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Rubrik: Science Life
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Publiziert: 03.09.2003 06:00

KTI-Projekt mit ETH-Mikrobiologen
Vereint gegen Legionellen

Legionellen, die Erreger der mitunter tödlichen Legionärskrankheit, sind weit verbreitet. Daten deuten auch auf eine Zunahme der Krankheit hin. Doch wie gross die Gefahr ist und wie ihr begegnet werden kann, dafür fehlen die Grundlagen. Das veranlasste die Gössi AG für Energiesysteme, in Zusammenarbeit mit der ETH ein KTI-Projekt zu initiieren.

Christoph Meier

Der Friede war gestört im „Paxmontana“. Vor einem Jahr erkrankte nach dem Besuch des Hotels in der Innerschweiz eine amerikanische Touristin an der Legionärskrankheit (siehe Kasten) und verstarb darauf in Deutschland. Eine Untersuchung bestätigte den Verdacht, dass das Warmwasser des Paxmontana eine erhöhte Anzahl der gefährlichen Bakterien Legionella pneumophila enthielt. Es blieb aber unklar, ob der Todesfall durch eine Infektion im Hotel bedingt war.

Betriebe wollen Abklärung

Abgesehen von einigen Meldungen von Opfern der Legionärskrankheit im Ausland, schien darauf in der Schweiz in Bezug auf Legionellen wieder Ruhe einzukehren. Doch sind Legionellen kein Thema und ist die Ruhe gerechtfertigt? Eine gewisse Skepsis gegenüber diesen Bakterien, die sich bei 20 bis 45 Grad vermehren und über die Inhalation von Aerosolen beim Menschen zur Legionärskrankheit führen können, lässt sich in gewissen Kantonen doch feststellen. So untersuchte beispielsweise das Laboratorium der Urkantone in diesem Frühjahr auf Anfrage die Warmwassersysteme von 17 Betrieben. Von 88 entnommenen Proben wiesen 24 Legionellen auf, die drei Betrieben zugeordnet werden konnten. Gemäss Dr. Beat Kollöffel vom Laboratorium der Urkantone konnten die Legionellen nach geeigneten Massnahmen eliminiert werden. In Anbetracht dieser Daten klingt der Aufschrei im „Boten der Urschweiz“ „Labor bestätigt: Legionellen überall“ etwas stark.

Mehr Krankheitsfälle diagnostiziert

Also alles im Griff? Vielleicht doch nicht ganz. Immerhin erkrankten nach Angaben des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) (1) im Jahre 2001 126 Personen an der Legionärskrankheit, 13 davon starben. 1999 waren es nur 69 Fälle mit 7 Todsfällen gewesen. Der Anstieg sei vermutlich auf die verbesserten Diagnosemöglichkeiten zurückzuführen, schreibt das Amt. Für das Jahr 2003 nennt das BAG folgende Zahlen: 70 bestätigte Fälle und 40 Verdachtsfälle. Hat man das einfach zu akzeptieren? Im Moment ist keine systematische Bekämpfung in Sicht, denn bereits bei den Schwellenwerten für Legionellen schreibt das BAG, dass diese Daten nicht wissenschaftlich fundiert sind, sondern einem Expertenkonsens entsprächen. Das BAG erinnert in seinem Bulletin vom Februar dieses Jahres einfach an seine Empfehlungen für Wassertemperaturen in sanitären Anlagen: So sei in Boilern eine Mindesttemperatur von 60°C mindestens einmal pro Tag zu erreichen und an den Wasserhähnen eine von 50°C.

In der Praxis erfolgreich

Hans Gössi kennt natürlich diese Empfehlungen. Als Inhaber der Firma Gössi AG, Energiesysteme, Küssnacht, (2) befasst er sich seit längerem mit dem Problem Legionellen. Er hat auch selbst ein System für Mischwasser entwickelt, dass eine Legionellen-Kontamination verhindert. Dabei setzt Gössi nicht auf Erhöhung der Temperatur im Leitungsnetz, sondern auf Absenkung und der Zugabe von Ionen. Mit dem so genannten Gössi-Mat kann dabei aber die Wassertemperatur täglich einmal zur thermischen Desinfektion auf Boilertemperatur hochgefahren werden. Solche Mischwassersysteme ermöglichen es, eine beträchtliche Menge Energie zu sparen. Zudem kann mit den tiefen Temperaturen auch die Kalkablagerung in den Leitungsrohren verhindert werden. Das ist insofern von Bedeutung, da solche Ablagerungen das Wachstum von Biofilmen fördern, die natürlich auch Legionellen enthalten können. Bei einem Sanierungsprojekt, wo das Gössi-System eingesetzt wurde, konnte ein Labor des Unispitals Zürich nach dem Umbau keine Legionellen mehr feststellen.

Der ETH-Professor Hubert Hilbi (Mitte) untersucht mit dem Postdoktoranden Jörg Mampel (links) und dem Doktoranden André Tiaden die Biofilmbildung mit Legionellen. gross

Gesucht: wissenschaftliche Grundlagen

Obwohl Gössi somit die Legionellen im Griff hat, ist er noch nicht zufrieden. Denn einerseits findet er die Empfehlungen zu immer höheren Temperaturen aus Energiespargründen und wegen den Verkalkungen fraglich. Andererseits möchte er für weitere Entwicklungen endlich wissenschaftliche Grundlagen haben, damit man auch in der Schweiz das Problem gezielt angehen kann.


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Das sollte im Menschen verhindert werden: humane Makrophagen, die mit Legionellen infiziert sind. Im Bild sieht man Legionellen, die das grün-fluoreszierende Protein (GFP) exprimieren. (Bild: Hubert Hilbi) gross

Darum ergriff er selber die Initiative. Er kontaktierte den Mikrobiologen Hubert Hilbi, der seit letztem Jahr Professor an der ETH ist und auf Legionellen arbeitet (3). Das gegenseitige Interesse führte zu einem mehrjährigen Projekt, das die Kommission für Technik und Innovation kürzlich bewilligte. Unterstützung kommt auch von den Unternehmen Geberit, Victorinox, Feuron, der Wasserversorgung Küssnacht sowie dem Bundesamt für Energie. Gestartet wurde am ersten August.

Hilbi selber ist begeistert, dass sich Private finden, die bereit sind, in die Grundlagenforschung zu investieren. In einer ersten dreijährigen Phase soll zuerst nämlich untersucht werden, wie es überhaupt zur Bildung von Biofilmen kommt. „Molekular ist überhaupt nichts über Legionella-Biofilme bekannt“, umreisst der Forscher die Situation. Man wisse einfach grundsätzlich, dass Bakterien dreidimensionale heterogene Strukturen ausbilden. „Das ist sicher mit ein Grund, wieso Biofilme viel resistenter sind sowohl gegen chemische als auch physikalische Desinfektionsmittel, oder Antibiotika.“ Zudem sei die Bildung von Biofilmen und Virulenzeigenschaften häufig durch die selben Mechanismen reguliert.

Gene für die Zelldichte

Als erstes will Hilbi untersuchen, wie sich die Zelldichte der Legionellen auf die Genregulation auswirkt. Hier hat er auch schon einen Ansatzpunkt. Im Genom der Legionellen wurden Gene gefunden, die in anderen Bakterien die Funktion der Dichteregulierung übernehmen. Der Doktorand André Tiaden soll nun untersuchen, was geschieht, wenn diese Gene in Legionellen entfernt werden. Möglich wäre, dass dann die Bakterien nicht mehr virulent sind. Die schwierigere Aufgabe, die der Postdoktorand Jörg Mampel durchführt, ist der Versuch, Legionellen-Biofilme im Labor nachzubilden. Versteht man diese Prozesse besser, sieht Hilbi gute Chancen dafür, sich vermehrt anwendungsorientierten Fragestellungen zuzuwenden.

Die Duschgeneration kommt

Wie sieht aber der Forscher die Bedrohungssituation durch Legionellen? Auch für Hilbi ist eine Einschätzung schwierig und somit ein Bedarf an Grundlagenforschung unbestritten. Zudem gibt er zu bedenken, dass eventuell das Legionellen-Problem zunehmen könnte. Jetzt komme nämlich die Generation in die Altersheime, die sich das Duschen gewohnt sei. Somit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass gefährdete Personen Legionellen via die Aerosole in der Dusche aufnehmen.


Legionärskrankheit

Die Legionärskrankheit oder Legionellose wird durch Legionella Bakterien ausgelöst. Diese befallen Makrophagen in der Lunge. Die Symptome der Legionellose sind die einer schweren Lungenentzündung mit teilweise hohem Fieber, Husten und allgemeiner Mattigkeit. Die Krankheit betrifft vor allem ältere und immungeschwächte Personen. In schätzungsweise 10 Prozent der Fälle endet sie tödlich. Bei frühzeitigem Befund kann die Krankheit mit Antibiotika behandelt werden.

Legionellen kommen in geringer Konzentration in Süsswassergewässern vor. Besonders günstige Bedingungen für ihre Vermehrung finden sie in den von Menschen geschaffenen Feuchtsystemen bei Temperaturen zwischen 25 und 45 Grad Celsius. Gefährlich werden Legionellen nur, wenn sie als Keime mit Wassertröpfchen eingeatmet werden. Das Trinken von verseuchtem Wasser ist beim heutigen Stand des Wissens unbedenklich.

Der Name der Krankheit geht auf ein Treffen von Veteranen der "American Legion" im Jahre 1976 in Philadelphia zurück. 221 Männer, die sich in einem Hotelflügel mit Legionellen-verseuchten Wassersytem befanden, erkrankten. 34 von ihnen starben. Im Jahr 1977 wurde der Erreger identifiziert und erhielt den Namen Legionella pneumophila.




Fussnoten:
(1) Seite des Bundesamtes für Gesundheit zu Legionellose: www.bag.admin.ch/infekt/krank/legio/d/index.htm
(2) Firma Gössi AG, Energiesysteme, Küssnacht:www.goessi.ch
(3) Forschungsprojekte der Gruppe von Hubert Hilbi: www.micro.biol.ethz.ch/re/re_hilbi/index.htm



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