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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 14.05.2002 06:00

Berg- und Talgebiet: Optimale Nutzung der Futterressourcen
"Milch wandert den Berg runter"

Die Berglandnutzung mit Wiederkäuern und anderen Nutztieren ist nach wie vor eine der tragenden Säulen der Schweizer Landwirtschaft wie der übrigen Alpenländer. Einen deutlichen Wandel gibt es momentan jedoch durch die Änderung der Agrarpolitik, die nicht mehr das Produkt, sondern die Produktionsform fördert. Das Milchvieh und auch die Nachzucht von Milchkühen auf den Alpen geht zurück und die Milch“wandert den Berg hinunter“.

Von Regina Schwendener

Die Wissenschaftler versuchen nun sowohl dem Trend gegen zu steuern als auch andere Nutzungsformen zu finden, damit die Berggebiete als Kulturlandschaft nicht verloren gehen.Die Zukunft der Nutztierhaltung im Berggebiet ist das Thema der diesjährigen öffentlichen Frühjahrstagung des Instituts für Nutztierwissenschaften Ernährung - Produkte - Umwelt im Uno-Jahr der Berge, die morgen Mittwoch, 15. Mai (9.30 bis 16.15 Uhr), im Audimax der ETH Zürich durchgeführt wird. Unter der Leitung der Professoren Caspar Wenk und Michael Kreuzer diskutieren ETH-Wissenschaftler zusammen mit Fachleuten aus der Schweiz, Deutschland und Österreich über die Zukunft der Nutztierhaltung im Berggebiet und Alternativen in der Nutzung der Ressourcen eben dieses Berggebietes. In einer umfangreichen Posterausstellung werden zudem aktuelle Arbeiten aus verschiedenen Forschungsstätten der Tierernährung zu folgenden Themen zu sehen sein:“Wiesen und Weiden im alpinen Raum“, „Tierernährung in den Tropen“, „Umweltgerechte Tierernährung“, „Angewandte Tierernährung“, „Ernährungsphysiologie“ sowie „Tierernährung und Produktequalität“.

Einem Trend entgegen wirken

Schon heute sei festzustellen, so Professor Michael Kreuzer, dass immer weniger Kühe auf den Alpen weiden, die Milchviehhaltung in den Alpen zurückgehe, die Milch praktisch den Berg hinunter wandere. Die Berglandnutzung mit Tieren sei aber nach wie vor eine der tragenden Säulen der Landwirtschaft der Schweiz und der übrigen Alpenländer. Kreuzer: „Besorgnis erregend ist der gegenwärtige Trend in der Schweiz, die Alpen zu extensiv oder gar nicht mehr zu nutzen.“ Dies sei auch im Sinne der Erhaltung einer erwünschten Kulturlandschaft ein ungünstiger Trend. Schweizer Kenner der Szene und Experten aus Deutschland und Österreich, wo sich diese Entwicklung bereits vollzogen habe, werden im ersten Teil der Tagung die aktuelle Situation beschreiben. Spezifische Beiträge sind anschliessend den Alternativen in der Nutzung der Ressourcen des Berggebietes, den Effekten der Beweidung subalpiner Wälder und schliesslich der Molkeverwertung durch Schweine gewidmet. „Oberstes Ziel all dieser Anstrengungen auf landwirtschaftlicher Seite ist es, eine optimale Nutzung der Futterressourcen zur Erzeugung hochwertiger Produkte im Zusammenspiel von Berg- und Talgebiet zu erreichen“, erklärt Kreuzer.

Grünlandanteil sinkt

Balthasar Spann von der Bayerischen Landesanstalt für Tierzucht, Grub, schildert in seinem bericht die derzeitige Situation in Deutschland, die sich auch in der Schweiz breit machen könnte: Von den etwa 3,3 Millionen Hektaren landwirtschaftlicher Fläche in Bayern wurden 1999 etwa 1,17 Millionen als Grünland genutzt. Das entspricht 35,7 Prozent der Fläche. Der Grünlandanteil lag im Jahre 1985 noch bei 39 Prozent. Die Zahl der Rinder nahm in Bayern im gleichen Zeitraum von 5,22 Millionen auf rund 4 Millionen ab, das heisst, um mehr als 20 Prozent, die Zahl der Milchkühe von 2 Millionen auf rund 1,45 Millionen. Das sind mehr als 27 Prozent. Die Zahl der Kühe in den einzelnen Bauernbetrieben stieg dagegen von 1985 bis 1999 von rund 14 auf 22 Kühe, während die Zahl der Milchkuhhalter um mehr als 50 Prozent sank. Eine zunehmend geringere Bedeutung, so Spann, nimmt die Weidehaltung ein. Schätzungen gingen davon aus, dass nur mehr etwa 15 Prozent der Milchkühe geweidet werden – ein Anteil, der zudem jährlich sinke.


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Kuehe
Das Milchvieh und auch die Nachzucht von Milchkühen auf den Alpen geht zurück und die Milch“wandert den Berg hinunter“. gross

Alle extensiveren Tierhaltungsformen seien bisher nur durch Prämienzahlungen einigermassen wirtschaftlich gestaltbar. Immer mehr ungenutzte Grünflächen würden deshalb in Zukunft für die Landwirtschaft, aber auch für die gesamte Volkswirtschaft, ein zunehmendes Problem darstellen. Spann empfiehlt : „Wenn das Ziel besteht,die Kulturlandschaft in etwa ihrem jetzigen Aussehen zu bewahren, das heisst, nicht grossräumig Flächen verbuschen zu lassen oder mit Wald zu bepflanzen, ist es notwendig, alle Möglichkeiten der Grünlandverwertung grundsätzlich zu diskutieren, um dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten.

Weniger Kühe auf den Alpweiden

Aus Schweizer Sicht schildert ETH-Wissenschaftler Hans-Ruedi Wettstein die Situation der Rindviehhaltung. Traditionell wurden im Schweizer Berggebiet viel Kühe gealpt, was einerseits der Talbetriebe während der Futtererntezeit entlastete und andererseits eine Ausweitung der Futterbasis eines Betriebes bedeutete. Wie die Statistik zeige, sei der Rindviehbestand in der Schweiz von 1988 bis 1999 jedoch von mehr als 1,8 Millionen auf 1,6 Millionen zurück gegangen. Gleichzeitig sank der Bestand an Kühen von 789'000 auf 725'000, während derjenige der Mutterkühe heute 40'000 betrage. Folge sei, dass immer weniger Kühe gealpt würden. Gleichzeitig ist aber die Milchleistung der Kühe, welche im Zeitraum zwischen 1991 und 1995 noch 5090 Kilo pro Kuh und Jahr betrug, auf 5390 Kilo 1999 angestiegen. Wettstein: „Da es bei Kühen höherer Milchleistung bei der Alpung im Vergleich zum durchgehenden Aufenthalt im Tal zu einem starken Rückgang der Milchleistung kommt, ist die Alpung der Kühe für die Landwirte immer weniger interessant.“ Er empfiehlt, Alpen mit gutem Futterangebot wegen der Qualität der Milch weiterhin mit Milchkühen zu bestossen, befürchtet jedoch, dass dies wegen der höheren Milchproduktivität im Talgebiet und wegen der Direktzahlungen für Mutterkühe den Entscheid der Landwirte für oder gegen die Milchproduktion beeinflussen würden.

„Primalp“ in der Schlussphase

Zwei Referate an der Tagung basieren in erster Linie auf den Ergebnissen von „Primalp (Nachhaltige Primärproduktion am Beispiel des Alpenraumes)“ – einem überdepartementalen Projekt, welches aus acht Einzelprojekten besteht (www.primalp.ethz.ch). Dieses Projekt beschäftigt sich mit vielen Facetten der Landwirtschaft im Gebirge und befindet sich jetzt in der Schlussphase. Mitarbeitende der Gruppen Ernährung – Produkte – Umwelt führten zwei der Projekte durch und sind an zwei weiteren beteiligt.

Kreuzer hofft, dass die an der Tagung anwesenden Agrarpolitiker – unter ihnen der Vizedirektor des Bundesamtes für Landwirtschaft, Professor Jacques Morel – viele der neuen Erkenntnisse aufnehmen und umsetzen oder weiterentwickeln.




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