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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 25.06.2002 06:00

Schweizer Schiessanlagen sollten saniert werden
Gift im Boden beschäftigt die Forschung

Viele Schweizer Schiessanlagen wurden in den letzten Jahren aus Lärmschutzgründen geschlossen. Der Lärm ist weg. Geblieben sind stoffliche Umweltprobleme für Boden und Grundwasser. In den Kugelfängen der ausgedienten Schiessanlagen liegen Tonnen von Blei und Antimon. Beide Elemente stammen aus den Geschosskernen, die aus einer Blei-Antimon-Legierung bestehen. Forschende der ETH Zürich und der EAWAG haben entdeckt, dass Antimon leicht ins Grundwasser gelangen kann.

Regina Schwendener

Im Mai 1995 starben im Kanton St.Gallen fünf Rinder, die in der Nähe des Kugelfangs einer Schiessanlage weideten, an einer Bleivergiftung. Die Aufnahme von Blei (Pb) erfolgt hauptsächlich oral. Also kann sich auch ein Kind, das in der Nähe einer Schiessanlage - oder noch schlimmer, auf einem im Bereich einer ehemaligen Schiessanlage errichteten Kinderspielplatz - spielt, durch die Einnahme von kontaminiertem Boden vergiften. Es ist aber nicht nur das Blei, das eine Gefährdung darstellt, welches die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beschäftigt, sondern auch das stark giftige Antimon (Sb). Dieses wird bei der Fabrikation der Gewehrpatronen verwendet, um den Bleikern zu härten. Toxikologisch ist Antimon mit Arsen vergleichbar. Die Kenntnisse zur Toxikologie von Antimon sind noch sehr lückenhaft. Aufgrund der wissenschaftlichen Literatur lässt sich aber vermuten, dass die - im Vergleich zu den Arsenverbindungen - etwas geringere Toxizität der Antimonverbindungen mit einer längeren Aufenthaltszeit im Organismus kompensiert wird.

Mobiles Antimon im Boden

In der Schweiz gibt es im Prinzip in jeder Gemeinde eine oder mehrere 300m-Schiessplätze. Die Kugelfänge sind meistens an einer natürlichen Hanglage, einem künstlich aufgeschütteten Erdwall oder einer Flussuferböschung ohne Erosionssicherung angelegt. In einzelnen Anlagen wurden im vergangenen Jahrhundert bis zu 50 Tonnen Blei und 3 Tonnen Antimon akkumuliert. Aktuell werden jährlich rund 400 Tonnen Blei und 20 Tonnen Antimon verschossen, wovon immer noch der grösste Teil in den Boden eindringt. Dort angelangt ist Antimon grundsätzlich viel mobiler als Blei. Dies hat vor allem mit den elektrischen Ladungsverhältnissen der chemischen Spezies von Blei und Antimon sowie den Oberflächenladungen der Bodenmatrix zu tun: Die positiv geladenen Bleispezies adsorbieren stark an den Oberflächen der Tonmineralien und Oxide oder bilden gar schwerlösliche Festphasen und werden nur unter stark sauren Bedingungen mobilisiert. Dagegen bildet Sb vor allem negativ geladene Spezies. Diese sind wie viele anionische Verbindungen im Boden sehr mobil.

Antimon_Terr.…kologie
Das Problem der Schwermetallbelastung von Schiessanlagen wird für (v.l.) Professor Rainer Schulin, Andreas Birkefeld (assistierender Doktorand), Ulla Wingenfelder (assistierende Doktorandin), Dr. Gerhard Furrer (Lehrbeauftragter), Dr. Erwin Hepperle (Jurist) und Beni Wettstein (Student Umweltingenieur, vorn) weiterhin ein aktuelles Thema bleiben. gross

Im Falle der Kugelfänge gibt es aber den mildernden Umstand, dass sie auch grosse Mengen von Eisenoxiden enthalten, die bei der Verwitterung der Geschosshülsen aus Stahl entstehen. Für die Zurückhaltung des Antimons sind die Eisenoxide die einzigen relevanten Bestandteile im Boden der Kugelfänge. Bei einer guten Durchdringung der Kugelfangböden mit den Rostpartikeln kann die Verlagerung von Sb vom Boden ins Grundwasser verzögert werden, auch unter sauren Bedingungen.


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Antimon_Bodenprobe
Entnahme einer 75-cm-Bodenprobe im Erosionsbereich des Kugelfanges der 300m-Schiessanlage in Eschenbach SG. gross

Hingegen ist nicht mit einer vollständigen Immobilisierung von Antimon zu rechnen, da die Eisenoxidpartikel ebenfalls der Verwitterung ausgesetzt sind. Besonders unter der Wirkung von Sauerstoffmangel oder organischen Säuren werden die Eisenoxide aufgelöst und das adsorbierte Antimon freigesetzt und kann so rasch ins Grundwasser gelangen. Hier setzt die aktuelle Forschung am Institut für Terrestrische Ökologie (ITÖ) (1) und an der EAWAG (2) an.

Gefährdetes Grundwasser

Die Belastung des Bodens - innerhalb und im Umfeld von Schiessanlagen - wurde durch Studierende der Umweltingenieurwissenschaften und Umweltnaturwissenschaften im Rahmen von Vertiefungsblöcken und Seminararbeiten untersucht. Beim Vergleich verschiedener Analysemethoden fanden die Forschenden, dass die Extraktion mit Oxalsäure im Vergleich zu allen anderen Extraktionsmethoden mit Abstand am meisten Antimon in Lösung brachte. Dies ist eine Bestätigung dafür, dass Antimon im Boden der Kugelfänge vor allem an Eisenoxidpartikeln adsorbiert ist. Allerdings fanden die Studierenden ebenfalls, dass das Spülen des Bodenmaterials mit reinem Wasser auch nach dem 45. Waschgang signifikante Mengen von Antimon in Lösung brachte. Dies ist eine deutlicher Hinweis darauf, dass Antimon im Boden langsam aber stetig verlagert wird. Damit stellt sich die Frage nach einer möglichen Gefährdung von Grund- und Oberflächenwasser.

Untersuchungen der EAWAG-Forschungsgruppe "Water-Rock Interactions" (3) haben die Befürchtung bestätigt, dass die „chemische Zeitbombe Antimon“ in einzelnen Fällen bereits losgegangen ist. Im Grundwasser in der Umgebung von einzelnen Schiessanlagen wurden Antimonkonzentrationen gefunden, welche die Grenzwerte der WHO um ein Mehrfaches übertreffen.

Unvollständige gesetzliche Grundlagen

Die in der Verordnung über Belastungen des Bodens (VBBo) aufgeführten Richt-, Prüf- und Sanierungswerte von zehn Schwermetallelementen und Fluor basieren auf einer Risikoanalyse. Dabei wurden die sich aus der Bodenbelastung ergebenden Auswirkungen auf Mensch, Tier und Umwelt ermittelt sowie die entsprechenden Risiken abgeschätzt. Die Gefährdung von Gewässern, insbesondere von Grundwasser, die von Schiessanlagen ausgeht, wird dagegen von der VBBo nicht behandelt. Als erstes schweizerisches Regelwerk hat die Altlastenverordnung einen für den Grundwasserschutz massgeblichen Konzentrationswert eingeführt. Die Koordination mit dem Gewässerschutzrecht steht noch aus. Am Institut für Terrestrische Ökologie wird auch an Methoden gearbeitet, um chemische und physikalische Belastungen mit planerischen Mitteln gesamtschweizerisch besser zu erfassen, sowie Bodenschutz, Gewässerschutz und Raumplanung besser koordinieren zu können.


Fussnoten:
(1) Institut für Terrestrische Ökologie: www.ito.umnw.ethz.ch
(2) Eidgenössische Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz: www.eawag.ch
(3) EAWAG-Forschungsgruppe "Water-Rock Interactions": www.internal.eawag.ch/~johnson



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