ETH Life - wissen was laeuft

Die tägliche Web-Zeitung der ETH Zürich - in English

ETH Life - wissen was laeuft ETH Life - wissen was laeuft
ETH Life - wissen was laeuft
Home

ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Science Life
Print-Version Drucken
Publiziert: 30.08.2005 06:00

Teleskop MAGIC registriert Gammastrahlen-Ausbruch
Im Gamma-Gewitter

MAGIC (Major Atmospheric Gamma Imaging Cherenkov) heisst das weltweit leistungsstärkste Gammastrahlen-Teleskop auf der Kanaren-Insel La Palma, mit welchem seit knapp zwei Jahren auch ETH-Forscher tief ins Universum blicken. MAGIC soll es möglich machen, bis zu 8 Milliarden Lichtjahre ins Universum zu schauen. Nun hat es kürzlich erstmals „live“ einen Gammastrahlen-Ausbruch beobachtet.

Norbert Staub

Es ist der 13. Juli 2005, frühmorgens. Gerade mal 20 Sekunden ist es her, seit der Satellit SWIFT die Gammastrahlen-Explosion GRB050713a der Forschercrew des MAGIC-Teleskops auf La Palma gemeldet hat. Vor 40 Sekunden ist der Ausbruch erfolgt – innert Sekunden haben die Wissenschaftler ihr normales Beobachtungsprogramm unterbrochen, das 40-Tonnen-Gerät MAGIC neu ausgerichtet und mit der Messung des durch den Vorgang in die Erdatmosphäre einprasselnden Licht-Gewitters begonnen. (1)

„Es gibt zwar jeden Tag mehrere Gammastrahlen-Ereignisse“, sagt der Teilchenphysiker Adrian Biland. Er ist Forscher in der Gruppe von Felicitas Pauss am ETH-Institut für Teilchenphysik und verantwortlich für die Justierung der Einzelspiegel des MAGIC-Teleskops. „Aber dank des speziell auf schnelles Reagieren ausgerichteten MAGIC ist es jetzt erstmals gelungen, bereits die Ausbruchsphase quasi 'live’ auch bei hohen Energien zu verfolgen“, meint Biland.

Licht auf ungelöste Rätsel

„Live“ meint in diesem Fall natürlich den Zeitpunkt des beobachteten Ereignisses. Denn Gammastrahlen-Ausbrüche finden teils Millionen, ja Milliarden von Lichtjahren von der Erde entfernt statt. Entsprechend lange ist der eigentliche Ausbruch her. Zusammen mit den vom Satelliten gelieferten, im Niedrigenergie- (das heisst im Röntgenlicht-) Bereich liegenden Daten liegt nun ein Set von Angaben aus unterschiedlichen Spektralbereichen vor, die es wohl erlauben, mehr über dieses und andere astrophysikalische Phänomene zu erfahren, welche der Forschung noch viele Rätsel aufgeben. So untersucht MAGIC auch die energiereiche Strahlung von fernen Galaxien, Quasaren und Supernova-Resten.

„Das Faszinierende an den Gamma Ray Bursts (GRB) ist, dass sie während sehr kurzer Zeit, maximal einigen Minuten, die höchsten je registrierten Energien freigeben. Sie gehen weit über jede Supernova hinaus“, erläutert Adrian Biland. Dies hatte man bereits mit den herkömmlichen Messungen im Röntgenbereich festgestellt. Mit MAGIC hoffen die Forscher nun die offene Frage zu klären, ob GRBs auch hochenergetische Strahlung (höher als 100 Giga-Elektronenvolt) aussenden. „Falls wir feststellen, dass bestimmte Ausbrüche diesen hochenergetischen 'Schwanz’ aufweisen, wäre das punkto Energiestärke der Gammastrahlungs-Ereignisse nochmals eine neue Dimension“, so Biland.

Eine erste Analyse des Ausbruchs vom 13. Juli hat keine starke Gamma-Emission oberhalb 175 Giga-Elektronenvolt ergeben. Dies wurde vom weltweiten MAGIC-Forschungsverbund unter Federführung des Max-Planck-Instituts für Physik in München an der 29. Internationalen Cosmic Ray Konferenz Anfang August in Pune (Indien) berichtet. Gewisse Theorien hatten eine hundert- bis tausendmal stärkere Intensität erwarten lassen. Dies könnte allerdings auch mit der extrem weiten Entfernung dieses Ereignisses zu tun haben.


weitermehr

Weitab von den Lichtimmissionen Mitteleuropas gelingen tiefe Blick ins All: Das unter anderen von Teilchenphysikern der ETH betriebene MAGIC-Teleskop auf der kanarischen Insel La Palma. (Bild: MAGIC) gross

In diesem Fall wäre der hochenergetische Gamma-Fluss vom intergalaktischen Photonenfeld stark abgeschwächt worden. Das Besondere des im Oktober 2003 eingeweihten MAGIC-Teleskops liegt in seiner Fähigkeit, die in der Erdatmosphäre sofort zerfallenden und deshalb nicht registrierbaren Gammastrahlen mittels eines Tricks eben doch nachzuweisen.

Teilchenlawine in der Atmosphäre

Dazu nutzen die Forscher die Tatsache, dass sich ein hochenergetisches Gammateilchen in den oberen Schichten der Atmosphäre beim Vorbeiflug an einem Atomkern spontan in ein Elektron und in dessen Antiteilchen, ein Positron, umwandeln kann. Im Schneeballsystem erzeugen diese nun weitere Teilchen: eine Teilchenlawine, ein sogenannter Luftschauer, entsteht.

Dieser wiederum sendet sogenanntes Cherenkov-Licht aus, das für wenige Milliardstel Sekunden eine Fläche von einigen hundert Metern Durchmesser beleuchtet. Mit seinen 934 Alu-Spiegeln, die auf einer ultraleichten Kohlefaser-Gitterrahmenstruktur sitzen, sammelt MAGIC auch extrem schwache Spuren der Cherenkov-Lichtblitze auf. Im Brennpunkt des Teleskops werden die gesammelten Photonen auf eine mit 577 Lichtsensoren bestückte elektronische Kamera fokussiert. Diese verfügt über Belichtungszeiten von wenigen Milliardstel Sekunden. Ultraschnelle optische Glasfasern gewährleisten eine nahezu verlustfreie Analogübertragung der in der Kamera erzeugten Impulse zu den Computern der Forschungscrew.

Ein "MAGIC 2" für noch bessere Resultate

Um Cherenkov-Licht wahrzunehmen, muss tiefe Dunkelheit herrschen. Darum arbeitet das MAGIC-Team nur nachts, in mondlosen Phasen und fern von Zentraleuropa, wo viel künstliches Licht den Blick ins Universum verstellt. Auf dem höchsten Berg der Kanareninsel La Palma, dem Roque de los Muchachos in 2225 Metern Höhe, herrschen diese Bedingungen. Dort verbringt Adrian Biland nun durchschnittlich einen Monat pro Jahr als Mitglied der im pausenlosen Schichtbetrieb arbeitenden Forschercrew. „Letztes Mal bin ich nie vom Berg herunter gekommen“, relativiert er allfällige Missverständnisse, die sich beim Gedanken an die reizvolle Ferieninsel einstellen könnten.

Um zu noch besseren Resultaten zu gelangen, wird MAGIC in 80 Metern Entfernung derzeit durch ein zweites, weitgehend baugleiches Teleskop ergänzt. Dies soll stereoskopische Beobachtungen von Luftschauern ermöglichen.


Literaturhinweise:
Website des MAGIC-Teleskops: http://magic.mppmu.mpg.de/
Informationen zum ETH-Institut für Teilchenphysik: www.ipp.phys.ethz.ch/

Fussnoten:
(1) Über die Einweihung des MAGIC-Teleskops vgl. den ETH Life Bericht "Ein neues Fenster ins Universum" vom 16.10.2005: www.ethlife.ethz.ch/articles/tages/lapalma.html



Sie können zu diesem Artikel ein Feedback schreiben oder die bisherigen lesen.




!!! Dieses Dokument stammt aus dem ETH Web-Archiv und wird nicht mehr gepflegt !!!
!!! This document is stored in the ETH Web archive and is no longer maintained !!!