Clean Development Mechanism (Klimaschutzprojekte in Entwicklungsländern). In den letzten zehn Jahren habe man in der Klimapolitik viel erreicht. Ohne Kyoto hätten wir eine völlig andere Situation. Jedenfalls würden die Emissionen ohne diesen Vertrag deutlich stärker ansteigen, als dies nun der Fall sei, betont Nobs. Es sei gelungen, das Steuer herumzureissen.


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Europa möchte über weitere Schritte im Klimaschutz verhandeln. (Bild: ESA, Eumetsat) gross

Kyoto ist erst der Anfang

So richtig ernst gilt es jedoch erst in drei Jahren. Für die Länder, die das Kyoto-Protokoll ratifiziert haben, beginnt die Verpflichtungesperiode nämlich erst 2008. Dann werden die Treibhausgase bis 2012 gemessen. Wie gut es den Ländern gelingt, ihre Kyoto-Verpflichtungen zu erfüllen, dürfte eine nicht unwesentliche Rolle bei den zukünftigen Verhandlungen spielen. Denn Kyoto soll ja erst der Anfang sein. „Die Aufgaben werden keineswegs leichter, sondern eher schwieriger“, ist Andreas Fischlin überzeugt. Wie viele andere hofft auch er, dass sich am kommenden Seminar und an den beiden nächsten Klimakonferenzen erste Ideen für die weiteren Schritte herauskristallisieren werden. Entscheide für die Zeit nach 2012 seien jedoch nicht vor 2010 zu erwarten.

Für Andreas Fischlin liegt das Hauptproblem darin, dass sich die USA und die Entwicklungsländer gegenseitig blockieren. Die USA fordern den Einbezug der Schwellen- und Entwicklungsländer, insbesondere von Brasilien, Indien und China. Diese Länder wollen jedoch zuerst den Tatbeweis der Industrieländer sehen. Brasilien fordert beispielsweise, dass die „historische Schuld“ der Industrieländer – im Extremfall wären das sämtliche Emissionen seit der Industrialisierung – berücksichtigt wird.

Aufweichung der Fronten

Bei den Entwicklungsländern sei jedoch eine Aufweichung der Fronten festzustellen, sagt Beat Nobs. Auf der einen Seite plädierten viele kleine Entwicklungsländer dafür, dass sich alle Staaten am Klimaschutz beteiligen. Die grossen Entwicklungsländer verhielten sich auf der anderen Seite zurückhaltend bis ablehnend, und die erdölexportierenden Länder hätten ebenfalls eigene Interessen. Die Knacknuss für die kommenden Verhandlungen sieht Nobs deshalb in der Frage, auf welche Art und Weise die Entwicklungsländer in den Klimaschutz miteinbezogen werden können. Unbestritten sei dabei ihr Recht auf Entwicklung.

Positiv aufgenommen wurde in Buenos Aires, dass Brasilien und China erstmals offiziell einen Bericht über ihre Treibhausgasemissionen vorgelegt haben. Während in Brasilien die Abholzung von Wäldern die wichtigste Quelle darstellt (1994 soll deren Anteil 75 Prozent der gesamten CO2-Emissionen ausgemacht haben), steht in China die Verbrennung von Kohle im Vordergrund. Beat Nobs ist der Ansicht, dass China bereit wäre, um über Massnahmen im Klimaschutz zu diskutieren. China habe die Probleme erkannt und sei sich bewusst, dass das Land an die Grenzen stosse und unabhängig von Verhandlungen im eigenen Interesse handeln müsse.

China als Partner im Klimaschutz?

Werden Europa und China im Klimaschutz in Zukunft zusammenspannen? Botschafter Nobs kann sich das durchaus vorstellen. Wichtig sei nun die Realisierung gemeinsamer Projekte, die auch Investitionen auslösten. Ob sich China jedoch darauf einlassen wird, zusammen mit anderen Ländern den Weg weiterzugehen, den das Kyoto-Protokoll vorzeichnet, ist ungewiss. Für Andreas Fischlin steht deshalb fest: „Ein glaubwürdiger Klimaschutz kann mittelfristig nur erfolgreich sein, wenn auch die USA und die Entwicklungsländer mit dabei sind.“




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