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Rubrik: Science Life
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Publiziert: 12.10.2006 06:00

Das OPERA-Projekt
Verwandlung von Neutrinos unter den Alpen

Ein Strahl von Neutrinos wird vom CERN zu einem 730 Kilometer entfernten Labor in Italien geschickt und dort mit dem OPERA genannten Detektor nachgewiesen. Ziel des OPERA Projekts, dessen erste Messungen diesen Sommer durchgeführt wurden und an dem auch ETH-Physiker beteiligt sind, ist der direkte Nachweis, wie sich diese Elementarteilchen verwandeln können. Gelingt dies, hat das nicht nur Folgen für die Elementarteilchenphysik, sondern auch für das Verständnis des Universums.

Christoph Meier

Wenn man Kleines erforschen will, braucht es häufig grosse Aufwendungen. Ein bekanntes Beispiel dafür ist das CERN mit seinen Teilchenbeschleunigern mit Durchmessern von mehreren Kilometern in Genf. Doch manchmal ist für die Charakterisierung von Elementarteilchen nicht einmal diese Forschungsanlage gross genug. So läuft seit diesem Sommer das OPERA-Projekt (1), bei dem ein Neutrino-Strahl wohl am CERN erzeugt (2), danach aber auf eine Reise von 732 Kilometer durch die Erdkruste zum Untergrundlabor im Gran Sasso Gebirge in der Nähe von Rom geschickt wird (3). Die rund 180 daran beteiligten Forscher aus verschiedenen Ländern, zu denen auch Wissenschaftler der Forschungsgruppe von ETH-Professor André Rubbia gehören (4), wollen damit herausfinden, ob sich die Neutrinos dabei verändern. Das heisst, man will wissen, ob sich auf der langen Reise ein Teil der Neutrinos vom Typ Müon, aus denen der Strahl zu Beginn besteht, in den Typ Tau-Neutrinos wandelt.

Warum aber ist die Umwandlung von Neutrinos von Interesse? Ein Grund dafür besteht darin, dass man in der Elementarteilchenpyhsik schon lange gerne die bisher unbekannte Masse dieser kleinen elektrisch neutralen Teilchen bestimmen möchte. Da eine Umwandlung nur dann möglich ist, wenn mindestens eines der beteiligten Neutrinos eine nicht-verschwindende Masse hat, ist der Nachweis von diesen winzig kleinen Massen am ehesten möglich, indem man die Umwandlung, die auch Neutrino-Oszillation genannt wird, nachweist. Durch eine Messung der Neutrino-Oszillationslänge wird das OPERA-Experiment genaueren Aufschluss geben über die Differenz der Massenquadraten der beteiligten Neutrinos.

Wegen der hohen Dichte von Neutrinos im Weltraum könnte der neu ermittelte Wert später wesentlich zum Verständnis der Massenverhältnisse im Universum beitragen. Der Mechanismus der Neutrino-Oszillation löst zudem das alte Rätsel, wieso nur halb so viele Elektron-Neutrinos (der dritte Typ von Neutrinos neben Tau- und Müon-Neutrinos) von der Sonne zur Erde gelangen, als dass man aufgrund von Berechnungen erwartet.

1800 Tonnen schwerer Detektor

Bis aber die entscheidenden Versuche durchgeführt werden, wird es noch eine Zeit dauern. Diesen Sommer im August wurde vorerst ein Strahl niedriger Intensität von Genf zum 1800 Tonnen schweren und 7x7x25 Meter grossen Detektor in der Nähe von Rom geschickt. Dieser erste Versuch diente dazu, die Strahleinstellungen zu optimieren und die Funktion der OPERA-Detektorkomponenten zu überprüfen. Innerhalb dieser Komponenten liegt auch ein wichtiger Beitrag der ETH-Forscher. Diese überwachen nämlich die Produktion von total 206'000 Sandwich-Ziegeln aus je etwa 12 Millionen Bleiplatten und Photoemulsionen, in denen die Neutrinoreaktionen sehr genau gemessen werden. Die Emulsionen flossen auch in dem Namen des Projektes OPERA ein, der für „Oscillation Project with Emulsion-tRacking Apparatus“ steht. Weitere Beiträge der ETH-Wissenschaftler zum 1998 gestarteten Projekt OPERA bestehen in der Mithilfe beim Aufbau des Datenerfassungssystems und der Entwicklung der Analyse-Software.


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Grosses Gerät für kleine Teilchen: Mit diesem Detektor des OPERA-Projektes sollen Umwandlungen von Müon- in Tauneutrinos nachgewiesen werden. (Bild: Public Affairs Office, Gran Sasso National Laboratory - INFN) gross

Den ersten Strahl aufgefangen

Der August-Versuch führte gemäss Andreas Badertscher von der Forschungsgruppe von Rubbia zu mehr als 300 mit den Neutrinostrahl-Pulsen zeitlich exakt korrelierten Ereignissen im OPERA-Detektor. Dabei sind die Neutrinos als elektrisch neutrale Teilchen im Detektor nicht direkt nachweisbar, sondern nur aufgrund der Spuren von geladenen Teilchen, die bei einer Neutrinoreaktion erzeugt wurden. Obwohl der Versuch damit sehr erfolgreich war, sind noch weitere Probeläufe nötig, bis man zum Kernexperiment des Oszillationnachweises kommt. So werden vom 25. Oktober bis zum 7. November erneut Neutrinos für weitere Tests von Genf nach Rom geschickt.

Insgesamt sind die ETH-Forscher und ihre Kollegen zuversichtlich, dass der direkte Nachweis einer Umwandlung von Myon- in Tauneutrinos in den kommenden Jahren gelingt. OPERA ist bisher das einzige sogenannte "tau appearance"-Experiment, das nicht nur ein Neutrinodefizit messen kann, was bereits früher gelungen ist, sondern das Erscheinen von Tauneutrinos in einem ursprünglich aus Myonneutrinos bestehenden Strahl. Die aufgrund theoretischer Überlegungen entstandene Annahme, dass sich die fehlenden Müonneutrinos vorallem in Tauneutrinos umgewandelt haben, hätte dann endlich eine direkte experimentelle Grundlage.

Das experimentelle Vordringen wird aber noch weiter getrieben. Denn bereits sind Arbeiten zum OPERA ergänzenden Projekt „ICARUS“ im Gange, bei dem ein neuartiger Detektor mit flüssigem Argon verwendet wird. Von diesem sollen dann in den nächsten Jahren noch mehr Botschaften aus dem Reich der Neutrinos aufgefangen werden.

Erste Neutrinos aus Genf in Rom: auf der schematischen Darstellung des Detektors sind links die Spuren von Teilchen aus einer Neutrinoreaktion abgebildet. (Bild: OPERA-Kollaboration)


Fussnoten:
(1) Opera-Projekt: http://operaweb.web.cern.ch/operaweb/index.shtml
(2) Projekt CNGS (CERN Neutrinos to Gran Sasso): http://proj-cngs.web.cern.ch/proj-cngs/
(3) Gran Sasso National Laboratory (LNGS): www.lngs.infn.it/
(4) Forschungsgruppe von A. Rubbia: http://neutrino.ethz.ch/



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