ETH Life - wissen was laeuft

Die tägliche Web-Zeitung der ETH Zürich - in English

ETH Life - wissen was laeuft ETH Life - wissen was laeuft
ETH Life - wissen was laeuft
Home

ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Science Life
Print-Version Drucken
Publiziert: 24.01.2006 06:00

ETH-Wissenschaftler entwickeln Arbeitsplätze im virtuellen Raum
Virtuell am selben Tisch

Im virtuellen Raum sollen Leute zusammen arbeiten können, die sich an völlig unterschiedlichen Orten auf der Welt befinden. Die Übermittlung von Metainformationen, wie Mimik oder Gestik, stellt Wissenschaftler und Ingenieure vor grosse technische Herausforderungen. Mit interdisziplinärer Arbeitsweise und einem Austausch mit Kollegen der Chalmers Technischen Hochschule in Göteborg nehmen ETH-Forscher diese an.

Claudia Naegeli

Betrachtet man die Entwicklung von Industriebetrieben in den letzten Jahren, lassen sich zwei Veränderungen ausmachen. Die Konzerne sind zunehmend international tätig und entwickeln gleichzeitig immer komplexere Produkte. Sowohl die interdisziplinäre als auch die internationale Zusammenarbeit gewinnt an Bedeutung. Häufig arbeiten Maschinenbauer, Informatiker, Elektroniker und Industriedesigner gemeinsam an einer Innovation. Und oftmals befinden sich die verschiedenen Fachleute nicht im selben Land.

Häufiges Reisen verursacht jedoch Kosten und nimmt Zeit in Anspruch. Und bekannte Technologien wie Video- und Telefonkonferenzen weisen den Nachteil auf, dass sie einen wichtigen Bestandteil des Kommunikationsprozesses nur unzureichend übertragen: die Metainformation. Mit Mimik oder Gestik drückt der Mensch unwissentlich zusätzliche Informationen aus, die insbesondere bei kreativen Arbeitsprozessen zum gegenseitigen Verständnis notwendig sind. Gängige Brainstorming-Prozesse bauen zudem auf Methoden, in denen auch parallel in Gruppen gearbeitet wird und bei welchen zusätzliche Mittel wie Flipchart oder Papierkärtchen zum Einsatz kommen.

PC hemmt die Kreativität

„Unser Ziel ist, diese Arbeitsprozesse in eine informationstechnisch unterstützte Kollaboration zu überführen“, erklärt Andreas Kunz, Leiter des Innovation Center Virtual Reality (1)am Institut für Werkzeugmaschinen und Fertigung der ETH Zürich (2) und bei Inspire (3). „Die Datenübermittlung soll möglichst ohne Informationsverlust und zeitliche Verzögerung ablaufen.“ Doch die Übertragung analoger in digitale Daten verhindert bislang das zeitgleiche Arbeiten, wie es insbesondere für Kreativprozesse und Teamarbeit notwendig ist. „Das erkennt man schon, wenn man die Ergebnisse einer Teamsitzung per E-Mail versendet. Man muss die erarbeiteten Daten erst einlesen, was bereits eine zeitliche Verzögerung verursacht.“, erläutert der Wissenschaftler. Grundsätzlich wäre es also einfacher, von Anfang an digital zu arbeiten. Zudem stellt sich die Herausforderung, die Arbeit in einem physisch begrenzten Raum auf den virtuell unbegrenzten Raum auszudehnen, um so auch eine vollumfängliche Teamarbeit über Netzwerke zu ermöglichen.

Doch ein PC beeinträchtigt die Kreativität. „Das kommt deutlich zum Ausdruck, wenn man beispielsweise versucht, mit einer PC-Maus zu zeichnen“, sagt Andreas Kunz. Ausserdem seien Computer so konzipiert, dass nur jeweils eine Person aufs Mal arbeiten könne. „Ein PC ist ja ein ‚Personal Computer’, also ein persönlicher Computer und hat ja zum Beispiel nur eine Maus.“ Das Ziel der Wissenschaftler des Innovationszentrums ist deshalb, die Interaktionsgeräte, mit denen man den PC bedient, so zu entwickeln, dass deren Nutzung realen Gegenständen wie Linealen oder Stiften möglichst nahe kommt und eine gleichzeitige Interaktion möglich wird. So werden die Einschränkungen des ‚Personal Computers’ aufgebrochen. Die neuartige Technologie basiert auf einer Infrarottechnik und einem Tisch mit Rückprojektion. Eine Kamera erkennt, in welcher Position jemand seinen Stift auf dem Arbeitstisch ansetzt. Eine Infrarot-Leuchtdiode wird aktiviert und die erfassten Daten an die jeweilige Applikation weiter gegeben.


weitermehr

Am Computer zeichnen wie auf einem Blatt Papier und gleichzeitig sehen was der Kollege im anderen Land auf den Bildschirm malt (Bild: Andreas Kunz). gross

Auf diese Weise können Daten zwar direkt digital erfasst werden, die räumlichen Schranken zu Personen, die sich an einem anderen Ort befinden, sind damit jedoch noch nicht überwunden. „Um diese Leute in einen Arbeitsprozess einbinden zu können, brauchen wir nochmals einen identischen Tisch am anderen Standort. Auf diese Weise ermöglichen wir, dass dieselben Inhalte auf den beiden Tischen in unterschiedlichen Ländern erscheinen“, führt Andreas Kunz weiter aus. Damit sich nun die Leute in den verschiedenen Ländern auch hören und sehen können, bedienen sich die Wissenschaftler der Videotechnologie. „Wir installieren ungefähr auf Augenhöhe Monitore und Kameras auf beiden Seiten der Arbeitsplätze. Da diese mit Lautsprechern und Mikrofonen ausgestattet sind, können wir praktisch eine „Face-to-Face“-Kommunikation ermöglichen“, sagt er.

Geschäftsreisen veraltet?

Gelten Geschäftsreisen also bald als veraltet, weil man sich künftig für einen Workshop einfach kurz im virtuellen Raum trifft? „Die Technologien zur virtuellen Realität entwickeln sich permanent weiter“, meint der ETH-Wissenschaftler. Wichtig sei dabei allerdings, dass die Lösung aus einem Dreieck aus Hardware, Software und Applikation bestehe. Die Applikation müsse so gewählt werden, dass sie für die Industrie auch relevant sei. „Unser Ziel ist es, die Ergebnisse aus der Forschung in industrielle Anwendungen zu integrieren“, sagt Andreas Kunz.

Um die Entwicklungen und Innovationen in die richtige Richtung zu lenken und voranzutreiben, arbeiten an der ETH Wissenschaftler aus den unterschiedlichsten Bereichen zusammen. Seit kurzem besteht auch eine Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern aus dem Bereich Interaction Design der Chalmers Technischen Hochschule in Göteborg (4). „Insbesondere in Bezug auf die Weiterentwicklung der Interaktionsgeräte arbeiten wir eng mit den schwedischen Wissenschaftlern zusammen“, erklärt Andreas Kunz. „Die Herausforderung besteht für uns darin, dass man diese Werkzeuge auch wirklich intuitiv bedienen kann.“ Ausserdem arbeite man daran, die Datenerfassung auf mehrere Eingaben gleichzeitig zu erhöhen und Fehlinterpretationen zu vermeiden, die beispielsweise auftreten, wenn der Handballen des Schreibenden die Tischplatte berührt.

Die Zusammenarbeit mit dem schwedischen Professor Morten Fjeld sei aus früheren Projekten entstanden. Finanziert wird das Projekt mit schwedischen Geldern. „Es handelt sich dabei um ein in Schweden bekanntes Modell, das Forschern aus anderen Ländern die Reise- und Aufenthaltskosten finanziert“, erzählt Andreas Kunz. Denn wenn sich die Wissenschaftler gemeinsam über den Schreibtisch der Zukunft beugen oder mögliche Anwendungsgebiete der Virtual Reality diskutieren wollen, müssen sie allen neuen Technologien zum Trotz zuerst in ein Flugzeug steigen – zumindest vorerst noch.


Fussnoten:
(1) Zur Website des Innovation Center Virtual Reality: www.icvr.ethz.ch
(2) Zur Website des Instituts für Werkzeugmaschinen und Ferigung: www.iwf.mavt.ethz.ch
(3) Mehr Informationen zu Inspire: www.inspire.ethz.ch
(4) Mehr Informationen zum Projekt mit der Chalmers TH Göteborg: www.t2i.se



Sie können zu diesem Artikel ein Feedback schreiben oder die bisherigen lesen.




!!! Dieses Dokument stammt aus dem ETH Web-Archiv und wird nicht mehr gepflegt !!!
!!! This document is stored in the ETH Web archive and is no longer maintained !!!